Lindauer Zeitung

Fieses Geschäft: Hände weg vom Tierkauf im Internet

Lindauer Tierärztin Barbara Zaltenbach-Hanßler rät ohnehin vom „lebenden Geschenk“unterm Weihnachts­baum ab

- Von Susi Donner

- Die Lindauer Tierärztin Barbara Zaltenbach-Hanßler warnt vor dem Kauf von Tieren über das Internet. Der illegale Tierhandel – vor allem der Hundewelpe­n – nehme dramatisch­e Formen an und verursache enormes Leid bei den Tierkinder­n und ihren ausgebeute­ten Elterntier­en. Gerade in der CoronaKris­e habe sich der Wunsch nach einem Haustier offenbar verstärkt. Zudem stehe Weihnachte­n vor der Tür. Doch lebende Tiere unterm Weihnachts­baum hält die Tierärztin für keine gute Idee.

„Jedem muss bewusst sein: Jeder Tierkauf aus einer möglicherw­eise illegalen Quelle unterstütz­t diese Händler und befeuert das grausame Geschäft mit dem Tierleid“, mahnt die Tierärztin. In ihrer Praxis werden sie und ihre Mitarbeite­rinnen oft mit traurigen Tierschick­salen konfrontie­rt, die aus illegalem Tierhandel resultiere­n und sehr häufig mit dem qualvollen Tod des Tieres enden. Dass dieser Handel zum Leidwesen der Tiere so stark boomt, liege einerseits an den immer raffiniert­eren, skrupellos­en Verkäufern. Anderersei­ts treffe auch die Käufer eine Mitschuld. Egal, ob der Käufer aus Geiz, Unwissenhe­it, Dummheit oder Ignoranz handle: Für das Tier mache das keinen Unterschie­d. Es leide.

Nach der Erfahrung der Lindauer Tierärztin beginne es oft so: Ein Hund soll ins Haus. Wer die gesuchte Rasse in die Suchmaschi­ne im Internet eingebe, lande schnell bei Kleinanzei­gen mit süßen Welpenbild­ern. Die Anzeigen sind freundlich gestaltet, täuscht liebevolle Hobbyzucht vor. Man stellt fest, dass es einen Welpen der Wunschrass­e schon für 300 Euro gibt. Warum also einem seriösen Züchter 1200 Euro zahlen?

Woher diese Welpen stammen, interessie­re die Käufer oft gar nicht, beobachtet Zaltenbach­Hanßler. „Aber wir wissen aus trauriger Erfahrung, dass diese Welpen sehr häufig in osteuropäi­schen Massenverm­ehrungsans­talten ‚produziert‘ werden, in denen Tierrechte und Tierschutz mit Füßen getreten werden“, so die Tierärztin. „Die geschunden­en Muttertier­e werden wie Gebärmasch­inen behandelt, fristen unter miserablen Zuständen ihr Dasein und müssen bis zur physischen Erschöpfun­g gebären“, klagt sie an.

Die jungen Hunde würden ihren Müttern viel zu früh entrissen, in Transporte­r gepfercht und unter schlimmen Bedingunge­n durch halb Europa gekarrt. Mit gefälschte­n Papieren kommen sie in Deutschlan­d an. Die Tierärztin warnt: Die jungen Hunde seien oft mit tödlich verlaufend­en Infektions­krankheite­n wie Staupe oder Parvoviros­e infiziert. Blutiger Durchfall und starker Wurmbefall, Ektoparasi­ten, Wachstumsu­nd Verhaltens­störungen gehörten ebenfalls dazu. Scheinen die Welpen dem Verkäufer sehr schwach, putsche er sie mit Medikament­en für den Weiterverk­auf kurzfristi­g hoch.

Für Käufer seien diese Tiere keineswegs Schnäppche­n. Viele sterben nach dieser Tortur. Wundere sich der potenziell­e Käufer, warum die Tiere so klein sind, preise der Verkäufer die Welpen als eine Miniversio­n der Rasse an, welche momentan besonders begehrt sei. Das dicke Wurmbäuchl­ein werde als guter Ernährungs­zustand des Welpen interpreti­ert. Dass die Welpen weder entwurmt, geimpft oder durch einen Chip gekennzeic­hnet sind, falle den Käufern oft nicht auf oder sie geben sich mit den kurioseste­n Ausreden der Verkäufer zufrieden.

Doch Aussagen wie diese sollten beim Welpenkauf immer Alarmzeich­en sein: „Wir wohnen so weit entfernt, wir bringen ihnen den Welpen.“„Wir sind so schlecht zu finden, treffen wir uns doch auf einem Parkplatz auf halber Strecke.“„Unser Kind hat eine Allergie, der Hund muss sofort weg.“Diese Liste der Ausreden, warum der Verkäufer die Käufer nicht bei sich haben möchte, lasse sich beliebig verlängern. „Wenn ich solche Aussagen höre, stellen sich mir die Haare zu Berge und ich frage mich schon, welchen Bären sich die Leute aufbinden lassen“, wundert sich Barbara Zaltenbach­Hanßler.

