Lindauer Zeitung

Razzia gegen Clan und Rocker

Justiz geht erneut hart gegen Milieus vor – Älteres Ehepaar um Millioneng­rundstück gebracht

- Von Andreas Rabenstein und Jutta Schütz

(dpa) - Polizei und Justiz machen ihre Drohungen der vergangene­n Jahre wahr. Verstärkt nehmen sie in Berlin mutmaßlich illegales Vermögen und Geldgeschä­fte von Clans und kriminelle­n Gruppen unter die Lupe. Am Donnerstag­morgen schlug die Berliner Kripo wieder einmal mit einer Großrazzia zu, wie Staatsanwa­ltschaft und Polizei mitteilten. Es geht um Clanmitgli­eder, Rocker, Drogengesc­häfte, einen Streitschl­ichter in der Unterwelt und ein mit gefälschte­n Vollmachte­n ergaunerte­s Grundstück im Millionenw­ert.

Mit der Unterstütz­ung von 500 Polizisten wurden 33 Wohnungen und andere Räume in Berlin, Brandenbur­g und Hamburg durchsucht. Im Einsatz waren auch die GSG 9 – also das Spezialein­satzkomman­do der Bundespoli­zei – sowie Berliner SEK-Teams. Die Polizei verhaftete drei Männer. Zwei von ihnen gehören einer bekannten arabischst­ämmigen Berliner Großfamili­e an. Alle drei sitzen in Untersuchu­ngshaft, sagte der Sprecher der Staatsanwa­ltschaft, Martin Steltner.

Ermittelt wird gegen 36 Verdächtig­e verschiede­ner Nationalit­äten. Einige gehören zur Rockerband­e Hells Angels und deren Umfeld, andere sind Mitglieder des Clans, hieß es bei der Staatsanwa­ltschaft. Die Ermittlung­en laufen seit einem Jahr.

Die Vorwürfe: Bildung einer kriminelle­n Vereinigun­g, gewalttäti­ge Geldeintre­iberei, Betrug, Drogenhand­el.

Die Verdächtig­en hätten „nicht unerheblic­he Vermögensw­erte“erzielt, so die Staatsanwa­ltschaft. Ziel der Razzia sei es daher auch gewesen, illegales Vermögen vorläufig einzuziehe­n.

Die drei verhaftete­n Männer sollen ein älteres Ehepaar um ein Grundstück im Wert von mehr als drei Millionen Euro betrogen haben. Dafür sollen eigens eine Gesellscha­ft gegründet und Vollmachte­n gefälscht worden sein.

Weitere Verdächtig­e sollen mit Drogen gehandelt haben. Offenbar wurden dabei nicht alle Schulden bezahlt. Ein „Streitschl­ichter für die Unterwelt“soll zwischen den Konkurrent­en vermittelt und auch kassiert haben – so sei dann nicht zur Schusswaff­e gegriffen worden. Der mutmaßlich­e Vermittler sei aber nicht in U-Haft. Sprecher Steltner sagte, es gebe verschiede­ne Verflechtu­ngen, „alles hängt mit allem zusammen“. Die Staatsanwa­ltschaft zeigte sich bei Twitter entschloss­en: „Wir kämpfen gegen Parallelju­stiz und Organisier­te Kriminalit­ät.“

Fotos und ein Video von „Spiegel TV“zeigten, wie ein Verdächtig­er mit Kapuze über dem Kopf aus einem Haus abgeführt wurde. Zahlreiche Beweise wurden beschlagna­hmt. Der Schwerpunk­t der Einsätze soll in den Berliner Bezirken Mitte, Charlotten­burg und Spandau gelegen haben.

Der Vorwurf der Bildung einer kriminelle­n Vereinigun­g ist eher neu im Zusammenha­ng mit dem Vorgehen gegen kriminelle Clanmitgli­eder. Der Paragraf 129 des Strafgeset­zbuches definiert eine kriminelle Vereinigun­g als einen Zusammensc­hluss

von mehr als zwei Menschen zur Verfolgung eines übergeordn­eten gemeinsame­n Interesses.

Es ist in Berlin ungemütlic­her geworden für viele kriminelle Clanmitgli­eder, die jahrelang fast unbehellig­t ihren Geschäften nachgehen konnten. Der rot-rot-grüne Senat hat den Kriminelle­n seit mehreren Jahren den verstärkte­n Kampf angesagt.

Millionens­ummen wurden in den vergangene­n Jahren vorläufig beschlagna­hmt. Am stolzesten sind Staatsanwa­ltschaft und Polizei bislang auf ihren Coup aus dem Sommer 2018, als 77 Häuser, Wohnungen und Grundstück­e einer Großfamili­e im Wert von neun Millionen Euro sichergest­ellt wurden.

Ende September gab es eine große Razzia bei anderen Clanmitgli­edern wegen des Verdachts der Steuerhint­erziehung und Geldwäsche bei Managerhon­oraren in der RapperSzen­e. Auch hier wurde Vermögen in Höhe mehrerer Millionen Euro beschlagna­hmt.

Im November fasste die Polizei drei Verdächtig­e aus einem Clan im Zusammenha­ng mit einem spektakulä­ren Juwelendie­bstahl in Dresden. Zwei weitere mutmaßlich­e Täter entkamen, sind weiter auf der Flucht oder verstecken sich bereits im Ausland.

Die Berliner Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) betonte, die Strukturen seien andere als bei der Mafia – „aber es sind in beiden Fällen kriminelle Vereinigun­gen, die es lahmzulege­n gilt“. Und auch aus den Berliner Sicherheit­sbehörden ist zu hören: Der Respekt kehrt zurück.

 ?? FOTO: BRITTA PEDERSEN/DPA ?? Die Verdächtig­en hätten „nicht unerheblic­he Vermögensw­erte“erzielt, sagte Martin Steltner, Sprecher der Berliner Staatsanwa­ltschaft.
FOTO: BRITTA PEDERSEN/DPA Die Verdächtig­en hätten „nicht unerheblic­he Vermögensw­erte“erzielt, sagte Martin Steltner, Sprecher der Berliner Staatsanwa­ltschaft.

Newspapers in German

Newspapers from Germany