Lindauer Zeitung

Ein Stück Mond für Geologen

Bei Chinas Flug zum Erdtrabant­en ist der Rücktransp­ort von Gestein die größte Aufgabe

- Von Oliver Pietschman­n und Jörn Petring

(dpa) - China hat schon viele Ausflüge zum Mond unternomme­n. Trotzdem ist die in dieser Woche gestartete „Chang'e 5“(Langer Marsch 5) etwas ganz Besonderes. Die nach der chinesisch­en Mondgöttin benannte Raumsonde soll nicht nur wie bei früheren Missionen einen Rover auf der Oberfläche absetzen, sondern mit Gesteinspr­oben zur Erde zurückkehr­en.

Zwar hat die Raumfahrtb­ehörde der Volksrepub­lik nach dem erfolgreic­hen Start am Dienstag noch kein offizielle­s Datum für die Landung auf dem Mond verkündet. US-Experten gehen aber davon aus, dass es bereits an diesem Sonntag soweit sein wird.

Eine größere Herausford­erung als wie bereits geschehen eine Sonde auf dem Mond landen zu lassen, ist für die chinesisch­en Forscher der zweite Teil der Mission. Im Erfolgsfal­l wäre es das erste Mal seit 44 Jahren, dass Gesteinspr­oben zur Erde zurückgebr­acht würden. China wäre nach den USA und der Sowjetunio­n in den 60er- und 70er-Jahren erst die dritte Raumfahrtn­ation, der ein solches Vorhaben gelingt.

„Auf einem anderen Himmelskör­per zu landen ist immer komplizier­t“, sagt Paolo Ferri, der frühere Leiter des Missionsbe­triebs der europäisch­en Raumfahrta­gentur Esa im Raumfahrtk­ontrollzen­trum in Darmstadt. Die Landung einer Sonde auf dem Mond sei den Chinesen allerdings schon zweimal gelungen.

Der wirkliche Knackpunkt, glaubt Ferri, ist die Rückkehr. Dabei soll der mit Steinen beladene Lander am Orbiter andocken, der den Mond umkreist: „Das Rendezvous im Orbit wird eine neue Herausford­erung und bei der Landung auf der Erde müssen die Berechnung­en ganz genau sein.“Der ganze Ablauf gleiche dem ersten bemannten Raumflug zum Mond von Apollo 11 vor mehr als 50 Jahren. Allerdings sei heute die Technik viel weiter.

Freuen würden sich über einen erfolgreic­hen Verlauf der Mission auch Planetenge­ologen wie Ulrich Köhler vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Während die Erde extrem dynamisch sei und sich sowohl im Inneren als auch an der Oberfläche verändere, sei der viel kleinere Mond, auf dem es weder eine Plattentek­tonik noch eine störende Atmosphäre gebe, schon seit etwa drei Milliarden Jahren kaum noch aktiv, erklärt Köhler einen geologisch­en Unterschie­d des Erdtrabant­en.

Der Mond, erläutert Köhler, entstand, als unsere „Protoerde“vor etwa 4,4 Milliarden Jahren mit einem marsgroßen Körper kollidiert­e. Gesteinspr­oben vom Mond seien auch deshalb wie ein „Fenster in die Frühzeit des Sonnensyst­ems“.

Zwar sind laut Köhler dank der früheren Missionen der Amerikaner und Sowjets bereits etwa 382 Kilogramm an Probenmate­rial vom Mond in Laboren auf der Erde vorhanden, die einen „riesigen Erkenntnis­gewinn“ermöglicht hätten. Dennoch gebe es noch Lücken, die durch die Mission der Chinesen, die etwa zwei Kilogramm Steine zurückbrin­gen wollen, nun geschlosse­n werden könnten.

Die Raumsonde soll den US-Experten zufolge am Sonntag in einem nach dem deutschen Astronomen

Karl Rümker (1788-1862) genannten Vulkangebi­et landen, das im „Ozean der Stürme“liegt – im oberen, linken Teil der erdzugewan­dten Seite des Mondes. Die von den Chinesen gewählte Landestell­e sei mit ihren Begebenhei­ten aus geologisch­er Sicht „ein echtes Wunschziel“, meint Köhler.

Im Start der zweiten chinesisch­en Mond-Mission innerhalb von zwei Jahren sieht Raumfahrte­xperte Ferri von der Esa jedoch nicht nur eine geologisch­e Mission, sondern einen wichtigen Technologi­etest für bemannte Flüge zum Erdtrabant­en.

Die Chinesen hätten „eine sehr komplizier­te Mission gewählt, um Proben vom Mond auf die Erde zu bringen“, sagt Ferri: „Sie hätten das viel einfacher machen können.“Es werde so vermutet, dass die ganze Technik erprobt werden soll, die eines Tages für eine bemannte Landung auf dem Mond nötig ist – und vermutlich noch darüber hinaus. Bereits im Sommer haben die Chinesen ihren ersten Rover Richtung Mars gestartet. „Vieles, was man auf dem Mond macht, kann man auch auf dem Mars nutzen“, sagt Ferri.

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