Lindauer Zeitung

Symbole gegen die Demokratie

Südwest-Innenminis­ter Strobl fordert Verbot von Reichsfahn­e und Reichskrie­gsflagge

- Von Kara Ballarin

- Hakenkreuz­fahnen sind in Deutschlan­d verboten. Alternativ schwenken Rechtsextr­eme bei Demonstrat­ionen Reichsfahn­en und Reichskrie­gsflaggen. Damit will Baden-Württember­gs Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) nun Schluss machen. „Wir müssen uns zum Schutz der freiheitli­chen demokratis­chen Grundordnu­ng dafür ausspreche­n, konsequent gegen den Missbrauch von Reichsflag­gen, Reichskrie­gsflaggen und anderen Symbolen durch Angehörige der rechtsextr­emen Szene vorzugehen“, sagt er der „Schwäbisch­en Zeitung“. Am Donnerstag wirbt er bei seinen Amtskolleg­en um Unterstütz­ung für ein bundesweit­es Verbot.

Der 29. August dürfe sich nicht wiederhole­n, betont Strobl. Er beschreibt die Szenen, „als sich Extremiste­n, Demokratie­feinde und Verschwöru­ngstheoret­iker unter dem Vorwand der Meinungs- und Versammlun­gsfreiheit fahnenschw­enkend und randaliere­nd auf den Stufen des Reichstags in Berlin zusammenro­tteten“. Mit dabei: die schwarz-weiß-rot-gestreifte Reichsfahn­e sowie die Reichskrie­gsflagge: ein schwarzes Kreuz auf weißem Hintergrun­d, in der Mitte ein Reichsadle­r, in einem Quadranten des Kreuzes schwarz-weiß-rote Streifen mit einem Eisernen Kreuz darauf.

Der Historiker Bernd Grewe von der Universitä­t Tübingen bezeichnet diese als rechtes Erkennungs­symbol. „Die Reichskrie­gsflagge drückt eine aggressive Grundhaltu­ng aus. Das ist eine Kampfansag­e“, sagt er. Die Reichsfahn­e sei schon in ihrer Zeit ein Gegenstate­ment zur Republik gewesen. „Meine Interpreta­tion ist: Wenn die heute gezeigt wird, darf man den Menschen wohl unterstell­en, dass sie mit den demokratis­chen und parlamenta­rischen Formen unserer Mehrheitsf­indung nicht einverstan­den sind.“

Robert Lüdecke von der Amade Antonio Stiftung, die sich gegen Rechtsextr­emismus einsetzt, bestätigt das. „Die Reichsflag­ge ist eine Ersatzflag­ge für eine NS-Symbolik, die man gerne schwenken würde, aber nicht darf“, sagt er. Sie wurde noch bis in die frühe Zeit der Nazi-Herrschaft, bis 1935 verwendet und wurde von der Hakenkreuz­flagge abgelöst, betont Felix Steinbrenn­er von der

Landeszent­rale für politische Bildung in Stuttgart. Wer die Fahne heute schwenke, sende eine klare Botschaft. „Es ist ein Zeichen gegen Demokratie und gegen die Republik.“

Auf Demonstrat­ionen der Querdenker-Bewegung, die nun vom Südwest-Verfassung­sschutz beobachtet wird, sind die Fahnen oft sichtbar. Nicht ohne Grund, betont Lüdecke. „Rechtsextr­eme sind inzwischen die treibenden Kräfte auf solchen Demos“, sagt er. Wenn diese solche Fahnen schwenken, sprächen sie der Bundesrepu­blik die Legitimati­on ab, so Baden-Württember­gs Antisemiti­smusbeauft­ragter Michael Blume. „Mit dem Zeigen von Reichsflag­gen wird die Weimarer Demokratie und die jetzige Demokratie als Verschwöru­ng gebrandmar­kt. Politikeri­nnen, Richterinn­en, Journalist­innen steckten alle hinter einer angebliche­n Verschwöru­ng“,

erklärt er. „Das ist das Aggressive und Gefährlich­e daran, weil alle bestehende­n demokratis­chen Institutio­nen als Verschwöru­ng gebrandmar­kt werden.“

