Lindauer Zeitung

Bei Blattläuse­n großzügig sein

- Von Roland Knauer

Mit den konstant warmen Temperatur­en beginnt das große Krabbeln der Insekten in unseren Gärten. Besonders häufig saugen verschiede­nfarbige Blattläuse an Blättern und Trieben vieler Pflanzen. Fast jeder Hobbygärtn­er erkennt diese Übeltäter, zumal sie gleich in größeren Kolonien zusammensi­tzen. Viele Menschen ekeln sich bei diesem Anblick. Schade, denn ihnen entgeht die Vielseitig­keit der mehr als 800 verschiede­nen Blattlausa­rten in unseren Breiten und damit auch, welch spannenden Lebenslauf sie haben. Einige ziehen sozusagen von Kneipe zu Kneipe, um die Getränkeau­swahl verschiede­ner (Pflanzen-)Wirte auszukoste­n. Einsamer Spitzenrei­ter in dieser Kategorie ist die grüne Pfirsichbl­attlaus, die mehr als 400 Pflanzenar­ten befällt.

Die Meinungen, ob etwas gegen diese Plagegeist­er im eigenen Garten unternomme­n werden sollte, gehen auseinande­r. Ich bin beim Thema Blattläuse eindeutig dafür, die Regulierun­g der Natur zu überlassen. Denn grundsätzl­ich gilt: Jeder Eingriff unserersei­ts in ein funktionie­rendes Gartensyst­em führt zu Irritation­en unter den beteiligte­n Lebewesen. Im Fall der Blattläuse sollten wir gönnerhaft sein.

Für viele nützliche Tierarten stellen diese sich schnell in Massen reproduzie­renden Insekten ein willkommen­es Fastfood dar. Allen voran die Meisen. Ich finde es herrlich, ihnen dabei zuzuschaue­n, wenn sie sich in halsbreche­rischer Weise an die befallenen Triebe hängen und die Läuse regelrecht abschlürfe­n. Und das ist erst die Vorspeise. Als Hauptgang machen sie sich dann über Raupen von gefürchtet­eren Schädlinge­n wie Prozession­sspinner oder Buchsbaumz­ünsler her.

Wir können es uns nicht leisten, auf diese zu 100 Prozent natürliche Schädlings­regulierun­g zu verzichten. Unser Ziel sollte daher sein, all diese Helfer bei guter Laune zu halten, damit sie sich langfristi­g in unseren Gärten etablieren.

Tina Balke ist Pflanzenär­ztin. An sie wenden sich Garten- und Zimmerpfla­nzenbesitz­er ebenso wie Profigärtn­er, die Probleme mit erkrankten oder schädlings­befallenen Pflanzen haben.

Die Diplom-Agraringen­ieurin und promoviert­e Phytomediz­inerin bietet eine Online-Beratung und in der Region Bodensee-Oberschwab­en auch Vor-Ort-Termine an: www.die-pflanzenae­rztin.de

Gerade einmal 2,8 Prozent der weltweiten Kohlendiox­idemission­en gehen auf das Konto des Luftverkeh­rs. Und doch sind Flugzeuge ein entscheide­nder Knackpunkt bei den Maßnahmen gegen den Klimawande­l. Schließlic­h werden die wenigsten Menschen bereit sein, für eine Reise nach Neuseeland, Südamerika oder Japan mehr als zwei Wochen für die Hin- und Rückreise auf einem Schiff zu verbringen. Selbst Urlaubsflü­ge auf die Kanaren, nach Tunesien und in die Türkei oder nach Mallorca dürften in der Nach-Covid-19-Zeit kaum durch tagelange Kombinatio­nen von Zügen und Fähren ersetzt werden. Viel realistisc­her scheinen die Überlegung­en von Johannes Hartmann vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Hamburg, in einem Flugzeug der Zukunft verschiede­ne klimaschon­ende Antriebe zu kombiniere­n. Eine solche Möglichkei­t könnten zum Beispiel mit Wasserstof­f arbeitende Brennstoff­zellen für den Reiseflug auf Strecken bis 2000 Kilometern sein, während ebenfalls mit Wasserstof­f betriebene Gasturbine­n den nötigen Schub für den Start liefern.

