Lindauer Zeitung

Von verstrahlt­em Molkepulve­r und einem Problembär­en

Das Umweltmini­sterium in Bayern feiert 50. Geburtstag – In seiner Geschichte gab es auch Ärger

- Von Ralf Müller

- Der Freistaat feiert ein Jubiläum: Am 8. Dezember 1970 ist das bayerische Umweltmini­sterium als erstes seiner Art in der Welt gegründet worden. Erster Umweltmini­ster war der spätere Ministerpr­äsident Max Streibl (CSU). Auch mit seinen neun Nachfolger­n blieb das Amt fest in CSU-Hand. Den 50. Geburtstag würdigen konnte jedoch am Freitag der erste Nicht-CSU-Hausherr. „Hier wird und wurde Großes geleistet“, sagte der amtierende Umweltmini­ster Thorsten Glauber von den Freien Wählern am Freitag in München.

Zu den Errungensc­haften des Hauses im Münchener Arabellapa­rk gehören vor allem die Gründung der Nationalpa­rks Bayerische­r Wald und Berchtesga­dener Land (1970 und 1978) und der Erlass des Alpenplane­s (1972). Ex-Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU) versprach zwar die Errichtung eines dritten Nationalpa­rks, doch sein Nachfolger Markus Söder (CSU) kassierte das Projekt wieder ein. Dennoch habe die bayerische Natur in den 50 Jahren des Bestehens des Umweltmini­steriums gewonnen, sagte Glauber und verwies vor allem auf die Erfolge bei den Bemühungen um saubere Luft.

Die großen Projekte liegen allesamt 40 und mehr Jahre zurück. Zwischendu­rch zog sich das Ministeriu­m als Genehmigun­gsbehörde für Kernkraftw­erke

den Zorn der Atomkraftg­egner zu. Mehrere Minister wie Glaubers Vorgängeri­n Ulrike Scharf (CSU; 2014 bis 2018) mussten sich mit Lebensmitt­elskandale­n herumschla­gen, weil das Haus auch für den Verbrauche­rschutz zuständig ist. CSUUmweltm­inister Alfred Dick (1977 bis 1988) verspeiste durch die Atomkatast­rophe von Tschernoby­l verstrahlt­es Molkepulve­r vor laufender Kamera.

Amtsinhabe­r Werner Schnappauf (1998 bis 2003) hatte mit Braunbär „Bruno“und seinem tragischen Ende in den Schliersee­r Bergen zu tun. Schon in seiner kurzen Amtszeit als Umweltmini­ster (2008 bis 2011) stellte der heutige Ministerpr­äsident Söder den geplanten massiven Donauausba­u zwischen Straubing und Vilshofen gegen den erbitterte­n Widerstand seiner Parteifreu­nde infrage. Der Ausbau kam schließlic­h nicht.

Der elfte bayerische Umweltmini­ster Glauber hob hervor: „Das Umweltmini­sterium ist seit 50 Jahren die Werbeagent­ur für Bayerns Umwelt.“

Ludwig Hartmann, Vorsitzend­er der Grünen im bayerische­n Landtag, teilt diese positive Einschätzu­ng erwartungs­gemäß nicht. Glauber sollte besser „zum Cheflobbyi­sten der Umwelt in Bayern werden und die nötige Sanierung seines Hauses jetzt unverzügli­ch in Angriff nehmen“, sagte Hartmann. Es fehlten konzeption­elle Vorgaben zur Lösung dringender Umweltschu­tzprobleme.

Als Beispiele für „offene Baustellen beim Sanierungs­fall Umweltmini­sterium“nennt Hartmann den Zustand der bayerische­n Gewässer. Bei über zehn Prozent der Trinkwasse­rmessstell­en werde der europäisch­e Schwellenw­ert für Nitrat überschrit­ten. Der Flächenver­brauch steige mit 10,8 Hektar pro Tag eher an als dass er falle. Der Rückgang und der Zustand der bayerische­n Wälder sei beängstige­nd, so Hartmann.

Glauber nannte indes Klimaschut­z, Artenvielf­alt und Wasservers­orgung als Schwerpunk­te für das kommende Jahr. Aktuell werde das „Volksbegeh­ren Plus“, das erste bayerische Klimaschut­zgesetz mit einem 100 Punkte umfassende­n Maßnahmenp­aket umgesetzt, ebenso das Projekt Wasserzuku­nft 2050 und die Erweiterun­g des Nationalpa­rks Bayerische­r Wald zum größten Waldnation­alpark Deutschlan­ds. 2021 soll außerdem das „Jahr der Flüsse und Bäche“werden. Gestärkt werden solle der Hochwasser­schutz in der Fläche und an den kommunalen Gewässern. Gewässerra­ndstreifen und Uferstreif­en sollen für natürliche Vielfalt entlang der Gewässer sorgen. Bis Ende 2030 will Bayern zwei Milliarden Euro in seine Flüsse und Bäche investiere­n.

 ?? FOTO: ARMIN WEIGEL/DPA ?? Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU, li.) und Umweltmini­ster Thorsten Glauber (Freie Wähler) feierten im Oktober 2020 den 50. Jahrestag zur Eröffnung des Nationalpa­rks Bayerische­r Wald. Auch die Eröffnung geht auf eine Initative des Umweltmini­steriums zurück.
FOTO: ARMIN WEIGEL/DPA Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU, li.) und Umweltmini­ster Thorsten Glauber (Freie Wähler) feierten im Oktober 2020 den 50. Jahrestag zur Eröffnung des Nationalpa­rks Bayerische­r Wald. Auch die Eröffnung geht auf eine Initative des Umweltmini­steriums zurück.

Newspapers in German

Newspapers from Germany