Der Pferdesport lahmt
Der finanzielle Verlust wegen der Corona-Pandemie bedroht viele Reitvereine in ihrer Existenz
- Ausgebremst und abgesattelt? Die Corona-Pandemie wirkt sich auf den Pferdesport aus und das nicht zu knapp! Turniere wurden seit Beginn der Pandemie aufgeschoben oder gleich abgesagt. Reitsport ist eingedampft oder abgesagt. Die Sommermonate brachten Entlastung aber keine Sicherheit für Reitersleute und Vereine. Mit Beginn der zweiten Welle ist es wieder zappenduster geworden in den Reithallen und am sonst so optimistischen Reiterhimmel.
Große und kleine Turniere wurden abgesagt oder fanden ohne Zuschauer aber mit Hygienekonzept statt, wenn, ja wenn sich die Vereine überhaupt dazu durchringen konnten. Der finanzielle Verlust geht für viele Vereine in die Tausende. Der Pferdesportkreis Oberschwaben hat 64 Pferdesportvereine mit 9000 Mitgliedern und eine ausgeprägte Turnierund Breitensportszene.
Die laufenden Kosten sind hoch: Schulpferde fressen jeden Tag, brauchen jeden Tag Pflege und Bewegung, die Reitanlagen und Hallen kosten ebenfalls. Wer als Verein keine eigenen Pferde unterhält und „nur“eine Outdoor-Anlage betreibt, mag mit einem blauen Auge davonkommen – wenn die Mitglieder bei der Fahne bleiben. Sehr stark ist die Jugendarbeit betroffen: Reitstunden fallen ersatzlos weg, Voltigiertraining – verboten, Lehrgänge nicht erlaubt, weder in Theorie noch im Sattel. Was noch erlaubt ist: ausreiten zu zweit, Einzelunterricht mit einem Reitlehrer oder im Familienverband.
Vorzugsweise sollen Reithallen gemieden werden. Und die Pferde stehen sich die Beine in den Bauch? Nicht ganz! Hier greift das Tierschutzgesetz – Gott sei Dank, sagen die Pferdehalter. Das viel diskutierte „Tierwohl“erlaubt den Reitern für ausreichend Bewegung und artgerechte Haltung zu sorgen.
Markus Schädler, Vorsitzender des Reit- und Fahrvereins Waldburg, sagt zur aktuellen Lage: „Wir mussten unsere Orientierungsritte, den Reitertag und unsere Jugendtage absagen. Unser Verein ist zwar finanziell nicht gefährdet und unsere kleine Outdoor-Reitanlage ist in Schuss. Aber uns fehlt die Aktion rund ums Pferd mit unseren Jugendlichen, unseren Reitern. Uns fehlen die Orientierungsritte und Geschicklichkeitsturniere – auch in der Vereinskasse. Dass unsere Vereinsfeste, Stammtische, Ausritte und Ausflüge wegfallen, schmerzt ganz besonders.“Dennoch sei man kreativ: „Wir haben im Sommer unsere Jahreshauptversammlung „outdoor“abgehalten und unter Einhaltung von „AHA“die Vorstandschaft neu gewählt. Das war durchaus unterhaltsam und sachlich zugleich.“
Werner Elbs aus Baindt, Vorsitzender des Pferdesportkreises Oberschwaben, schüttelt sich beim Gedanken, dass die Pandemie auch 2021 Turniere, Training und Ausbildung ausbremst. „Derzeit werden große, finanzstarke Turniere abgesagt – reihenweise. Was wird auf unsere kleinen, regional so wichtigen Vereine zukommen?“Rund 500 Turniere
sind 2021 allein in Baden-Württemberg geplant, 36 im Pferdesportkreis. Elbs sehe darin zweierlei: Erstens lassen sich die Vereine nicht unterkriegen. Zweitens wäre es ein schwerer Schlag, wenn die ganze Vorarbeit erneut der Pandemie zum Opfer fiele. „Einmal können wir eine solche Pandemie überstehen, ein zweites Mal würde ein kompletter Ausfall der Zuschauer und des Sports schwer an die Substanz gehen!“Der PSK Oberschwaben fand im Frühjahr bei einer internen Umfrage heraus, dass der Gesamtverlust damals schon – auf drei Monate hochgerechnet – bei 135 000 Euro lag, weil laufende Kosten sowie Absagen die finanzielle Substanz angreifen.
Manche Vereine „sind jetzt noch mehr als im Frühjahr in ihrer Existenz bedroht, einzelne mussten sogar ihre Schulpferde verkaufen. Das schlägt aufs Gemüt!“Der Pferdesportkreis ist für seine erfolgreichen Fördergruppen bekannt. Eine weitere Pause würde die Arbeit der meist ehrenamtlichen Ausbilder derart ausbremsen, dass ganze Jahrgänge verloren gingen, befürchtet Elbs.
Gleichwohl sieht auch er ein, dass die Bekämpfung der Pandemie Opfer verlange und zwar von jedem Bürger. Die Gesundheit der Menschen stehe im Vordergrund. Dennoch dürfe man nicht den Kopf in den Sand des Reitplatzes stecken, mahnt Elbs und fordert seine 9000köpfige Reiterfamilie auf, den Mut nicht zu verlieren und weiter für die Vereine zu kämpfen. „Denn auch die müssen überleben“, sagt Werner Elbs.