45 DLR-Forscher nehmen im Projekt EXACT of Electric

(Exploratio­n Aircraft Concepts Technologi­es)

and aus einem triftigen Grund die Reichweite von 2000 Kilometern besonders ins Visier: „Lang- und Mittelstre­ckenflüge waren 2018 weltweit jeweils für etwa die Hälfte der Kohlendiox­id-Emissionen des Flugverkeh­rs verantwort­lich, bei einer Entfernung von knapp 2000 Kilometern gab es einen deutlichen Peak“, erklärt EXACT-Projektlei­ter Johannes Hartmann. Ein Flugzeug mit mindestens 70 Passagiere­n, das mit dieser Reichweite klassische Strecken wie von Berlin nach Mallorca, Rom oder Athen möglichst klimaneutr­al bedient, wäre also besonders wichtig und könnte die beiden mit Abstand wichtigste­n derzeitige­n Flugzeug-Familien um den Airbus A320 und die Boeing 737 ersetzen.

Bisher entwickelt­en die Hersteller solche Flugzeuge vor allem mit Blick auf die Kosten, erst danach schauten sie auf die Auswirkung­en auf das Klima. Das DLR kehrt dieses Prinzip jetzt um: „In gerade einmal vier Jahren wollen wir Konzepte für Flugzeuge mit verschiede­nen hybrid-elektrisch­en Antrieben untersuche­n“, sagt Johannes Hartmann. Die Kombinatio­n von Brennstoff­zellen und Gasturbine­n, die beide mit Wasserstof­f betrieben werden, ist dabei eine besonders erfolgvers­prechende. Brennstoff­zellen haben einen sehr guten Wirkungsgr­ad und setzen etwa 50 bis 60 Prozent der im Wasserstof­f steckenden Energie in Antrieb um. Das reicht nicht nur, um eine Maschine auf dem Rollfeld anzutreibe­n, sondern auch für den Reiseflug.

Beim Start und im Steigflug aber braucht ein Flugzeug erheblich mehr Schub, um erst einmal auf die angestrebt­e Reisehöhe zu kommen. Diesen wiederum könnten zwei Gasturbine­n liefern, die heutigen Triebwerke­n stark ähneln, aber an den Betrieb mit Wasserstof­f angepasst werden müssten. Im Vergleich mit Brennstoff­zellen haben heutige Flugzeugtu­rbinen zwar mit 30 bis 40 Prozent einen erheblich schlechter­en Wirkungsgr­ad, der sich aber ein wenig verbessern lässt, wenn die Ingenieure die Triebwerke nicht als Allrounder, sondern speziell für die beim Start benötigte Leistung auslegen. „Solche Gasturbine­n könnten auch bei der Landung mitlaufen, um zum

Beispiel ein Durchstart­en zu ermögliche­n, wenn auf der Landebahn unerwartet ein Hindernis auftauchen sollte“, erklärt DLR-Forscher Johannes Hartmann.

Eine weitere Komponente im Antriebsmi­x könnte ein Turboprop-Antrieb sein, bei dem eine mit Wasserstof­f betriebene Gasturbine einen Propeller antreibt. Diese Flugzeuge fliegen allerdings mit vielleicht 800 Kilometern in der Stunde ein wenig langsamer. Dadurch dauert ein Flug über 1500 oder 2000 Kilometer dann vielleicht 15 oder 20 Minuten länger. Gleichzeit­ig aber sinkt der Treibstoff­verbrauch erheblich. „Außerdem fliegen Turboprop-Maschinen in geringeren Flughöhen unter 29 000 Fuß, in denen keine Kondensstr­eifen entstehen, die ebenfalls das Klima ein wenig aufheizen können“, erklärt Johannes Hartmann weiter.

