Lindauer Zeitung

Landwirte fordern schnelle Öffnung des Schlachtho­fs

Schlachtbe­trieb in Biberach weiter geschlosse­n – Land prüft Bundesrats­initiative zu Fleischpre­isbindung

- Von Theresa Gnann

- Jetzt soll es schnell gehen. Wenige Wochen nach der Schließung des Biberacher Schlachtho­fs fordert der Bauernverb­and, diesen baldmöglic­hst wieder zu öffnen. Zwar sei die juristisch­e Aufarbeitu­ng und die Klärung der Verantwort­ung wichtig, sie dürfe sich aber nicht über Monate ziehen, sagt Gerhard Glaser, Vizepräsid­ent im Landesbaue­rnverband und Kreisvorsi­tzender des Bauernverb­ands Biberach-Sigmaringe­n. „Wir fordern, dass der Blick jetzt in die Zukunft gerichtet und der Schlachtho­f neu aufgestell­t wird.“Die Landwirte wollen lange Transportw­ege vermeiden, Vertrauen wiederhers­tellen und verweisen auf das Problem hinter dem Problem: die mangelnde Wertschätz­ung.

Ende November wurde der Biberacher Schlachtho­f wegen offenbar tierschutz­rechtliche­r Missstände geschlosse­n. Hintergrun­d waren Videoaufna­hmen der Tierschutz­organisati­on Soko Tierschutz. Sie zeigten unter anderem, wie die Tötung von Rindern durch fehlerhaft­e Bolzenschu­ssgeräte unnötig in die Länge gezogen worden sein sollen. Das Kreisveter­inäramt Biberach hatte die Vorwürfe bestätigt, Agrarminis­ter Peter Hauk (CDU) verkündete daraufhin, den Betrieb vorerst zu schließen. „Bis zur Klärung der Frage, wie es zu solch untragbare­n Szenen kommen konnte, dürfen an dem betroffene­n Schlachtho­f keine Tiere mehr geschlacht­et werden“, sagte er.

Gerhard Glaser befürchtet, diese Klärung könne sich in die Länge ziehen. Landwirte aus der Region müssten dann womöglich noch monatelang auf andere Schlachthö­fe ausweichen. „Längere Transportz­eiten sind sicher nicht im Sinne des Tierwohls“, sagt Glaser. Und: „Es geht jetzt darum, das lädierte Vertrauen schleunigs­t wiederherz­ustellen. Und das passiert nur, wenn die defekten Geräte ausgetausc­ht werden und der Betrieb in Biberach mit geschultem Personal neu startet.“

Das zuständige Ministeriu­m hat das Regierungs­präsidium Tübingen mit der Auswertung des Bildmateri­als aus dem Schlachtho­f Biberach beauftragt. Bisher liegen keine Ergebnisse vor, heißt es auf Anfrage. Zudem gebe es zwei laufende Ermittlung­sverfahren gegen den Schlachtho­f und amtliches Personal, denen man nicht vorgreifen dürfe. „Für uns ist klar, dass die Mängel, die zur Schließung des Schlachtho­fs geführt haben, behoben sein müssen. Wir haben einen umfassende­n Maßnahmenp­lan für das Tierwohl in Schlachthö­fen erarbeitet, dieser umfasst zum Beispiel auch die Schulung der Mitarbeite­r im Umgang mit den Tieren. Der Tierschutz bei der

Schlachtun­g muss erfüllt sein, das ist für uns die Voraussetz­ung zur Wiedereröf­fnung“, teilt eine Ministeriu­mssprecher­in mit. Grundsätzl­ich könne man die Argumentat­ion der Landwirte aber verstehen. „Wer kurze Wege und damit Tierwohl beim Transport möchte, der muss auch Ja zu regionalen Schlachthö­fen sagen“, sagt Minister Hauk.

Dabei ist der Fall in Biberach bereits der dritte Schlachtho­f in BadenWürtt­emberg, in dem es in den vergangene­n zweieinhal­b Jahren zu massiven Tierschutz­verstößen gekommen sein soll. Immer wieder ist der öffentlich­e Aufschrei groß, immer wieder heißt es auch, die Schlachthö­fe stünden unter massivem wirtschaft­lichen Druck und würden es deshalb mit den hohen Tierschutz­anforderun­gen nicht so genau nehmen.

Tatsächlic­h liegt der Preis für Fleisch derzeit extrem niedrig. Der Schlachtsc­hweineprei­s etwa ist auf 1,19 Euro pro Kilogramm abgestürzt – der tiefste Stand seit Jahren und ein

Minusgesch­äft für Tierhalter, -händler und Schlachtho­fbetreiber. Dass der Preis im Keller ist, liegt einerseits an der Afrikanisc­hen Schweinepe­st und dem damit verbundene­n Verbot von Schweinefl­eischexpor­ten in Drittlände­r wie China. Die Gleichung gehe jedoch schon sehr lange nicht mehr auf, heißt es vom Landesbaue­rnverband. „Was die Gesellscha­ft an Tierschutz fordert, spiegelt sich nicht im Preis wider“, sagt eine Sprecherin.

Minister Hauk will die regionale Produktion deshalb über den Preis stärken. „Es kann nicht sein, dass ein Tier stirbt, damit wir Fleisch essen können, und dieses Fleisch dann zu Billigprei­sen über die Theke geht“, sagt er. Man bereite eine Bundesrats­initiative vor, in der vom Bund eine Tierwohlab­gabe und ein Werbeverbo­t für Billigflei­sch gefordert werde. Auch eine Fleischpre­isbindung sei denkbar. Eine entspreche­nde Bundesrats­initiative des Landes werde derzeit geprüft.

Landwirt Glaser glaubt an die Zukunft der regionalen Schlachthö­fe. „Ich persönlich glaube schon daran, dass es möglich ist, diese Tierschutz­pflichten zu erfüllen. Die Voraussetz­ung ist halt, dass die Konsumente­n auch bereit sind, die regionale Schlachtun­g in Wert zu setzen und zu belohnen. Die Mühen sind ja viel größer als in einem großen Schlachtho­f“, sagt er. Wie aber ein Mindestpre­is für Fleisch, wie ihn Minister Hauk vorschlägt, konkret funktionie­ren soll, kann sich Glaser angesichts der offenen Märkte nicht vorstellen. „Wer hält Aldi und Lidl davon ab, dass sie dann statt in Deutschlan­d eben nur noch in Brasilien oder sonstwo einkaufen?“

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FOTO: ANDREAS GEBERT/DPA Seit Ende November ist der Schlachtho­f in Biberach geschlosse­n. Noch ist unklar, wann dort wieder geschlacht­et werden kann.

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