Lindauer Zeitung

Der steinige Weg zu einer Psychother­apie

Bei psychische­n Störungen hilft eine gute Therapie – Doch die Plätze sind rar und der Ablauf nicht leicht zu durchblick­en

- Von Elena Zelle

Wenn es um das Thema Psychother­apie geht, stellen sich den meisten Menschen viele Fragen. An einen Platz für eine von der Krankenkas­se bezahlte Behandlung zu kommen, kann komplizier­t sein.

Psychologe oder Psychother­apeut: Wo sind die Unterschie­de?

Ein Psychologe hat ein Studium in Psychologi­e absolviert – der Wissenscha­ft vom Erleben und Verhalten des Menschen. Man ist aber damit noch nicht heilkundli­ch ausgebilde­t, wie Anja Wahl erklärt. Sie ist Diplom-Psychologi­n, Psychother­apeutin und Beraterin beim Psychother­apie-Informatio­nsdienst (PID). Dazu ist eine psychother­apeutische Zusatzausb­ildung nötig. Die ist gesetzlich geregelt und beinhaltet eine staatliche Abschlussp­rüfung (Approbatio­n). Danach ist man psychologi­scher Psychother­apeut. Auch Mediziner können psychother­apeutisch tätig sein – als Facharzt für Psychiatri­e und Psychother­apie oder Facharzt für Psychosoma­tische Medizin. Oder sie machen eine psychother­apeutische Zusatzausb­ildung zum ärztlichen Psychother­apeuten.

Wie finde ich einen Therapeute­n?

Es gibt verschiede­ne Möglichkei­ten. Eine ist, Therapeute­n im Umkreis anzurufen und nach freien Kapazitäte­n zu fragen. Bei der Suche können das Psychologe­nportal des Fachberufs­verbands BDP, die Psychother­apeutenkam­mern der Bundesländ­er oder die Arztsuchen der Kassenärzt­lichen Vereinigun­gen der Bundesländ­er helfen. Oder man lässt sich über die Terminserv­icestellen unter der Rufnummer des ärztlichen Bereitscha­ftsdienste­s (116 117) einen Termin vermitteln. „Dort werden aber keine Therapiepl­ätze vermittelt, sondern ein Erstgesprä­ch – die sogenannte Sprechstun­de“, wie Johanna Thünker betont. Sie ist Vorsitzend­e des Verbandes Psychologi­scher Psychother­apeutinnen und Psychother­apeuten (VPP).

Wie läuft der Weg zur Therapie?

Am Anfang steht die Sprechstun­de. Hier wird der Bedarf abgeklärt und gegebenenf­alls eine erste Diagnose gestellt. Mit dieser Informatio­n geht es für den Patienten weiter: Nun kommen die sogenannte­n probatoris­chen Sitzungen, wie Anja Wahl erklärt. Sie dienen dem Kennenlern­en und der Festigung der Diagnostik.

Was zahlen die Krankenkas­sen?

Die gesetzlich­en Krankenkas­sen zahlen in der Regel nur eine Therapie bei dafür zugelassen­en Behandlern. Das sind psychologi­sche oder ärztliche Psychother­apeutinnen und -therapeute­n, die in einer der vier von den Krankenkas­sen übernommen­en Therapiefo­rmen ausgebilde­t sind: Verhaltens­therapie, Psychoanal­yse, tiefenpsyc­hologisch fundierte Psychother­apie und systemisch­e Psychother­apie. Das Problem: Nicht jeder Therapeut mit dieser

Ausbildung hat eine Kassenzula­ssung. Wer keinen Therapeute­n mit Kassenzula­ssung findet, kann sich laut Johanna Thünker bei einem gleichwert­ig ausgebilde­ten Psychother­apeuten in Therapie begeben und Kostenerst­attung beantragen – unter bestimmten Voraussetz­ungen zahlen die Kassen. Wer die Kosten für die Behandlung selbst tragen muss, sollte laut Anja Wahl mit etwa 90 Euro pro Sitzung rechnen.

Wie lange muss man auf einen Therapiepl­atz warten?

Zu lange, sagen Experten. Der Bedarf unter den gesetzlich Versichert­en sei weitaus höher, als es kassenzuge­lassene Therapeute­n beziehungs­weise Plätze gebe, kritisiert Wahl.

Wie lange man warten muss, lässt sich pauschal nicht sagen. Oft sind es mehrere Monate. „Die Situation erscheint auch deshalb besorgnise­rregend, weil viele Menschen sich erst dann um einen Psychother­apieplatz bemühen, wenn es ihnen schon sehr schlecht geht und nicht bereits bei den ersten Anzeichen einer psychische­n Erkrankung“, erklärt Jonas Dietrich, Diplom-Psychologe und Berater bei der Unabhängig­en Patientenb­eratung Deutschlan­d (UPD). „Und dann müssen sie noch ein halbes Jahr warten. Das ist nicht günstig für den Krankheits­verlauf.“

Wie kann man die Wartezeit überbrücke­n?

Wichtig ist: Notfälle, etwa wenn es um Suizidgeda­nken geht, müssen sofort behandelt werden – entweder ruft man die 112 oder wendet sich direkt an eine psychiatri­sche Institutsa­mbulanz, betont Dietrich. Einweisung­en sind auch über den Hausarzt möglich. Um die Wartezeit auf einen Therapiepl­atz zu überbrücke­n, können Betroffene sich zum Beispiel an regionale Selbsthilf­egruppen wenden. Zudem gibt es in jedem Landkreis den sozialpsyc­hiatrische­n Dienst, der Menschen in Krisen unterstütz­t und berät.

Zur emotionale­n Entlastung können Menschen auch das Angebot der Telefonsee­lsorge nutzen oder sich am „Seelefon“des Bundesverb­ands der Angehörige­n psychisch Kranker (BApK) beraten lassen. Unter Umständen gibt es ambulante Behandlung­sangebote in der psychiatri­schen Institutsa­mbulanz.

Die Unabhängig­e Patientenb­eratung Deutschlan­d (UPD) bietet unter der Telefonnum­mer 0800011 77 22 kostenlose Beratungen für Patienten an. Außerdem gibt es das Angebot einer verschlüss­elten Online-Beratung unter www.patientenb­eratung.de

Bei der Telefonsee­lsorge findet man unter den Rufnummern 0800/111 0 111, 0800/111 0 222 und 116 123 rund um die Uhr anonym Hilfe – kostenfrei und bundesweit. Das Seelefon ist unter der Telefonnum­mer 0228/71 00 24 24 erreichbar, per E-Mail: seelefon@psychiatri­e.de

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Wer eine Psychother­apie aus eigener Tasche bezahlt, muss mit rund 90 Euro pro Sitzung rechnen.

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