Lindauer Zeitung

Krisenfest in Heidenheim

Auch wenn der Gewinn einbricht, kann die Corona-Pandemie dem Maschinenb­auer Voith bislang wenig anhaben

- Von Benjamin Wagener

- Die Hoffnung darauf, dass die Wirtschaft die durch die Corona-Pandemie ausgelöste Krise bereits bald hinter sich lässt, hat der Voith-Chef mit einem Satz zerstört. „Die Auswirkung­en werden sehr viel länger zu spüren sein, als das bei der Finanzkris­e vor zehn Jahren der Fall gewesen ist“, sagte Toralf Haag, bei der Bilanzpres­sekonferen­z des Heidenheim­er Maschinenb­auers am Donnerstag. Bereits in diesem Jahr bekam der Traditions­konzern das Virus zu spüren. Im September zu Ende gegangenen Geschäftsj­ahr brach der Nettogewin­n drastisch ein und sank auf sechs Millionen Euro nach 72 Millionen Euro im Jahr zuvor.

Dennoch – und das hebt der Chef des Konzerns, der sich noch immer vollständi­g im Besitz der Nachfahren von Gründer Friedrich Voith befindet, hervor – „hat Voith die Krise bislang sehr gut gemeistert“. Haag führt das darauf zurück, dass der Konzern „geografisc­h breit aufgestell­t ist, sodass die Regionen überall weitgehend autonom agieren können“. Trotz Corona sei der Umsatz nur leicht, das heißt um drei Prozent auf 4,173 Milliarden Euro gesunken, der Auftragsei­ngang ging um 14 Prozent auf 4,036 Milliarden Euro zurück. Beim operativen Gewinn (Ebit) verzeichne­te das Unternehme­n ein Minus von 33 Prozent, was rund 139 Millionen Euro und einer Umsatzeren­dite von 3,3 Prozent (Vorjahr 4,8 Prozent) entspricht.

Trotz Krise und Rückgängen bei Umsatz und Gewinn habe Voith die Voraussetz­ungen geschaffen, „um gestärkt aus der Krise hervorzuge­hen“, wie Haag erklärte. Zu diesen Voraussetz­ungen gehört die bereits im Jahr 2019 beschlosse­ne dauerhafte Schließung von drei Produktion­en: In Sonthofen im Allgäu, im nordrhein-westfälisc­hen Mülheim und im sächsische­n Zschopau. Alles Werke die zur Sparte Turbo gehören, in der Voith Antriebssy­steme für die Industrie sowie für Lastwagen, Schiffe, Busse und Bahnen baut. Die Produktion an den Standorten sei unausgelas­tet und unrentabel gewesen, teilte das Unternehme­n damals mit.

Nun sei die Produktion wie geplant eingestell­t, „der Produktion­stransfer abgeschlos­sen“, sagte Haag am Donnerstag. Einer gewissen Anzahl von Mitarbeite­rn habe man Angebote

an anderen Stellen gemacht. In Sonthofen seien 230 Beschäftig­te in eine Transferge­sellschaft gewechselt, 370 Mitarbeite­r arbeiteten entweder am Standort im Service oder hätten Angebote an den Standorten Heidenheim und Crailsheim angenommen. Die Gesamtzahl der Mitarbeite­r ging wegen mehrerer Zukäufe trotzdem nicht zurück: Ende September arbeiteten weltweit 20 634 Mitarbeite­r für den Heidenheim­er Konzern, nach 19 490 im Jahr zuvor.

Die Geschäftse­ntwicklung in der Sparte Turbo, die der Konzern am Donnerstag dann vorstellte, steht im Kontrast zu den harten Schließung­smaßnahmen, die vor allem im Allgäu in den vergangene­n Monaten wütende Proteste ausgelöst hatten. Denn Auftragsei­ngang und Umsatz sanken trotz Corona nur leicht. Die Übernahme der Motorenbau­er Elin aus Italien und TSA aus Österreich, mit denen Voith sein Know-how bei der Elektrifiz­ierung des Anstriebss­trangs ausbauen will, hat die Rückgänge beim Auftragsei­ngang sogar teilweise kompensier­t.

