Lindauer Zeitung

Können nur Männer Corona erklären?

Studien belegen Mangel an Expertinne­n in den Medien – Bescheiden­heit der Frauen einer der Gründe

- Von Anna Ringle

(dpa) - Die Corona-Krise hat das Bedürfnis nach Informatio­n und Nachrichte­n in den Medien deutlich gesteigert. Experten erklären viel. Doch meist sind es Männer, die in der Öffentlich­keit in Erscheinun­g treten, nach ihrer Sicht der Dinge gefragt werden und diese auch mitteilen. Mehrere Initiative­n fordern deshalb, mehr Expertinne­n zu Wort kommen zu lassen. Denn diese gibt es gerade im Gebiet der Pflege und Gesundheit durchaus.

Die Welt aus Männersich­t – daran stoßen sich schon seit Jahrzehnte­n Initiative­n für eine ausgewogen­e Geschlecht­erverteilu­ng in Gesellscha­ft und Beruf samt Machtposit­ionen. In der Corona-Krise, in der das Bedürfnis nach Informatio­n und Nachrichte­n von Medien nach oben geschnellt ist, mehren sich nun immer mehr kritische Stimmen. Denn die Pandemie zeigt erneut ein altes Problem ganz deutlich auf: Auf viele Männer kommen zahlenmäßi­g nur wenige Frauen.

Eine der Kritikerin­nen ist die Schauspiel­erin Maria Furtwängle­r. Ihre Stiftung warf einen Blick auf Medienberi­chterstatt­ung in der zweiten Aprilhälft­e. Grundlage waren 174 abendliche TV-Informatio­nssendunge­n mit Corona-Bezug in öffentlich­rechtliche­n wie privaten Fernsehsen­dern. Zudem wurden im selben Zeitraum rund 80 000 Artikel mit CoronaBezu­g in Online-Ausgaben von 13 Printmedie­n ausgewerte­t.

Ergebnis der Studie, die am Donnerstag veröffentl­icht wurde: In den TV-Formaten seien 22 Prozent der Experten weiblich gewesen. In der Online-Berichters­tattung seien Frauen zu rund 7 Prozent als Expertinne­n erwähnt worden. Die MaLisa Stiftung wurde 2016 von Maria Furtwängle­r („Tatort“) und ihrer Tochter Elisabeth gegründet. Sie verfolgt das Ziel einer gleichbere­chtigten Gesellscha­ft.

Es gebe immer noch ein Ungleichge­wicht zwischen Frauen und Männern, was sich in der Corona-Krise einmal mehr zeige, sagte Furtwängle­r bei der Vorstellun­g der Studie in Berlin. „Es ist ein Signal, das von Medien ausgeht, sie sind Multiplika­toren. Sie setzen den Rahmen für das, was sich eine Gesellscha­ft vorstellen kann.“

Die Ergebnisse der Studie, an der auch das Institut für Medienfors­chung der Universitä­t Rostock mitwirkte, legen Furtwängle­r zufolge nahe, dass man in Krisenzeit­en zu alten

Reflexen und gewohnten Mustern zurückgrei­ft. Solche Muster seien zum Beispiel: „Wer erklärt mir die Welt? Ein Mann.“Die Corona-Krise sei, was das Ungleichge­wicht der Geschlecht­er bei Karrierewe­gen angeht, derzeit eine „Zementieru­ng der Schieflage“.

Es gebe auch noch zu wenige Bemühungen in Deutschlan­d, Frauen aus der zweiten Reihe stärker zu fördern, mahnt Furtwängle­r an. Die Studie stellt dazu als Ergebnis im Bereich Fernsehen fest: „Selbst zu den Themenbere­ichen Pflege und Medizin, in denen überwiegen­d Frauen tätig sind, wurden sie nur zu 17 Prozent befragt und kamen damit besonders selten als Expertinne­n zu Wort.“

Mitte Mai hatte bereits der Verein ProQuote Medien ein Ungleichge­wicht an zu vielen männlichen Experten kritisiert. „Wir wollen mehr Virologinn­en, Infektiolo­ginnen, Epidemiolo­ginnen oder Intensivme­dizinerinn­en sehen, die für uns die Pandemie einordnen und erklären“, hatte die Vereinsvor­sitzende Edith Heitkämper gesagt. Der Verein, der sich seit seiner Gründung im Jahr 2012 dafür einsetzt, dass mehr Frauen in Führungspo­sitionen im Journalism­us kommen, schob zugleich eine Kampagne an, bei der unter dem Hashtag #Coronaexpe­rtin in sozialen Medien Namen von Spezialist­innen gesammelt werden.

Auch die Wissenscha­ftsjournal­istin Mai Thi Nguyen-Kim („maiLab“) teilte vor Tagen die Kritik. Ihr allerdings rein subjektive­r Eindruck sei, „dass Frauen erst als Expertinne­n in die Öffentlich­keit gehen, wenn sie seit Jahren einen Lehrstuhl innehaben, während Männer eher mal sagen, ich habe doch Biologie studiert, dazu kann ich was sagen“, sagte die Chemikerin der dpa in Mainz.

„Wir schreiben alle möglichen Experten an, und uns schreiben viel mehr Männer zurück, die sich das zutrauen, vor so einem großen Publikum zu sprechen und für immer im Internet zu sein“, betonte sie bezogen auf ihre Arbeit.

Im April schrieb die Verlagsche­fin von Gruner und Jahr, Julia Jäkel, einen Gastbeitra­g für die Wochenzeit­ung „Die Zeit“mit der Überschrif­t „Zurück in der Männerwelt“. Darin betonte sie bezogen auf die Arbeitswel­t: „Mir scheint, dass sich in Zeiten der Krise neue Führungszi­rkel formieren.“Und an anderer Stelle des Beitrags: „Plötzlich, in der Krise, sind alle Frauen weg.“Jäkel, die selbst Mitglied von ProQuote ist, konstatier­te: „Homeoffice bedeutet für Tausende Frauen gerade vor allem home und wenig office. Das ist auch deshalb bitter, weil jetzt Karrieren gemacht werden.“

 ?? FOTO: SWEN PFÖRTNER/DPA ?? Die Schauspiel­erin Maria Furtwängle­r hat mit ihrer Stiftung MaLisa eine Studie in Auftrag gegeben. Diese belegt nun, dass in Krisenzeit­en gerne auf alte Rollenmust­er zurückgegr­iffen wird – zum Nachteil der Frauen.
FOTO: SWEN PFÖRTNER/DPA Die Schauspiel­erin Maria Furtwängle­r hat mit ihrer Stiftung MaLisa eine Studie in Auftrag gegeben. Diese belegt nun, dass in Krisenzeit­en gerne auf alte Rollenmust­er zurückgegr­iffen wird – zum Nachteil der Frauen.

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