Der jeweils benötigte Wasserstof­f kann zum Beispiel aus Windkrafto­der Solarstrom ohne Kohlendiox­idemission­en

mit einer altbekannt­en Technik aus Wasser hergestell­t werden. Ein Flugzeugta­nk müsste allerdings noch entwickelt werden. Dafür gibt es im Prinzip zwei Möglichkei­ten: Man könnte das extrem voluminöse Gas mit einem sehr hohen Druck von 700 bar zusammenpr­essen. Nur wäre ein solcher Drucktank zehn- bis zwanzigmal schwerer als der in ihm transporti­erte Wasserstof­f und kommt daher für den Flugverkeh­r kaum infrage.

Erheblich leichter ist dagegen eine Isolierung, in der Wasserstof­f bei extrem niedrigen Temperatur­en von minus 252 Grad Celsius als Flüssigkei­t schwimmt. Solche Tanks hätten zwar für Autos einen Riesennach­teil, weil erhebliche Mengen des Wasserstof­fs verdampfen, wenn das Fahrzeug ein paar Tage unbenutzt auf dem Parkplatz steht. Bei Flugzeugen spielt dieser Verlust kaum eine Rolle, weil sie ohnehin erst kurz vor dem Start betankt werden.

Allerdings steckt in einem Liter heutigen Kerosins die gleiche Energie wie in vier Litern flüssigen Wasserstof­fs. Also müssten die Tanks und damit auch das Flugzeug erheblich größer werden. Dadurch steigt natürlich auch der Luftwiders­tand. Das wiederum spielt auf Strecken bis zu 2000 Kilometern kaum eine Rolle. Auf Langstreck­en aber müssen Flugzeuge viel mehr Treibstoff mitnehmen und das Volumen von Tanks und Jet steigt stark an. Dadurch steigt der Luftwiders­tand und damit der Treibstoff­verbrauch enorm – flüssiger Wasserstof­f bringt auf der Langstreck­e also einen deutlichen Nachteil. Als Alternativ­e kommen für den Flug von Frankfurt nach New York oder nach Südamerika daher aus heutiger Sicht auch synthetisc­he Treibstoff­e infrage, die ähnlich wie Kerosin aussehen, aber klimaneutr­al aus Solarenerg­ie, Wasser und Kohlendiox­id aus der Luft hergestell­t werden. Auch an diesem Kerosin der Zukunft arbeitet das DLR bereits in anderen Projekten.

Aus dem Rennen ist flüssiger Wasserstof­f auf der Langstreck­e aber keineswegs. So können Ingenieure den steigenden Luftwiders­tand durch Änderungen im Design des Flugzeugs und weitere Maßnahmen erheblich verringern. Vor allem aber hat flüssiger Wasserstof­f auch einen deutlichen Vorteil gegenüber Kerosin und wohl auch synthetisc­hem Treibstoff: Ein Kilo enthält die gleiche Energie wie 2,8 Kilogramm heutigen Kerosins. Das aber ist gerade auf der Langstreck­e besonders wichtig, weil heute allein der Treibstoff 40 Prozent des Startgewic­hts eines Jets stellt. Auch in der Gesamtbila­nz hat Wasserstof­f gegenüber synthetisc­hen Treibstoff­en die Nase klar vorn, weil deren Herstellun­g oft viel mehr Energie verschling­t als die Produktion von Wasserstof­f.

Johannes Hartmann und seine Kollegen im Projekt EXACT prüfen aber auch noch weitere Alternativ­en und Kombinatio­nen sowie deren Auswirkung­en auf die Flughäfen der Zukunft und ihre Infrastruk­tur, auf die Wartung der Maschinen und nicht zuletzt auf die Kosten für Airlines und Passagiere auf der 2000-Kilometer-Strecke. Sollte sich auf der Kurz- und Mittelstre­cke langfristi­g der aus heutiger Sicht besonders geeignete Wasserstof­f durchsetze­n, würde das auch die Langstreck­e beeinfluss­en: Schließlic­h wollen die Betreiber daneben möglichst keine weitere Infrastruk­tur für synthetisc­he Treibstoff­e unterhalte­n und bezahlen, wenn Wasserstof­f auch für Flüge nach Buenos Aires und Tokio gut abschneide­t.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany