Als den Börwangern St. Leonhard zu klein wurde
Warum aus den Plänen für einen Kirchenbau vor rund 100 Jahren nichts wurde
- Am 9. Dezember 1920 lädt der Kirchenbauverein Börwang zur Generalversammlung. Vor gut 100 Jahren geht es um ein Thema, das damals die gesamte Gemeinde Haldenwang umtreibt: Die Erweiterung der Kapelle St. Leonhard. Sogar ein Abriss des kleinen Gotteshauses aus dem 15. Jahrhundert steht zur Debatte. Es sollte anders kommen.
Die Haldenwanger Ortschronik widmet den Vorgängen einige Seiten. Anfang des 20. Jahrhunderts genießt der öffentliche Religionsunterricht, die Christenlehre, einen hohen Stellenwert. In der Filial-Kapelle drängeln sich Mädchen und Buben am Boden. Für die Börwanger ist es aber besonders im Winter beschwerlich, die Kinder in die Haldenwanger Pfarrkirche zu bringen.
Bereits 1910 gibt es in Haldenwang Pläne, die Kirche St. Theodor und Alexander zu renovieren. Börwang mit seinen damals 650 Seelen müsste eine hohe Summe beisteuern. Da will man schon lieber selber bauen. 1912 folgt deswegen die Gründung des „Kirchenbauvereins Börwang mit dem Sitz in Börwang“. Bis zu 470 Sitzplätze sollen für die Gläubigen entstehen. Erster Vorstand: Pfarrer Johann Witzigmann von Haldenwang.
Der Gottesmann favorisiert freilich die Kirchenbaupläne an seinem Hauptsitz. Dafür bekommt er 1914 eine Mehrheit in der Gemeindeversammlung. Börwang wird überstimmt und soll vorerst 15 000 Mark zum Projekt in Haldenwang beisteuern.
Die eigenen Vorstellungen für „St. Leonhard 2.0“werden indes fortentwickelt. 1916 beträgt das Vereinsvermögen fast 61 000 Mark. Die hochfliegenden Pläne durchkreuzt allerdings ein Gutachten des königlichen Generalkonservatoriums der Kunstdenkmale und Altertümer Bayerns: „... der kleine malerische Bau besitzt künstlerischen und kunstgeschichtlichen Wert, so dass ein Abbruch, gegen den auch Gründe der Pietät sprechen, nicht begutachtet werden kann. Für das Ortsbild würde an dieser Stelle ein größerer Bau sehr störend wirken.“
1920 liegt dennoch eine Architektenzeichnung für eine Verlängerung und Erweiterung der Leonhard-Kapelle vor. Und um die geht es am 9. Dezember 1920. 50 Mitglieder des Kirchenbauvereins stimmen ab. 32 wenden sich gegen das Vorhaben.
In der Folge wird es still um den Verein. Möglicherweise wirkte sich die kommende Restaurierung der Pfarrkirche in Haldenwang aus. Oder die sich bereits anbahnende Geldentwertung entzog jeglicher Finanzierung den Boden.
In der Historie der Gemeinde ist Anton Klotz (68) zu Hause. Der frühere Bürgermeister von Haldenwang und Oberallgäuer Landrat begeistert sich seit Langem für die Heimatgeschichte. Als Bub ist er selbst noch neben der Leonhard-Kapelle zur
Schule gegangen. Zur aktuellen Chronik der Gemeinde hat er einige Kapitel beigesteuert.
Langeweile ist Klotz nach wie vor fremd, in einigen Stiftungen bekleidet er weiter entscheidende Posten. Aber einer Fortschreibung der Haldenwanger Chronik will er sich gern widmen: „Mal schauen, so in zwei, drei Jahren vielleicht.“Bestimmt nimmt dann auch die Geschichte der Leonhard-Kapelle wieder ein Kapitel ein, deren Erhalt vor 100 Jahren ungewiss war.
Undenkbar aus heutiger Sicht. „Es hätte einen nie wieder gut zu machenden Schaden gegeben, wenn damals die St.-Leonhards-Kapelle der Spitzhacke zum Opfer gefallen wäre“, heißt es von Geschichtsschreiber Josef Welle.
Ereignisse vor 100 Jahren dürften die Börwanger auch 2021 beschäftigen: Da jährt sich zum 100. Mal, dass der traditionelle Leonardiritt nach dem Ersten Weltkrieg wieder auflebte.