Vorwürfe gegen Klinik: Vater verpasst Geburt von Sohn
Die Eltern sind enttäuscht, dass der Vater auch bei der Not-OP nicht dabei sein konnte
- Anna Kürn und Daniel Hohl sind traurig und sauer zugleich. Vor drei Wochen kam ihr Sohn in der Asklepios Klinik in Lindau auf die Welt. Daniel Hohl, der Vater, konnte bei der Geburt aber nicht dabei sein. Schuld daran ist seiner Meinung nach die Klinik.
„Das macht mich bis heute jeden Tag traurig“, sagt Anna Kürn. „Wenn ich daran denke, kommen mir die Tränen.“Das Paar aus Sigmarszell hat das erlebt, was für viele Eltern schlimm wäre: Obwohl der Vater bei der Geburt dabei sein wollte, konnte er es nicht.
An einem Samstagnachmittag Anfang November hat Anna Kürn eine Untersuchung bei ihrer Frauenärztin. Sie ist bereits hochschwanger. Die Ärztin schickt die werdende Mutter direkt in die Asklepios Klinik. Das Kind ist nicht mehr mit genug Fruchtwasser versorgt. In der Klinik soll die Geburt eingeleitet werden.
Kürns Lebensgefährte bringt die werdende Mutter zur Klinik, mit hinein darf er aber nicht. „Zu uns hieß es, mein Partner darf nur während, beziehungsweise kurz vor der Geburt dabei sein“, sagt Kürn. Sie wird stationär im Krankenhaus aufgenommen. Bis zur Geburt wird es noch eineinhalb Tage dauern. Diese Zeit wird Anna Kürn ohne ihren Partner verbringen. Gewünscht hatte sie sich etwas anderes. Im Krankenhaus sieht die werdende Mutter andere Paare gemeinsam den Gang auf- und ablaufen. „Uns wurde das einfach von der Klinik verwehrt“, sagt die Mutter aus Sigmarszell heute.
Die Klinik allerdings wirbt damit, dass es bei ihnen möglich sei, dass Väter die Geburt begleiten. In einer Pressemitteilung heißt es: „Auch in Zeiten der Corona-Pandemie darf der Lebenspartner bei der Geburt dabei sein und hat auch nach der Geburt die Möglichkeit, Mutter und Kind zu besuchen, vorausgesetzt man ist symptomfrei.“
Auf Anfrage der LZ sagt Pressesprecher Christopher Horn: „Grundsätzlich dürfen Väter auch vor der Geburt dabei sein.“Wieso war das bei dem Sigmarszeller Paar dann nicht möglich? Es komme auf die Art der Geburt und den behandelten Arzt an, so Horn.
Der Vater Daniel Hohl sagt: „Es kann nicht sein, dass es davon abhängt, an welche Person man gerät, ob es gut abläuft oder nicht.“Eine konkrete Antwort darauf, warum er nicht von Anfang dabei sein konnte, wird er nicht bekommen.
Anna Kürn liegt eineinhalb Tage in den Wehen. Sie hat Schmerzen, sie leidet und wünscht sich nichts mehr, als ihren Partner bei sich zu haben. „Ich habe öfters nachgefragt, ob ich ihm Bescheid geben kann, dass er kommt“, sagt Kürn. Aber die Hebammen und Ärzte hätten nur gesagt, sie sollte noch warten.
In der Nacht zum Montag wird es immer ernster: Um die Geburt voranzutreiben, kommt Anna Kürn an den Wehentropf. Auch jetzt soll der werdende Vater noch nicht kommen. „Man wollte erst warten, wie unser Sohn auf den Wehentropf reagiert“, sagt Kürn.
Das Kind reagiert schlecht. Also muss es schnell gehen: Die Ärzte entscheiden, einen Not-Kaiserschnitt zu machen. „Man sagte mir dann, ich solle schnell meinen Partner anrufen“, sagt die Mutter. Sie habe sich in diesem Moment völlig überrumpelt gefühlt.
Als Daniel Hohl zu Hause die Nachricht bekommt, das Kind sei auf dem Weg, fährt er sofort in die Klinik. „Das waren höchstens 45 Minuten vor der Geburt“, sagt er. Als er in der Klinik ankommt, sei beim ihm coronabedingt noch Fieber gemessen worden. Eine Krankenschwester habe ihn zum Kreißsaal begleiten wollen. Er musste noch auf die Toilette. „Als ich wieder zurück kam, war die Krankenschwester
weg und ich wusste nicht, wohin.“Er habe 20 Minuten auf der Station gewartet, aber keiner hätte Bescheid gewusst.