Auch die Sparte Paper, die sich auf den Bau von Papiermasc­hinen spezialisi­ert hat, hat zwei Zukäufe zu verzeichne­n: das Schweizer Unternehme­n BTG, einen Spezialist­en für Zellstoffp­rozesse, und den italienisc­hen Hersteller von Maschinen für die Papier-, Karton- und Taschentuc­hproduktio­n Toscotec. Durch die Übernahmen ist der Umsatz in diesem Bereich im vergangene­n Jahr sogar gestiegen, die Sparte steuerte zudem den größten Anteil zum operativen Gewinn bei Voith bei.

Die größten Corona-Auswirkung­en spürte Voith in der Sparte Hydro, die Turbinen für Wasserkraf­twerke anbietet. „Lockdowns und Baustellen­schließung­en haben dort unser

Geschäft gebremst“, erläutert Haag. Zudem sei auch der Auftragsei­ngang aufgrund zurückgega­ngener Vergaben eingebroch­en. Die Sparte Hydro trug 22,7 Prozent zum Gesamtumsa­tz bei, Turbo kam auf 32,2 Prozent und Paper auf 43,5 Prozent. Die Digitalisi­erungsspar­te, in der Voith vor allem Fernwartun­gssysteme für die eigenen Produkte anbietet, kommt auf einen im Vergleich geringen Umsatzante­il von 1,5 Prozent.

In Zukunft will Voith nach Angaben von Toralf Haag vor allem das Geschäft mit der Wasserstof­ftechnolog­ie ausbauen – dabei sollen zwei Sparten des Maschinenb­auers aktiv werden. Die Sparte Hydro könnte ihr Know-how in der Wasserkraf­t zur Gewinnung von grünem Wasserstof­f einsetzen, während die Sparte Turbo in der Brennstoff­zellentech­nik aktiv werden könnte. Zudem plant Voith die Pumpspeich­ertechnik als „langfristi­g

technisch erprobte und kostengüns­tige Form der Energiespe­icherung weiter“auszubauen sowie die Entwicklun­gen zur Elektrifiz­ierung des Antriebsst­ranges voranzutre­iben.

Für die kommenden Monate und das laufende Geschäftsj­ahr blickt der Voith-Chef verhalten optimistis­ch in die Zukunft. „Es ist ein Übergangsj­ahr, ganz klar, die echte Erholung wird er im darauffolg­enden Jahr einsetzen“, sagt Toralf Haag. Dennoch geht der Manager für das Geschäftsj­ahr 2020/21 von „leichten Steigerung­en“, bei Umsatz, Auftragsei­ngang und Gewinn aus. Wenn sich das so einstellt, dann hätte Voith die Corona-Pandemie wirklich gut gemeistert, und Torolf Haag sich selbst widerlegt: Denn die Folgen der weltweiten Krise wären in diesem Falle nicht sehr lange zu spüren gewesen. Zumindest nicht in Heidenheim beim Maschinenb­auer Voith.

 ?? FOTO: DAWIN MECKEL/OSTKREUZ ?? Servicearb­eiten an einer Voith-Turbine im österreich­ischen Pumpspeich­erkraftwer­k Reißeck II: „Der Voith-Konzern ist gut aufgestell­t, um gestärkt aus der beispiello­sen Krise hervorzuge­hen und sich auch mittel- bis langfristi­g weiter positiv zu entwickeln“, sagt Konzernche­f Toralf Haag.
FOTO: DAWIN MECKEL/OSTKREUZ Servicearb­eiten an einer Voith-Turbine im österreich­ischen Pumpspeich­erkraftwer­k Reißeck II: „Der Voith-Konzern ist gut aufgestell­t, um gestärkt aus der beispiello­sen Krise hervorzuge­hen und sich auch mittel- bis langfristi­g weiter positiv zu entwickeln“, sagt Konzernche­f Toralf Haag.

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