Kita-Eltern wollen keine Erzieherinnen mit Maske
Eltern in Schlachters sammeln Unterschriften – Bürgermeister zeigt Verständnis für die Bedenken
- Vor allem die ganz kleinen Kinder seien verstört. Deshalb wenden sich Eltern aus Sigmarszell dagegen, dass Erzieherinnen eine Maske tragen müssen. Der Bürgermeister unterstützt sie.
„Kinder sind nicht die Treiber der Pandemie, sondern unsere Zukunft“, steht auf einem der Plakate, mit denen Julia Reichart und ihre Mitstreiter am Freitag vor der Kita St. Raphael in Schlachters stehen. „Da heißt es immer, die Kinder sollen die letzten sein, die unter Maßnahmen gegen die Ausbreitung von Corona leiden sollen, und dann sind sie die ersten, die betroffen sind“, klagen Mütter wie Franziska Ziegler. Sie ist ziemlich geladen, wenn sie über die verordneten Maßnahmen nachdenkt, obwohl sie sich keineswegs in der Nähe von Coronaleugnern sieht. „Dass gehandelt werden muss, ist doch völlig klar“, sagt sie, aber ihr leuchtet nicht ein, dass „mein Mann mit 21 anderen in der Halle kicken darf, ohne Maske, ohne Abstand, schwitzend, schnaufend, während die Erzieherinnen mit den Kleinsten hier nur mit Maske arbeiten dürfen“. Da stimme das Verhältnis nicht.
Reichart, die selbst Pädagogin ist, erklärt, „die Kinder, vor allem die kleinsten in der Kinderkrippe, lernen extrem viel vom Abschauen. Also auch die Mimik und das Sprechen, von der Körpersprache mal ganz abgesehen. Mit Maske fällt dies weg, zurück bleibt ein Bildungsrückstand, der schwer wieder aufzuholen ist“. Zudem seien Kinder in diesem Alter kaum von Corona betroffen. Im Landkreis habe es bisher seit März nur fünf Infektionen bei Kindern bis vier Jahre und elf bei Kindern zwischen fünf und 14 Jahren gegeben.
Währenddessen bringen Mütter – und vereinzelt Väter – ihre Sprösslinge in die Kita, genauer gesagt bis vor die Kita, denn rein dürfen sie nicht mehr. Das führt vor allem bei den Krippenkindern oft zum Weinen. „Die sind das Ritual gewohnt, dass sie von einem der Eltern in die Kita gebracht werden, dort ausgezogen und dann verabschiedet werden“, erklärt Reichart. Nun seien die Kinder verstört. Für weitere Verwirrung bei den Kleinen sorgen überdies die Masken der Erzieherinnen, denn nur die Sprache der Augen reicht für die Einjährigen nicht. Um alles verstehen und durch Nachahmen verinnerlichen zu können, brauche es das ganze Gesicht.
Auch wenn ohne Masken für die Erzieherinnen in Krippe und Kindergarten ein gewisses Ansteckungrisiko bestehe, sei das vernachlässigbar im Vergleich zu dem Schaden, den die Kinder nehmen. Spontan hat Reichart deshalb zur Protestaktion aufgerufen. Viele Eltern helfen ihr. „Und wenn wir mit dieser Aktion nur ein wenig zum Nachdenken anregen, haben wir schon etwas erreicht“, sagt Reichart. Sie berichtet, dass die Probleme bei den Kindern dazu führen, dass manche Eltern inzwischen die ganzen Anti-Corona-Maßnahmen in Frage stellen.
54 Unterschriften sind an diesem Freitagmorgen zusammengekommen, wie die Reichart erfreut feststellt. „Das sind bereits über 50 Prozent bei rund 100 Kindern hier“, wie Axel Meier bestätigt, der die Aktion unterstützt. Nicht alle Väter haben an diesem Morgen unterschrieben, sind mit den Worten „Ja, ich weiß Bescheid“schnell weitergezogen. Am Montag werden sie wieder dastehen, denn freitags seien eh nicht alle Kinder da, außerdem sei eine ganze Reihe krank.
Am Montag will Reichart die Unterschriften Bürgermeister Jörg Agthe überreichen, der Verständnis hat für die Aktion der Eltern. Die Erzieherinnen wollen sich zu dem Thema öffentlich nicht äußern, aber Agthe weiß, dass die Mitarbeiterinnen in dem Gemeindekindergarten sehr besorgt sind wegen der Folge der Masken für die Kleinkinder. Tatsächlich seien Kinder verstört, zudem leide unter dem mangelnden Verständnis der Alltagsablauf in der Kita. Wenig Verständnis hat Agthe auch dafür, dass die Erzieherinnen sogar eine Maske tragen müssen, wenn sie mit den Kindern in den Wald gehen.
Trotz aller Bedenken habe er seinen Mitarbeiterinnen gesagt, dass sie sich an das geltende Recht halten und Masken tragen müssen, erklärt Agthe im Gespräch mit der LZ. Er will aber gerne den Protest der Eltern weiter ans Landratsamt tragen. Denn nur die Behörde könne die Regeln lockern. Zudem sei er sicher, dass die Verantwortlichen dort prüfen, ob die Maßnahmen angemessen sind oder nicht. Deshalb bemüht sich Agthe zugleich, für seine Mitarbeiterinnen möglichst schnell anstelle der Stoffmasken, transparente MundNasen-Schutz zu besorgen. Den damit ließe sich ein Teil des Problems sicher beheben.