Im Sinkflug
Der Allgäuer Flugzeugzulieferer Liebherr Aerospace baut wegen der coronabedingten Krise in der zivilen Luftfahrt rund 360 Stellen ab
- Angedeutet hatte es sich bereits vor einigen Wochen, nun ist es klar: Der Allgäuer Luftfahrtzulieferer Liebherr Aerospace mit Sitz in Lindenberg kommt mit Kurzarbeit und Betriebsruhe allein nicht durch die Krise. Das Unternehmen wird bis Ende des Jahres 2022 am Stammsitz und im Zweigwerk in Friedrichshafen von insgesamt 2650 Stellen rund 360 abbauen, wie die Geschäftsführung am Donnerstag auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“bestätigte. Bereits getrennt habe man sich von 200 Leiharbeitern.
Als Grund führt Liebherr Aerospace die Krise der Luftfahrt wegen der Corona-Pandemie an. „Die Fluggesellschaften stellen den Neuerwerb von Flugzeugen zurück, was zu starken Reduzierungen der Produktionsraten bei den Flugzeugherstellern führt. Diese Entwicklung setzt sich auch im Wartungs- und Instandhaltungsgeschäft fort, wo ebenfalls ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen ist“, schreibt die Geschäftsführung um Klaus Schneider, Arndt Schoenemann und Martin Wandel in einer Stellungnahme. Das Unternehmen rechnet in diesem Jahr mit einem Umsatzrückgang im Vergleich zum Vorjahr um 35 Prozent. 2019 hatte Liebherr Aerospace 757 Millionen Euro erlöst. Dabei sind die Geschäfte profitabel gewesen. „Wir machen Gewinn, wir sind zufrieden“, hatte Geschäftsführer Klaus Schneider im Januar dieses Jahres noch gesagt.
Das sieht nun alles völlig anders aus. Aufgrund der schwierigen Lage rechnet Liebherr Aerospace „mit einer Fortführung der Kurzarbeitsphase“. Seit Mai arbeiteten die Mitarbeiter an beiden Standorten in Lindenberg und Friedrichshafen bis zu zwei Tage kurz. Bei der Stellenreduzierung
plant das Unternehmen „einen sozialverträglichen Abbau zum Beispiel durch vorzeitigen Ruhestand, freiwilliges Ausscheiden und Aufhebungsverträgen“.
Liebherr Aerospace gehört zum Traditionskonzern Liebherr mit Sitz im oberschwäbischen Biberach und stellt Flugsteuerungen, Fahrwerke und Aktuatoren für alle großen Hersteller von Passagierflugzeugen her. Bei Aktuatoren, Maschinen, die in Flugzeugflügeln und Leitwerken die Klappen bewegen, gehört Liebherr Aerospace zu den weltweit führenden Spezialisten. In den vergangenen Jahren hatte das Unternehmen seine Produktion im Allgäu kontinuierlich ausgebaut und hatte in zehn Jahren mehr als 200 Millionen Euro investiert. Die Planungen zielten auf die Annahme der Geschäftsführung, dass der Flugverkehr sich bis 2035 fast verdoppeln werde. Im Interview mit der „Schwäbischen Zeitung“im Januar hatte Geschäftsführer Schneider das noch so formuliert. „In der Luftfahrt gibt es nicht so starke Schwankungen, in der Regel geht es behutsam aufwärts – und auch wenn es gesamtwirtschaftlich ungemütlicher wird, gehen wir von leichten Steigerungen aus.“Und auch trotz Klima-Diskussion, Greta Thunberg und Fridays for Future sei das Streben des Menschen zu reisen weiter vorhanden.
Jetzt geht Liebherr Aerospace davon aus, dass der zivile Luftverkehr frühestens in drei bis vier Jahren das Niveau von 2019 erreichen wird. Bei der Flugzeugproduktion ist der Luftfahrtzulieferer noch pessimistischer, sie werden noch ein bis zwei Jahre länger brauchen.