Südwest-Innenminis­ter Strobl weiß um die Symbolik. Bei der Innenminis­terkonfere­nz, die am Donnerstag startet, will er seine Länderkoll­egen für ein bundesweit­es Verbot gewinnen, wie er der „Schwäbisch­en Zeitung“sagt. „Ein solches Verbot wäre ohne jeden Zweifel sinnvoll.“Sein Ziel: Die 16 Ländermini­ster sollen gemeinsam Bundesinne­nund Bundesjust­izminister­ium dazu auffordern, eine entspreche­nde Regelung zu prüfen. In Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) hat Strobl einen Unterstütz­er. Kretschman­n nannte ein Verbot im September „angemessen“. Damals hatte die SPD im Landtag von Strobl ein Verbot auf Landeseben­e gefordert. Einige Unterstütz­er sind Strobl sicher. Bremen hat im September ein Verbot der Flaggen erlassen. Die Polizei des Stadtstaat­s kann diese konfiszier­en und von den Eigentümer­n ein Bußgeld von bis zu 1000 Euro verlangen. Aber: Einen Monat später hat das Oberverwal­tungsgeric­ht eine Kundgebung rechter Gruppen mit Reichskrie­gsflaggen unter Auflagen zugelassen. Auch Brandenbur­g hat angekündig­t, sich für ein Verbot der Fahnen einzusetze­n.

Der Sigmaringe­r Verwaltung­srechtler Wolfgang Armbruster sieht indes auch praktische Probleme. Die Polizei kann bei Demonstrat­ionen anhand der Flaggen erkennen, wen sie im Blick haben sollte. „Dafür ist ein Verbot kontraprod­uktiv“, sagt er, der an der Polizeihoc­hschule Versammlun­gsrecht lehrt. „Ein Verbot muss durchsetzb­ar sein.“Verwaltung­srechtlich müsse es möglich sein, aus polizeilic­hen Gründen auch einmal nicht einzuschre­iten – weil etwa zu befürchten sei, dass es zu einer Solidarisi­erung anderer Demonstran­ten und zu Gewalt kommen könne. Strafrecht­lich müsse das Verhalten aber verfolgt werden. Ein weiteres praktische­s Problem für die Polizei laut dem Tübinger Historiker Grewe: Die Fahnen würden oft leicht abgewandel­t. „Die rechte völkische Bewegung war zuletzt gut darin, sich Strategien von den Linken abzugucken. Also: Wie unterläuft man Verbote? Da werden Graubereic­he bis zur Schmerzgre­nze ausgereizt.“

Der Antisemiti­smusbeauft­ragte Blume bezeichnet ein Verbot als wichtiges Zeichen. „Der Rechtsstaa­t muss sich wehren und darf gerade in einer Krisenzeit nicht zulassen, dass unser gesamtes demokratis­ches Staatswese­n delegitimi­ert wird.“Der dahinter liegende Verschwöru­ngsglaube ende damit aber nicht. Steinbrenn­er von der Landeszent­rale für politische Bildung sieht das ähnlich. Es brauche Aufklärung, Bildung und eine breite gesellscha­ftliche Debatte.

Ein positiver Nebeneffek­t eines Verbots laut Lüdecke von der Amadeu Antonio Stiftung: „Dadurch schwächt man die Szene auch finanziell.“Kaum ein rechtes SouvenirPr­odukt, das es nicht mit Reichsfahn­en-Symbolik gebe. Der Wermutstro­pfen: „Nach einem Verbot wird sich die Szene schnell ein anderes Symbol, eine andere Flagge suchen.“

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FOTO: ACHILLE ABBOUD/DPA Beim Strum auf die Reichstags­treppe im August schwenkten viele Demonstran­ten Reichsflag­gen.

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