Krisenfest in Heidenheim
Auch wenn der Gewinn einbricht, kann die Corona-Pandemie dem Maschinenbauer Voith bislang wenig anhaben
- Die Hoffnung darauf, dass die Wirtschaft die durch die Corona-Pandemie ausgelöste Krise bereits bald hinter sich lässt, hat der Voith-Chef mit einem Satz zerstört. „Die Auswirkungen werden sehr viel länger zu spüren sein, als das bei der Finanzkrise vor zehn Jahren der Fall gewesen ist“, sagte Toralf Haag, bei der Bilanzpressekonferenz des Heidenheimer Maschinenbauers am Donnerstag. Bereits in diesem Jahr bekam der Traditionskonzern das Virus zu spüren. Im September zu Ende gegangenen Geschäftsjahr brach der Nettogewinn drastisch ein und sank auf sechs Millionen Euro nach 72 Millionen Euro im Jahr zuvor.
Dennoch – und das hebt der Chef des Konzerns, der sich noch immer vollständig im Besitz der Nachfahren von Gründer Friedrich Voith befindet, hervor – „hat Voith die Krise bislang sehr gut gemeistert“. Haag führt das darauf zurück, dass der Konzern „geografisch breit aufgestellt ist, sodass die Regionen überall weitgehend autonom agieren können“. Trotz Corona sei der Umsatz nur leicht, das heißt um drei Prozent auf 4,173 Milliarden Euro gesunken, der Auftragseingang ging um 14 Prozent auf 4,036 Milliarden Euro zurück. Beim operativen Gewinn (Ebit) verzeichnete das Unternehmen ein Minus von 33 Prozent, was rund 139 Millionen Euro und einer Umsatzerendite von 3,3 Prozent (Vorjahr 4,8 Prozent) entspricht.
Trotz Krise und Rückgängen bei Umsatz und Gewinn habe Voith die Voraussetzungen geschaffen, „um gestärkt aus der Krise hervorzugehen“, wie Haag erklärte. Zu diesen Voraussetzungen gehört die bereits im Jahr 2019 beschlossene dauerhafte Schließung von drei Produktionen: In Sonthofen im Allgäu, im nordrhein-westfälischen Mülheim und im sächsischen Zschopau. Alles Werke die zur Sparte Turbo gehören, in der Voith Antriebssysteme für die Industrie sowie für Lastwagen, Schiffe, Busse und Bahnen baut. Die Produktion an den Standorten sei unausgelastet und unrentabel gewesen, teilte das Unternehmen damals mit.
Nun sei die Produktion wie geplant eingestellt, „der Produktionstransfer abgeschlossen“, sagte Haag am Donnerstag. Einer gewissen Anzahl von Mitarbeitern habe man Angebote
an anderen Stellen gemacht. In Sonthofen seien 230 Beschäftigte in eine Transfergesellschaft gewechselt, 370 Mitarbeiter arbeiteten entweder am Standort im Service oder hätten Angebote an den Standorten Heidenheim und Crailsheim angenommen. Die Gesamtzahl der Mitarbeiter ging wegen mehrerer Zukäufe trotzdem nicht zurück: Ende September arbeiteten weltweit 20 634 Mitarbeiter für den Heidenheimer Konzern, nach 19 490 im Jahr zuvor.
Die Geschäftsentwicklung in der Sparte Turbo, die der Konzern am Donnerstag dann vorstellte, steht im Kontrast zu den harten Schließungsmaßnahmen, die vor allem im Allgäu in den vergangenen Monaten wütende Proteste ausgelöst hatten. Denn Auftragseingang und Umsatz sanken trotz Corona nur leicht. Die Übernahme der Motorenbauer Elin aus Italien und TSA aus Österreich, mit denen Voith sein Know-how bei der Elektrifizierung des Anstriebsstrangs ausbauen will, hat die Rückgänge beim Auftragseingang sogar teilweise kompensiert.
Auch die Sparte Paper, die sich auf den Bau von Papiermaschinen spezialisiert hat, hat zwei Zukäufe zu verzeichnen: das Schweizer Unternehmen BTG, einen Spezialisten für Zellstoffprozesse, und den italienischen Hersteller von Maschinen für die Papier-, Karton- und Taschentuchproduktion Toscotec. Durch die Übernahmen ist der Umsatz in diesem Bereich im vergangenen Jahr sogar gestiegen, die Sparte steuerte zudem den größten Anteil zum operativen Gewinn bei Voith bei.
Die größten Corona-Auswirkungen spürte Voith in der Sparte Hydro, die Turbinen für Wasserkraftwerke anbietet. „Lockdowns und Baustellenschließungen haben dort unser
Geschäft gebremst“, erläutert Haag. Zudem sei auch der Auftragseingang aufgrund zurückgegangener Vergaben eingebrochen. Die Sparte Hydro trug 22,7 Prozent zum Gesamtumsatz bei, Turbo kam auf 32,2 Prozent und Paper auf 43,5 Prozent. Die Digitalisierungssparte, in der Voith vor allem Fernwartungssysteme für die eigenen Produkte anbietet, kommt auf einen im Vergleich geringen Umsatzanteil von 1,5 Prozent.
In Zukunft will Voith nach Angaben von Toralf Haag vor allem das Geschäft mit der Wasserstofftechnologie ausbauen – dabei sollen zwei Sparten des Maschinenbauers aktiv werden. Die Sparte Hydro könnte ihr Know-how in der Wasserkraft zur Gewinnung von grünem Wasserstoff einsetzen, während die Sparte Turbo in der Brennstoffzellentechnik aktiv werden könnte. Zudem plant Voith die Pumpspeichertechnik als „langfristig
technisch erprobte und kostengünstige Form der Energiespeicherung weiter“auszubauen sowie die Entwicklungen zur Elektrifizierung des Antriebsstranges voranzutreiben.
Für die kommenden Monate und das laufende Geschäftsjahr blickt der Voith-Chef verhalten optimistisch in die Zukunft. „Es ist ein Übergangsjahr, ganz klar, die echte Erholung wird er im darauffolgenden Jahr einsetzen“, sagt Toralf Haag. Dennoch geht der Manager für das Geschäftsjahr 2020/21 von „leichten Steigerungen“, bei Umsatz, Auftragseingang und Gewinn aus. Wenn sich das so einstellt, dann hätte Voith die Corona-Pandemie wirklich gut gemeistert, und Torolf Haag sich selbst widerlegt: Denn die Folgen der weltweiten Krise wären in diesem Falle nicht sehr lange zu spüren gewesen. Zumindest nicht in Heidenheim beim Maschinenbauer Voith.