Währenddessen wird im OP der Notkaiserschnitt durchgeführt und der gemeinsame Sohn auf die Welt geholt. Es ist 1:28 Uhr am Montagmorgen. Daniel Hohl, der auf dem Gang der Station wartet, denkt immer noch, dass seinen Frau im Kreißsaal liegt. Die Information, dass das Kind schon auf der Welt ist, hat er bisher nicht bekommen. Als eine Hebamme ihn abholt und in den Kreißsaal führt, rechnet er damit, seine schwangere Frau anzutreffen. „Ich hatte das Gefühl, keiner weiß so richtig Bescheid“, sagt er. Stattdessen ist es dunkel im Kreißsaal. „Dann erst wurde mir alles erklärt“, sagt Hohl. Mein Sohn war bereits auf der Welt. Darüber habe er sich natürlich gefreut, aber dass er die Geburt und die Zeit davor verpasst hatte, tue ihm sehr weh.
In den Tagen nach der Geburt beschwert sich Hohl bei der Klinik. Er geht zum Beschwerdemanagement, hat ein Gespräch mit dem Chefarzt und mit der Frauenärztin. Zufrieden ist er damit nicht. „Man musste allen hinterherrennen“, sagt er. Jeder würde die Schuld auf den anderen schieben.
Die Asklepios Klinik schreibt auf Anfrage der LZ, sie bedauere, dass die Familie mit dem Aufenthalt in der Klinik nicht zufrieden war. Sie schreibt auch, dass der Vater in diesem speziellen Fall aus medizinischen Gründen leider nicht bei der Geburt dabei sein konnte. „Das Team der Geburtshilfe musste aus medizinischer Notwendigkeit zum Wohle von Mutter und Kind sehr schnell handeln und eine eilige sekundäre Sectio durchführen“, so die Klinik.
„Dass ich beim Kaiserschnitt nicht dabei sein konnte, wäre nicht so schlimm gewesen, wenn ich immerhin die Zeit davor schon hätte miterleben können“, sagt Daniel Hohl.
Grundsätzlich werden Väter in der Klinik nicht auf Covid-19 getestet, sagt der Pressesprecher Christopher Horn. Hat jemand Symptome, werde ein Schnelltest gemacht. Sei eine OP geplant, wird der Vater gebeten, einen negativen Test, der nicht älter als 48 Stunden ist, mitzubringen. Und: Auch sonst sei es der Idealfall, wenn der Vater einen negativen Test mitbringt.
Kommuniziert wird das allerdings offenbar nicht. Anna Kürn und Daniel Hohl wussten davon nichts. Der Pressesprecher: Da eine Geburt nicht planbar sei, kommuniziere man nicht, dass Väter einen negativen Test mitbringen sollten. Das würde dann vielleicht noch zu Verunsicherung führen.
Das Paar allerdings wundert sich, dass es kein Hygienekonzept gab oder
Anna Kürn, Mutter
Informationen dazu, wie man sich verhalten sollte. „Sozial und von der Kommunikation ging man sehr schlecht mit uns um“, sagt Hohl.
Wegen der Besuchseinschränkungen in der Klinik müssten Infoabende für werdende Eltern gerade ausfallen. Alternativ könne man sich über eine Präsentation digital auf der Homepage der Klinik informieren, so die Klinik.
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Außerdem könne man telefonisch einen Vor-Ort-Termin vereinbaren.
Die Datei „Digitaler Elternabend“, die man sie auf der Seite der Geburtenhilfe herunterladen kann, stellt das Team der Geburtshilfe vor, zeigt ein Bild des Hebammen-Teams, informiert über „geburtserleichternde Mittel“, zeigt Bilder aus dem Kreißsaal.
Ein Hygienekonzept der Klinik oder Verhaltensweisen während Corona sind allerdings nicht Teil der Präsentation. Kürn und Hohl hätten sich ein Infoheft oder ähnliches gewünscht. Auf Nachfrage beim Beschwerdemanagement habe es geheißen, dass das während Corona nicht ausgehändigt wird, weil es nicht aktualisiert wurde.
Mittlerweile sind Anna Kürn und Daniel Hohl mit ihrem kleinen Sohn und der gemeinsam Tochter wieder zu Hause. Aber das Paar ist traumatisiert, wie sie selbst sagen. Die Vorkommnisse belasten ihre Beziehung. „Wir machen uns gegenseitig Vorwürfe, wer wann etwas falsch gemacht hat“, sagt Kürn.
Für Frauen sei es wichtig, dass der Mann bei der Geburt dabei sein kann, sagt eine Hebamme aus dem Landkreis Lindau. „Es ist etwas ganz Elementares, dass man eine Bezugsperson dabei hat.“Sie kenne viele Paare, die noch lange damit zu kämpfen haben, wenn der Mann nicht bei der Geburt dabei sein konnte. „Das vergisst man sein Leben lang nicht“, sagt die Hebamme, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. Schon oft habe sie Beschwerden mitbekommen.
Die Klinik hat dem Paar noch ein Gespräch angeboten, ob die beiden es wahrnehmen wollen, wissen sie noch nicht. Die Geburt ihres Kindes kann das Paar nicht wiederholen. Der Vater kann nicht nachvollziehen, wie es soweit kommen konnte. „Eine Entschädigung bringt uns nichts, ich habe die Geburt meines Sohnes verpasst.“
„Das macht mich bis heute Tag traurig. Wenn ich daran denke, kommen mir die Tränen.“