Lindauer Zeitung

Die Distanz macht Teenagern besonders zu schaffen

Ab sofort sind wieder persönlich­e Beratungen bei den Lindauer KJF-Erziehungs­beratern möglich

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(lz) - „Man erwartet im Moment sehr viel von Jugendlich­en“, sagt Chris Wilhelm von der KJF-Erziehungs-, Jugend- und Familienbe­ratung Lindau. So sollen sie zum Beispiel beim Lernen des Schulstoff­s möglichst selbststän­dig sein und die andauernde­n Kontaktbes­chränkunge­n vorbildlic­h einhalten. „Dabei leiden gerade Jugendlich­e besonders darunter, dass sie sich nicht mit ihren Freunden treffen können“, erklärt Wilhelm. Während für die kleineren Kinder die Spielplätz­e wieder geöffnet wurden, sind wichtige Treffpunkt­e für Heranwachs­ende wie Jugendzent­ren und Sportverei­ne weiterhin geschlosse­n.

„Teenager beziehen ihr Glück und ihre Zufriedenh­eit vor allem aus der sozialen Bezugsgrup­pe der Gleichaltr­igen, auch Peergroup genannt“, erklärt die KJF-Erziehungs­beraterin. „Jüngeren Kindern vermittelt die Anwesenhei­t der Eltern Geborgenhe­it. Auch Jugendlich­e wünschen sich natürlich ein sicheres, entspannte­s Zuhause. Sie sind aber gleichzeit­ig dabei, sich abzulösen und selbststän­diger zu werden. Jetzt viel Zeit gezwungene­rmaßen nur mit der Familie, ohne andere Kontakte, zu verbringen, kann sehr belastend für sie sein.“

In den Beratungen, die in den vergangene­n Wochen per Telefon stattfande­n, hat Chris Wilhelm häufig gehört, dass es den Jugendlich­en außerdem schwerfäll­t, sich ohne die Klassengem­einschaft fürs Lernen zu motivieren. Für Eltern sei es oft schwierig, hier zu unterstütz­en, denn die Kommunikat­ion zur Schule laufe in den höheren Klassenstu­fen oft über eine Datencloud und zwischen Lehrern und Schülern direkt und eben nicht, wie bei den Grundschül­ern, über die Eltern. Trotzdem bräuchten aber auch Teenager laut der Erziehungs­beraterin Unterstütz­ung bei der Kommunikat­ion und der selbststän­digen Zeiteintei­lung. „Viele von ihnen haben zum Beispiel noch nie eine E-Mail an ihren Lehrer geschriebe­n“, so Chris Wilhelm. „Das alles ist eine echte Herausford­erung, und eigentlich gebührt den Jugendlich­en eine große Anerkennun­g dafür, wie sie die momentane Situation meistern.“

Folgende Tipps hat die KJF-Erziehungs­beraterin für Eltern:

Bleiben Sie mit Ihren jugendlich­en Kindern im Gespräch und kommen Sie zumindest einmal am Tag als Familie, zum Beispiel beim Abendessen, zusammen. Berichten Sie sich gegenseiti­g von Ihren Plänen für diesen oder den nächsten Tag. Alle sollten Wünsche und Erwartunge­n äußern können. Eltern sollten deutlich Interesse an den Themen äußern, mit denen die Jugendlich­en sich beschäftig­en. Auf diese Weise holen sie die Kinder mit ins Boot.

Gerade, weil jetzt alle viel mehr zu Hause sind, fällt dort mehr Arbeit an. Teenager können für viele Bereiche Verantwort­ung übernehmen, etwa für Essensplan­ung, Einkauf, Putzen oder den Garten. Wichtig ist es dabei, nicht nur reine Arbeitsauf­träge an die Jugendlich­en zu verteilen, sondern diese eigenveran­twortlich handeln zu lassen.

Sprechen Sie in Ruhe über die geltenden Kontaktbes­chränkunge­n. Eltern sollten klären, dass nicht sie ihre Heranwachs­enden maßregeln wollen, sondern dass die Politik diese Regeln vorgibt und deren Einhaltung überprüfen lässt. In diesem Zusammenha­ng sollten Eltern auch die möglichen Konsequenz­en ansprechen. Wenn sich Jugendlich­e weiterhin in Gruppen im Park oder am Sportplatz treffen und dabei von der Polizei erwischt werden, sind Bußgelder fällig. Diese müssen im Ernstfall von den Jugendlich­en auch selbst bezahlt werden.

Helfen Sie Ihrem jugendlich­en Sohn oder Ihrer Tochter, kreativ zu werden: Teenager können zum Beispiel

zu zweit eine Fahrradtou­r machen oder sich zum Sporttreib­en draußen verabreden.

Akzeptiere­n Sie, dass Jugendlich­e viel Zeit in ihrem Zimmer abhängen. Auch, wenn es nervt, sie vermeintli­ch untätig rumsitzen zu sehen. Wenn sie sich darüber hinaus an die getroffene­n Absprachen halten und ihre Aufgaben erledigen, ist das völlig in Ordnung.

Haben Sie das Gefühl, Ihr Kind leidet oder zieht sich zurück? Dann sollten Sie es direkt darauf ansprechen, zum Beispiel: „Ich habe das Gefühl, dir geht es nicht gut. Magst du mir erzählen, was dich beschäftig­t?“Manche Jugendlich­e öffnen sich vielleicht eher, wenn man sich abends gemeinsam eine Serie oder einen

Film anschaut, am Wochenende einen Spaziergan­g oder eine Wanderung unternimmt oder vielleicht zu zweit im Auto unterwegs ist.

Gut zu wissen: Wenn Eltern mit ihren Jugendlich­en überhaupt nicht mehr ins Gespräch kommen oder die Situation zu Hause festgefahr­en scheint, helfen die Berater der KJFErziehu­ngs-, Jugend- und Familienbe­ratung weiter. Ab sofort sind auch wieder – unter Einhaltung entspreche­nder Abstands- und Hygiene-Regeln – persönlich­e Beratungst­ermine vor Ort möglich.

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FOTO: KJF Viel allein mit sich sind Jugendlich­e im Moment. Die KJF-Erziehungs­beraterin gibt Tipps für Teenager.

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