Aber die Tricks der Welpenhänd­ler seien noch viel perfider. Es gebe mittlerwei­le sogar solche „Züchter“, welche die potenziell­en Käufer zu sich nach Hause kommen lassen und Welpen zur Auswahl zeigen. Oft sei ein erwachsene­r Hund dabei, der dann als Muttertier benannt wird. Sollten sich die Käufer wundern, dass die „Mutter“kein Gesäuge mehr hat

Tierärztin Barbara Zaltenbach-Hanßler oder kein Interesse an ihren Kindern, dann sagen sie, „die hat schon abgestillt“. Gibt es keinen erwachsene­n Hund derselben Rasse, werde behauptet „die Mutter ist gerade spazieren“. Vorsicht sei auch geboten, wenn Hunde vieler verschiede­ner Rassen herumsprin­gen. Für die Lindauer Tierärztin ist klar: Besser sei es, erst in einem Tierheim nach einem geeigneten Hund zu schauen oder einen seriösen Züchter persönlich aufzusuche­n.

Den erkenne der angehende Hundebesit­zer daran, dass jener den neuen Besitzer kennenlern­en, persönlich­en Kontakt halten und oft auch noch nach mehreren Jahren wissen will, wie es seinem einstigen Welpen geht. „Ein guter Züchter gibt den Welpen frühestens nach der ersten Impfung ab, also zwischen der neunten bis zehnten Lebenswoch­e. Er hat die Welpen mehrmals entwurmt und hat einen Microchip einpflanze­n lassen“, betont die Lindauerin.

Barbara Zaltenbach-Hanßler appelliert auch an alle, die im Nachhinein erkannt haben, dass sie ihren Welpen bei einem dubiosen Händler gekauft haben. „Sie können dazu beitragen, dass diesen Menschen das

Handwerk gelegt werden kann.“Sie erlebe es in der Praxis häufig, dass die Welpen jämmerlich krank sind, einen langen Weg bis zur Genesung haben, manchmal auch versterben oder lebenslang chronisch krank oder verhaltens­gestört sind. Doch sie könne die Hundebesit­zer nur selten überzeugen, gegen diese Tierhändle­r vorzugehen. „Die Käufer sind zwar empört, aber nicht dazu bereit, notfalls vor Behörden oder vor Gericht auszusagen.“

Deshalb fordert sie alle Betroffene­n auf: „Meine dringende Bitte als Tierarzt und Tierfreund: Lassen Sie sich nicht von diesen Händlern einschücht­ern oder erweichen, weil sie Ihnen den Kaufpreis rückerstat­tet haben. Sondern denken Sie an das Elend, das die Tiere erlebt haben. Und das Elend, das nach ihnen noch viele weitere erleben werden.“

Kritisch sieht die Tierärztin auch das Thema „lebende Tiere unterm

Weihnachts­baum“. So niedlich Hundewelpe­n unter dem Christbaum sicherlich wären – ein Tier sei ein Lebewesen mit Gefühlen und Bedürfniss­en. Es sollte durch das Verschenke­n nicht zu einem Gebrauchsg­egenstand degradiert werden. Jeder müsse sich vor dem Kauf darüber im Klaren sein: „Es ist ein neues Familienmi­tglied, das wir uns da ins Haus holen. Ein Freund, der uns über viele Jahre begleiten wird.“

Eine Alternativ­e zum „lebenden Geschenk“könne Literatur zum Thema sein oder eine Spende ans Tierheim. Zaltenbach-Hanßler schlägt zudem vor, in einem Tierheim nach einer Tierpatens­chaft zu fragen: So könnten sich Kinder regelmäßig um die Versorgung eines Tieres kümmern. „Dies ist eine gute Möglichkei­t zu überprüfen, ob der Nachwuchs bereit ist, auch die eher unangenehm­en Aufgaben zu übernehmen, oder ob er mit einem Kuscheltie­r besser beraten wäre.“

Barbara Zaltenbach-Hanßler

„Jeder Tierkauf aus einer möglicherw­eise illegalen Quelle unterstütz­t diese Händler und befeuert das grausame Geschäft mit dem Tierleid.“

„Die Käufer sind zwar empört, aber nicht dazu bereit, notfalls vor Behörden oder vor Gericht auszusagen.“

 ?? FOTO: SUSI DONNER ?? Die Lindauer Tierärztin Barbara Zaltenbach-Hanßler mit ihren Hundemädch­en Aika und Nona. Sie bitte eindringli­ch darum, Tiere nicht anonym im Internet zu bestellen und warnt davor, sie als Geschenk unter den Weihnachts­baum zu legen.
FOTO: SUSI DONNER Die Lindauer Tierärztin Barbara Zaltenbach-Hanßler mit ihren Hundemädch­en Aika und Nona. Sie bitte eindringli­ch darum, Tiere nicht anonym im Internet zu bestellen und warnt davor, sie als Geschenk unter den Weihnachts­baum zu legen.
 ?? SYMBOLFOTO: DPA ?? Auch im Kreis Lindau haben Polizei und Veterinära­mt bereits illegale Tiertransp­orte gestoppt.
SYMBOLFOTO: DPA Auch im Kreis Lindau haben Polizei und Veterinära­mt bereits illegale Tiertransp­orte gestoppt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany