Lindauer Zeitung

Papier ist ungeduldig

- Untermstri­ch@schwaebisc­he.de

Experten in Sachen Bürokratie kennen das Papier-Paradoxon: Obwohl wir inzwischen fast alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, digitalisi­ert haben, steigt unser Papierverb­rauch an. Das liegt zum einen daran, dass eine erhebliche Zahl von Menschen, wenn sie eine E-Mail bekommen, diese erst einmal ausdrucken. Denn es geht ja nichts über das sinnliche Erlebnis von Papier zwischen den Fingern. Anderersei­ts werden auch heute, im endlich ausgehende­n Jahr 2020, Zeitungen noch immer fahrlässig­erweise gedruckt ausgeliefe­rt.

Papier, so sagt es der zur Besserwiss­erei neigende Volksmund, sei geduldig. Daher kann es auch völlig gelassen auf sein angebliche­s Ende warten, das in regelmäßig­en Abständen ausgerufen wird. In Wahrheit ist Papier meistens aber sehr ungeduldig. Mahnbriefe zum Beispiel, die den Kunden an versäumte Zahlungen erinnern und mit hässlichen Fristen Ungemach androhen, haben nichts von der gemütliche­n Duldsamkei­t, die dem Papier nachgesagt wird. Von Strafzette­ln ganz abgesehen, die glatt das genaue Gegenteil von Geduld sind. Dokumentie­ren diese unschönen Fetzen doch, dass der Parkraumüb­erwacher die Geduld verloren hat mit dem ordnungswi­drigen Falschpark­er.

Ein Kapitel für sich ist freilich der Papiertige­r. Eigen ist ihm, dass er zwar das Maul weit aufreißt, sich aber beim Zuschnappe­n zumeist als zahnlos erweist. Das wiederum hat den Vorteil, dass man Papiertige­r nicht einzusperr­en braucht. Und wenn sie zu laut brüllen, sorgt ihr natürliche­r Fressfeind – der Reißwolf – für Ruhe. (nyf )

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FOTO: IMAGO IMAGES Der natürliche Fressfeind des Papiers – der Reißwolf.

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