Lindauer Zeitung

EZB zieht alle Register

Notenbank stellt weitere halbe Billion Euro für Corona-Notprogram­m zur Verfügung

- Von Jörn Bender und Friederike Marx

(dpa) - Christine Lagarde hat bereits im Oktober keine Zweifel gelassen: Die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) legt im Kampf gegen die wirtschaft­lichen Folgen der Corona-Krise noch einmal nach. Am Donnerstag erfüllten die Währungshü­ter ihr Verspreche­n.

Warum handelt die Notenbank erneut?

Die Pandemie hält Europa im Griff, die Zahl der Infizierte­n ist in vielen Staaten in den vergangene­n Wochen drastisch gestiegen, erneut werden Wirtschaft und Gesellscha­ft herunterge­fahren. „Die EZB wird auch in der zweiten Welle da sein“, versichert­e Lagarde Ende Oktober nach der Sitzung des EZB-Rates. Die Risiken für die Konjunktur nähmen eindeutig zu. „Wir werden alle Flexibilit­ät nutzen, die wir haben“, betonte die Französin. Zwei Wochen später bekräftigt­e Lagarde die Entschloss­enheit der Währungshü­ter zum Handeln: „Es ist wichtig, dass die Finanzieru­ngsbedingu­ngen günstig bleiben.“

Was hat die EZB in der CoronaKris­e bisher getan?

Mitte März schnürte die Notenbank eilends ein neues Kaufprogra­mm für Staats- und Unternehme­nsanleihen. Nur knapp drei Monate später verdoppelt­e die EZB das Volumen des PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) fast auf 1,35 Billionen Euro. Zudem wurde dessen Laufzeit um ein halbes Jahr bis mindestens Ende Juni 2021 verlängert. Nun werden sowohl das Volumen als auch die Laufzeit noch einmal ausgeweite­t: 500 Milliarden mehr und damit 1,85 Billionen Euro stellt die EZB im Rahmen des PEPP zur Verfügung. Laufen sollen die Anleihenkä­ufe nun bis mindestens Ende März 2022.

Bis Anfang Dezember hatte die EZB im Rahmen des PEPP fast 718 Milliarden Euro investiert. Vorteil des Programms: Die EZB ist bei Käufen extrem flexibel. Während ältere Kaufprogra­mme an den Kapitalsch­lüssel der Notenbank gebunden sind, der sich nach Bevölkerun­gsgröße und Wirtschaft­skraft der Euroländer bemisst, behält sich die EZB bei ihrem Corona-Notprogram­m PEPP vor, von diesem Schlüssel abzuweiche­n. Sie kann somit mehr Anleihen besonders betroffene­r Staaten kaufen. Darüber hinaus laufen noch andere EZB-Kaufprogra­mme für Wertpapier­e.

Welches Ziel verfolgt die EZB mit ihren Anleihenkä­ufen?

Die Käufe helfen Staaten wie Unternehme­n: Sie müssen für ihre Wertpapier­e nicht so hohe Zinsen bieten, wenn eine Zentralban­k als großer Käufer am Markt auftritt. Insbesonde­re für Staaten ist das wichtig, weil sie in der Corona-Krise milliarden­schwere Rettungspr­ogramme aufgelegt haben, die es zu finanziere­n gilt.

Hauptziel der EZB ist ein ausgewogen­es Preisnivea­u. Das sieht die Zentralban­k am ehesten gewährleis­tet, wenn die Preise im Euroraum mit seinen 19 Ländern moderat steigen. Mittelfris­tig wird eine Teuerungsr­ate knapp unter 2,0 Prozent angestrebt. Denn dauerhaft niedrige oder gar auf breiter Front sinkende Preise könnten Verbrauche­r und Unternehme­n verleiten, Investitio­nen aufzuschie­ben. Das kann die Konjunktur bremsen. Über Anleihenkä­ufe kommt indirekt viel Geld in Umlauf, was normalerwe­ise die Inflation anheizt.

Hat das viele billige Geld nicht auch Nebenwirku­ngen?

Seit Jahren ist die EZB im Anti-Krisen-Modus. Davon profitiere­n zwar Kreditnehm­er, weil es Geld von der Bank vergleichs­weise günstig gibt. Wer jedoch Geld bei der Bank anlegen will, hat das Nachsehen. Tagesgeld und Sparbuch werfen im Grunde keine Zinsen mehr ab. Und bei besonders hohen Summen drohen sogar Negativzin­sen, das Guthaben auf dem Konto schrumpft also. Lagarde ist mit der Zusage angetreten, die Nebenwirku­ngen der seit Jahren ultralocke­ren Geldpoliti­k genauer unter die Lupe zu nehmen. Derzeit läuft eine umfassende Überprüfun­g der geldpoliti­schen Strategie der EZB. Dabei setzt Lagarde unter anderem auf den Dialog mit Kritikern.

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FOTO: BORIS ROESSLER/DPA „Die EZB wird auch in der zweiten Welle da sein“, versichert EZB-Chefin Christine Lagarde.

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