„Landshut“bleibt am Bodensee
Berlin genehmigt 15 Millionen Euro für Erinnerungsort an Terroropfer in Friedrichshafen
- Gatow, Tempelhof, Potsdam, Fürstenfeldbruck – zuletzt sind viele Standorte für ein „Landshut“-Museum gehandelt worden. Friedrichshafen, wo die 1977 von linken Terroristen entführte Lufthansa-Boeing 737 seit drei Jahren vor sich hin rottet, schien nach Finanzstreitigkeiten aus dem Spiel. Bis Freitag, 1.40 Uhr. Zu nachtschlafender Zeit segnete der Haushaltsausschuss des Bundestags 15 Millionen Euro für einen Erinnerungsort „Landshut“ab. In Friedrichshafen.
Formal muss der Haushalt 2021, über den der zuständige Ausschuss 17 Stunden lang final verhandelt hat, noch vom Bundestag gebilligt werden. Dass einzelne Posten dabei verändert werden, ist aber äußerst selten. Die Verwendung der 15 Millionen Euro ist demnach klar geregelt. 2,5 Millionen Euro dienen der Restaurierung des Flugzeugs, die gleiche Summe ist für den Bau eines Hangars vorgesehen, weitere 1,5 Millionen für dessen technische Ausstattung und eine Million für ein pädagogisches Konzept. 7,5 Millionen Euro sind als Betriebskostenzuschuss für die kommenden zehn Jahre gedacht.
„Damit schaffen wir eine würdige Heimat für diesen Zeitzeugen deutscher Innenpolitik“, sagt der Biberacher SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Gerster, stellvertretender Vorsitzender des Haushaltsausschusses. Er war der Treiber hinter dem Beschluss, der einem dreijährigen Politgeschacher möglicherweise ein Ende bereitet. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte das Wrack 2017 nach Deutschland holen lassen, werbewirksam vor der Bundestagswahl, aber ohne Nutzungkonzept.
Den Standortzuschlag erhielt das private Dornier-Museum in Friedrichshafen und dessen damaliger Leiter David Dornier. Das Projekt fiel der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM), Staatsministerin Monika Grütters (CDU), zu, die sich mit Dornier unter anderem zur Frage überwarf, wer die laufenden Kosten eines „Landshut“-Museums zu tragen habe. Grütters brachte zuletzt ein Militär-Museum in Berlin-Gatow als Standort ins Spiel. Dem widersetzten sich aber nicht nur ehemalige Geiseln, sondern auch Verteidigungsministerin Annegret
Kramp-Karrenbauer (CDU). „Ein Trauerspiel“, sagt Gerster, der sich erfolgreich dafür stark gemacht hat, dass das „Landshut“-Museum bei der Bundeszentrale für politische Bildung angesiedelt wird, die zum Innenministerium gehört. Dessen Chef Horst Seehofer (CSU) hätte sich laut Gerster auch einen Standort in Bayern vorstellen können, hat sich aber dem Verhandlungsergebnis der Haushaltspolitiker angeschlossen. Gerster möchte, dass die Ausstellung von der Stiftung „18. Oktober“getragen wird, deren Gründung David Dornier vorgeschlagen hat.
Der Enkel des Flugzeugpioniers Claude Dornier hat ein Grundstück für den Bau des „Landshut“-Hangars angeboten, am Rande des Flughafens Friedrichshafen und direkt neben dem Dornier-Museum, dessen Direktor er seit einigen Wochen nicht mehr ist. Die „Dornier-Stiftung für Luft- und Raumfahrt“, die das Museum und bisher auch das „Landshut“-Projekt getragen hat, teilt mit, dass sie nicht in das neue Projekt „und auch nicht in die Bemühungen zu seiner Finanzierung involviert ist“.
David Dornier will sich nicht öffentlich äußern und erst mit den
Verantwortlichen in Berlin sprechen. Laut Gerster werden die Tickets für das neue Museum höchstens fünf Euro kosten. „Die Befreiung der ‚Landshut‘ ist bis heute Symbol unserer wehrhaften Demokratie“, sagt der SPD-Politiker. Er sei zuversichtlich, dass sich die „Landshut“zu „einem Besuchermagneten entwickeln wird“.
Zurückhaltender äußert sich das Häfler Rathaus, das von Beginn an in Sorge war, auf den Kosten für das Museums-Projekt sitzenzubleiben. „Es ist ein gutes Signal, dass sich nun wohl eine bundespolitische Lösung und Finanzierung abzeichnet“, sagt eine Sprecherin von Oberbürgermeister Andreas Brand (parteilos). „Die Erinnerung an die ,Landshut’ in Verbindung mit dem deutschen Herbst und einer Einordnung des RAF-Terrorismus kann nur durch den Bund gewährleistet werden, eine isolierte kommunale Lösung würde der Bedeutung nicht gerecht werden können.“
Ein Sprecher von Staatsministerin Grütters teilt mit: „Aufgrund unserer langjährigen Erfahrungen mit Friedrichshafen sehen wir diesen Standort skeptisch.“Auch der Weingartener CDU-Bundestagsabgeordnete Axel Müller kritisiert die Entscheidung.
„Ich sehe keinen Bezug zu Friedrichshafen“, sagt er. Sollte eine Stiftung entstehen, in die „erhebliche Mittel des Bundes fließen, ist das für mich nicht nachvollziehbar“. Sein Parteikollege Lothar Riebsamen, direkt gewählter Abgeordneter des Bodenseekreises, ist weniger harsch. Der Standort Friedrichshafen sei in Ordnung, es müsse aber besprochen werden, wer auf Dauer für die Kosten aufkommt. „Das muss nachhaltig geklärt werden“, sagt er.
Groß ist die Freude bei Jürgen Vietor, der 1977 nach der Ermordung von Kapitän Jürgen Schumann als Co-Pilot die „Landshut“fliegen musste. „Wir haben lange darauf hingearbeitet und uns immer für das Museum und Friedrichshafen stark gemacht“, sagt er auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“.
Froh ist auch Martin Rupps. Der Journalist und Historiker ist der Motor des Projekts „Landshut“-Museum. Er freue sich für die ehemaligen Geiseln. Rupps schlägt vor, das Museum zu einer Außenstelle des Hauses der Geschichte Baden-Württembergs zu machen. So lasse sich die Ausstellung dauerhaft sichern. Zudem sei die Leiterin des Hauses, Paula Lutum-Lenger, eine Spezialistin für die Geschichte der RAF.