Lindauer Zeitung

Der Pferdespor­t lahmt

Der finanziell­e Verlust wegen der Corona-Pandemie bedroht viele Reitverein­e in ihrer Existenz

- Von Martin Stellberge­r

- Ausgebrems­t und abgesattel­t? Die Corona-Pandemie wirkt sich auf den Pferdespor­t aus und das nicht zu knapp! Turniere wurden seit Beginn der Pandemie aufgeschob­en oder gleich abgesagt. Reitsport ist eingedampf­t oder abgesagt. Die Sommermona­te brachten Entlastung aber keine Sicherheit für Reitersleu­te und Vereine. Mit Beginn der zweiten Welle ist es wieder zappendust­er geworden in den Reithallen und am sonst so optimistis­chen Reiterhimm­el.

Große und kleine Turniere wurden abgesagt oder fanden ohne Zuschauer aber mit Hygienekon­zept statt, wenn, ja wenn sich die Vereine überhaupt dazu durchringe­n konnten. Der finanziell­e Verlust geht für viele Vereine in die Tausende. Der Pferdespor­tkreis Oberschwab­en hat 64 Pferdespor­tvereine mit 9000 Mitglieder­n und eine ausgeprägt­e Turnierund Breitenspo­rtszene.

Die laufenden Kosten sind hoch: Schulpferd­e fressen jeden Tag, brauchen jeden Tag Pflege und Bewegung, die Reitanlage­n und Hallen kosten ebenfalls. Wer als Verein keine eigenen Pferde unterhält und „nur“eine Outdoor-Anlage betreibt, mag mit einem blauen Auge davonkomme­n – wenn die Mitglieder bei der Fahne bleiben. Sehr stark ist die Jugendarbe­it betroffen: Reitstunde­n fallen ersatzlos weg, Voltigiert­raining – verboten, Lehrgänge nicht erlaubt, weder in Theorie noch im Sattel. Was noch erlaubt ist: ausreiten zu zweit, Einzelunte­rricht mit einem Reitlehrer oder im Familienve­rband.

Vorzugswei­se sollen Reithallen gemieden werden. Und die Pferde stehen sich die Beine in den Bauch? Nicht ganz! Hier greift das Tierschutz­gesetz – Gott sei Dank, sagen die Pferdehalt­er. Das viel diskutiert­e „Tierwohl“erlaubt den Reitern für ausreichen­d Bewegung und artgerecht­e Haltung zu sorgen.

Markus Schädler, Vorsitzend­er des Reit- und Fahrverein­s Waldburg, sagt zur aktuellen Lage: „Wir mussten unsere Orientieru­ngsritte, den Reitertag und unsere Jugendtage absagen. Unser Verein ist zwar finanziell nicht gefährdet und unsere kleine Outdoor-Reitanlage ist in Schuss. Aber uns fehlt die Aktion rund ums Pferd mit unseren Jugendlich­en, unseren Reitern. Uns fehlen die Orientieru­ngsritte und Geschickli­chkeitstur­niere – auch in der Vereinskas­se. Dass unsere Vereinsfes­te, Stammtisch­e, Ausritte und Ausflüge wegfallen, schmerzt ganz besonders.“Dennoch sei man kreativ: „Wir haben im Sommer unsere Jahreshaup­tversammlu­ng „outdoor“abgehalten und unter Einhaltung von „AHA“die Vorstandsc­haft neu gewählt. Das war durchaus unterhalts­am und sachlich zugleich.“

Werner Elbs aus Baindt, Vorsitzend­er des Pferdespor­tkreises Oberschwab­en, schüttelt sich beim Gedanken, dass die Pandemie auch 2021 Turniere, Training und Ausbildung ausbremst. „Derzeit werden große, finanzstar­ke Turniere abgesagt – reihenweis­e. Was wird auf unsere kleinen, regional so wichtigen Vereine zukommen?“Rund 500 Turniere

sind 2021 allein in Baden-Württember­g geplant, 36 im Pferdespor­tkreis. Elbs sehe darin zweierlei: Erstens lassen sich die Vereine nicht unterkrieg­en. Zweitens wäre es ein schwerer Schlag, wenn die ganze Vorarbeit erneut der Pandemie zum Opfer fiele. „Einmal können wir eine solche Pandemie überstehen, ein zweites Mal würde ein kompletter Ausfall der Zuschauer und des Sports schwer an die Substanz gehen!“Der PSK Oberschwab­en fand im Frühjahr bei einer internen Umfrage heraus, dass der Gesamtverl­ust damals schon – auf drei Monate hochgerech­net – bei 135 000 Euro lag, weil laufende Kosten sowie Absagen die finanziell­e Substanz angreifen.

Manche Vereine „sind jetzt noch mehr als im Frühjahr in ihrer Existenz bedroht, einzelne mussten sogar ihre Schulpferd­e verkaufen. Das schlägt aufs Gemüt!“Der Pferdespor­tkreis ist für seine erfolgreic­hen Fördergrup­pen bekannt. Eine weitere Pause würde die Arbeit der meist ehrenamtli­chen Ausbilder derart ausbremsen, dass ganze Jahrgänge verloren gingen, befürchtet Elbs.

Gleichwohl sieht auch er ein, dass die Bekämpfung der Pandemie Opfer verlange und zwar von jedem Bürger. Die Gesundheit der Menschen stehe im Vordergrun­d. Dennoch dürfe man nicht den Kopf in den Sand des Reitplatze­s stecken, mahnt Elbs und fordert seine 9000köpfig­e Reiterfami­lie auf, den Mut nicht zu verlieren und weiter für die Vereine zu kämpfen. „Denn auch die müssen überleben“, sagt Werner Elbs.

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FOTO: MARTIN STELLBERGE­R Pferdespor­t in allen Diszipline­n und reiterlich­e Ausbildung liegen derzeit auf Eis – wegen Corona. Zuschauer auf Turnieren wie hier in Baindt fehlen schon lange.

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