Ende des Weihnachtsgeschäftes: Der große Verlierer ist der Einzelhandel
Industrie spürt Auswirkungen des Lockdowns nicht so hart – Home Office und Betriebsurlaub ermöglichen Kontaktbeschränkung
(rst/roi) - Montag und Dienstag standen viele Menschen Schlange, um noch einen Termin beim Friseur zu bekommen. Jetzt bleibt die Schere in der Tasche. Und auch bei den Einzelhändlern schweigen die Kassen – alles mit dem Ziel, Kontakte und somit Ansteckungen zu reduzieren. Wer kann und das nicht schon getan hat, soll ins Homeoffice wechseln. Was das für die Betriebe und Unternehmen bedeutet.
Bei der Kreishandwerkerschaft könnte das Bild kaum gegensätzlicher sein: Während der zweite Lockdown die Baubranche beispielsweise fast nicht trifft, werden Friseurbetriebe auch diesmal besonders gebeutelt. Auch Kosmetikstudios oder Massagebetriebe gehörten dazu. „Im schlimmsten Fall können auch Kündigungen die Folge sein“, sagt Kreishandwerksmeister Jan Coenen.
Da der Dezember für den Einzelhandel der umsatzstärkste Monat im Jahr ist, trifft es die Läden besonders hart, dass sie jetzt in der Vorweihnachtszeit schließen müssen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen mindestens die nächsten drei Wochen zu Hause verbringen und werden in Kurzarbeit geschickt. „Eine andere Möglichkeit gibt es leider nicht“, sagt der Regionalgeschäftsführer Markus Anselment von der IHK Schwaben. Gastronomie und Hotellerie haben schon seit einigen Wochen zu. In Lindau sind laut IHK Schwaben rund 3500 Betriebe davon betroffen. „Wenn nicht umfassende und schnelle Finanzhilfen für den Einzelhandel kommen, wird es Geschäfte geben, die nach dem Winter nicht mehr öffnen können“, sagt Anselment.
Weniger hart trifft es zumindest den größten Teil des Handwerks. In den meistens Betrieben stehe jetzt ohnehin der Betriebsurlaub an. Der sollte, geht es nach den Wünschen der Regierung, möglichst ausgedehnt und mit Home-Office ergänzt werden. Letzteres sei im handwerklichen Bereich natürlich nur sehr begrenzt möglich. „In der Verwaltung kann man das schon machen“, sagt Coenen. Auch in seiner Heizungsund Sanitätsfirma Würschinger seien zwei Mitarbeiterinnen im Home Office. Alle anderen sind aber vor Ort oder beim Kunden.
Vom 23. Dezember bis einschließlich 8. Januar stehen auch für die 22 Mitarbeiter in Coenens Firma Betriebsferien an. Deshalb komme der Zeitpunkt für den Lockdown sogar recht gelegen. „Wenn man den Betrieb runterfährt, dann jetzt“, sagt Coenen. Die Betriebsferien werden für manche Mitarbeiter etwas ausgedehnt und Urlaubstage reingelegt. Der Notdienst bleibe aber aufrechterhalten. Wenn der Lockdown verlängert werden sollte, sei das für viele Betriebe ein Problem. Das Gute grundsätzlich im Handwerk: Man könne den Kontakt zum Kunden einfach reduzieren, wenn man etwas im Haus einbaut oder repariert.
Über die Weihnachtszeit schließen auch große Industriebetriebe in Lindau. „Für die Industrie sind die Auswirkungen dieses Lockdowns bis zum 11. Januar erst einmal nicht so hart“, sagt Markus Anselment von der IHK. Viele würden den Betrieb in dieser Zeit sowieso herunterfahren. So geht auch die Lindauer Dornier vom 23. Dezember bis zum 7. Januar in Betriebsurlaub. Das Unternehmen reagiert damit auch auf die verhaltene Auftragslage im Webmaschinenbereich, wie Geschäftsführer HansJürgen Schmidt sagt. Im Werk in Esseratsweiler, wo die Auftragslage bei den Folienreckmaschinen besser sei, beginne die Arbeit bereits am 4. Januar wieder. Dornier biete seinen Mitarbeitern auch Home-Office an, rund 120 Mitarbeiter würden laut Schmidt davon Gebrauch machen. Für Arbeiter in der Fertigung sei dies natürlich nicht möglich.
Auch Liebherr-Elektronik macht an Weihnachten vom 21. Dezember bis zum 11. Januar Betriebsurlaub. Mobiles Arbeiten sei „standardmäßig“– insofern es der Arbeitsplatz hergebe, sagt Marketingleiter HansJörg Schwärzler. Er schätzt, dass sich ungefähr ein Fünftel der Mitarbeitenden im mobilen Arbeiten befinden. „Sollte für notwendige Betreuungspflichten kein Urlaub mehr zur Verfügung stehen, können wir auf verschiedene Werkzeuge zurückgreifen“, so Schwärzler weiter. Als Beispiele nannte er das Ampelkonto,
ANZEIGE die volle Ausnutzung der Rahmenarbeitszeit und vor allem mobiles Arbeiten.
Bei Continental gibt es am Standort Lindau hinsichtlich der Betriebsferien keine Veränderung: Der Betrieb schließt seine Tore wieder vom 24. Dezember bis zum 6. Januar. Home-Office sei, so Michael Fieseler, Unternehmenssprecher von Continental Lindau, selbstverständlich möglich. „Continental hat für alle Standorte in Deutschland die Empfehlung zum mobilen Arbeiten von zu Hause ausgesprochen. Diese gilt natürlich auch für unseren Standort in Lindau.“Continental habe seine Büroräume durch umfassende Schutz- und Hygienekonzepte so gesichert, „dass eine Auslastung von maximal 50 Prozent möglich ist“. Fieseler setzt auch in dieser „Ausnahmesituation“auf das flexible Arbeitszeitmodell des Unternehmens: In dessen Rahmen wollen sie „bestmöglich versuchen“Herausforderungen, unter anderem auch bei der Kinderbetreuung, abzufedern.