Bildgewaltig und detailreich
Die Warnung vorneweg: Als Bettlektüre eignet sich „Masterpieces of Fantasy Art“wahrlich nicht. Denn dieser Hardcover-Monster-Band wiegt mehr als sieben Kilo. Davon will man nicht erschlagen werden, wenn die Augenlider schwer werden. Aber dieses überdimensionale Kompendium über PhantastikKünstler ist ohnehin etwas, das nicht einfach gelesen, sondern als optisch überwältigende Reise durch die Jahrzehnte zelebriert werden will. Muskelbepackte Krieger, knapp beschürzte Schönheiten und furchterregende Monster geben sich hier ein Stelldichein.
Diese Zeitreise zeigt eines ganz deutlich: Dass eine Serie wie „Game of Thrones“weltweite Erfolge feiert, ist nicht so selbstverständlich wie man heute meinen könnte. Es war nicht immer so, dass Fantasy zum massentauglichen PopkulturPhänomen taugte. Noch nicht so lange ist es her, da wurde Fantasy als Eskapismus für Nerds belächelt – und Nerd war noch ein Schimpfwort, mit dem man schmächtige Jungs mit Brille und ungewöhnlichen Hobbys verhöhnte.
„Masterpieces of Fantasy Art“erforscht die Grundlagen für derartige Erfolge und schlägt den Bogen dabei bis zurück zu den Höllenvisionen eines Hieronymus Bosch. Spannend auch, dass Peter Jacksons „Herr der Ringe“-Trilogie ohne die beiden Tolkien-Illustratoren John Howe und Alan Lee vermutlich nicht so ausgesehen hätte wie es der Kinogänger kennt. Jacksons Meisterwerk, das von weniger akribischen Filmemachern dutzendfach kopiert und nie erreicht wurde, wurde zum Wegbereiter. Das ist gut so, denn das ermöglicht uns, Fantasykunst nicht mehr als überkandidelten Schund anzusehen, sondern überbordende Kreativität zu würdigen. So etwa bei Frank Frazetta, der sich bereits mit 20 als Künstler etabliert hatte und 1983 gemeinsam mit Regisseur Ralph Bakshi den Film „Feuer und Eis“im Rotoskopie-Verfahren auf die Kinoleinwand brachte. Der Streifen floppte zwar damals, genießt aber heute Kultstatus. Robert Rodriguez plant ein Remake. Mal sehen, ob das erfolgreicher wird.
Dian Hanson: Masterpieces of Fantasy Art. Taschen Verlag (2020). 532 Seiten, 150 Euro