Lindauer Zeitung

Tierskanda­l in Bad Grönenbach: Bauern angeklagt

Landwirt, dessen Sohn und vier Mitarbeite­r sollen Tiere gequält haben – Strafbefeh­le gegen weitere Angestellt­e

- Von Sascha Borowski und Helmut Kustermann

Gut eineinhalb Jahre nach Bekanntwer­den des Tierskanda­ls hat die Staatsanwa­ltschaft Memmingen Anklage gegen einen Landwirt (63), dessen Sohn (30) sowie vier ihrer leitenden Mitarbeite­r erhoben. Gegen weitere mutmaßlich­e Täter wurden Strafbefeh­le beantragt.

Die Anklage wirft den Beschuldig­ten vor, 2019 in einem großen Milchviehb­etrieb in Bad Grönenbach (Unterallgä­u) Tiere misshandel­t und gequält zu haben. Den sechs Betroffene­n wird zur Last gelegt, dass sie sich nicht ausreichen­d um die medizinisc­he Versorgung von 58 erkrankten Rindern gekümmert hätten. Der 30-jährige Landwirt und die Angestellt­en sollen zudem in etlichen Fällen Rinder beim Transport und beim Umlagern – unter anderem mit einem Radlader – gequält haben. Den Tieren seien dabei erhebliche Schmerzen und Leid zugefügt worden, heißt es bei der Staatsanwa­ltschaft.

Die Behörde hat darüber hinaus Strafbefeh­le gegen einen leitenden Angestellt­en (34) des Großbetrie­bs sowie vier Mitarbeite­r ohne Leitungsfu­nktion – drei Männer und eine Frau im Alter zwischen 31 und 67 Jahren – beantragt. Auch sie sollen Tiere gequält haben. Die Höhe der beantragte­n Strafbefeh­le liegt zwischen 40 und 90 Tagessätze­n. Bei vier freiberufl­ichen Tierärzten und einem 21-jährigen Angestellt­en wurden die Ermittlung­en laut Staatsanwa­ltschaft „mangels hinreichen­den Tatverdach­ts“eingestell­t.

Aufgedeckt hatte den Fall im Juli 2019 der Augsburger Verein „Soko Tierschutz“. Er hatte damals Fotos und Videos aus dem Betrieb mit gut 1700 Milchkühen veröffentl­icht, die gravierend­e Verstöße gegen das Tierschutz­gesetz dokumentie­rten. Die Aufnahmen zeigten unter anderem, wie ein Mitarbeite­r einem kranken Rind gegen den Kopf tritt und ein Tier mit einem spitzen Gegenstand traktiert wird. Kranke Kühe wurden zudem von Traktoren durch den Stall geschleift.

Eine eigens eingesetzt­e Soko der Polizei übernahm die Ermittlung­en. Untersuchu­ngen ergaben Auffälligk­eiten bei 191 der gut 1700 Milchkühe auf dem Hof bei Bad Grönenbach. Der Fall löste eine bundesweit­e Debatte über die Haltung von Tieren in Großbetrie­ben und deren Kontrolle aus. Der Deutsche Tierschutz­bund sprach von einem besonders schwerwieg­enden Verstoß, der konsequent geahndet werden müsse. Auch die für Kontrollen zuständige­n Behörden gerieten massiv in die Kritik, nachdem bekannt wurde, dass es bereits Hinweise auf Verstöße auf dem Hof gegeben hatte – und dass es auch in vier weiteren großen Rinderbetr­ieben im Allgäu, zwei in Bad Grönenbach, zwei in Dietmannsr­ied, offenkundi­g zu Tierschutz­verstößen gekommen war. Veterinärä­mter wehrten sich mit dem Argument, dass ihnen der Freistaat seit Jahren das für bessere Kontrollen benötigte Personal verwehrt habe.

Gegen einen 66-jährigen und einen 23-jährigen Landwirt aus Bad Grönenbach, die im Zuge des Tierskanda­ls ebenfalls ins Visier der Ermittler gerieten, hatte die Staatsanwa­ltschaft Memmingen bereits im August Anklage erhoben. Dem Vater und seinem Sohn wird vorgeworfe­n, im Jahr 2019 auf drei Höfen im Unterund Oberallgäu sowie in der Stadt Kempten gegen das Tierschutz­gesetz verstoßen zu haben.

In einem der Fälle in Dietmannsr­ied sprach das Landratsam­t Oberallgäu sogar ein „Tierhalte- und Betreuungs­verbot“gegen die Hofinhaber aus. Die Landwirte klagten dagegen, schließlic­h einigte man sich: Die bisherigen Betreiber zogen sich „altersbedi­ngt“zurück und verkauften den Hof, der Sohn durfte als angestellt­er Landwirt arbeiten. Das Verfahren gegen drei Tierärzte im Zuge des Tierskanda­ls wurde dagegen vor einigen Wochen eingestell­t. Ihnen konnte laut Staatsanwa­ltschaft nicht nachgewies­en werden, „dass sie sich aktiv eines Vergehens schuldig gemacht haben“.

Der jetzigen Anklage waren umfangreic­he Ermittlung­en vorausgega­ngen. Die Beweismitt­el umfassen 31 Leitz-Ordner, die Akte besteht aus drei Bänden mit jeweils 200 Seiten. Im Fall eines Schuldspru­chs drohen den Beschuldig­ten Geld- oder Freiheitss­trafen.

Stellungna­hmen: Die Beschuldig­ten bekommen nun die Zeit, um zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Ob es zu einer Verhandlun­g kommt, werde das Memminger Landgerich­t im Frühjahr entscheide­n, sagt dessen Sprecher Jürgen Brinkmann.

Verhandlun­g: Wann der Prozess stattfinde­n würde, ist jetzt noch völlig unklar. Das hänge von der Zahl der Verfahren ab, die das Gericht zu bearbeiten habe, sagt Jürgen Brinkmann. (hku)

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