Vom Risiko-Transfer zum Topspieler
Linus Weber ackert ohne Unterbrechung für den VfB – Dabei kam er ohne Spielpraxis an den Bodensee
- Es sind erst einige Minuten gespielt in der Partie der Volleyball-Bundesliga gegen den VCO Berlin am Montag, und Linus Weber nimmt schon wieder Anlauf. Von der rechten Seite beginnt der 21jährige Diagonalangreifer seine Schrittfolge, bekommt den Ball perfekt serviert und knallt diesen mit einem Angriffsschlag mittig ins Berliner Feld. „Linus Weber packt wieder den Hammer aus“, staunt der Kommentator im Livestream – es bleibt nicht sein letzter Hammer während des 3:0-Sieges gegen Berlin.
Linus Weber kam im Sommer als Leihe aus Mailand und galt beim VfB Friedrichshafen vor der Saison als Risiko-Transfer. Denn mit ihm und Lukas Maase holte der VfB gleich zwei unerfahrene Diagonalangreifer an den Bodensee. Vor der Bundesliga-Partie am Mittwoch gegen Bühl ist Linus Weber bereits Leistungsträger bei den Häflern und laut seinem Trainer Michael Warm auf dem besten Wege zu einem internationalen Topspieler.
„Das schmeichelt mir natürlich“, sagt Weber über das Lob seines Trainers, „ich versuch dem aber mit Vorsicht zu begegnen und mich nicht darauf auszuruhen.“Denn obwohl Linus Weber für die Nationalmannschaft spielt und in seiner ersten Saison beim VfB bereits unersetzbar ist – der Angreifer weiß, wie es ist, in der zweiten Reihe zu stehen. „In Mailand saß ich auf der Bank, aber das war mir eigentlich klar.“Geschadet habe ihm das nicht – jeden Tag lernte er von einigen der besten Spieler der Welt, erklärt Weber. „Wenn man das aufsaugt, bekommt man schon sehr viel mit.“
Und jetzt trägt der gebürtige Thüringer plötzlich große Verantwortung, spielt jede Partie des VfB über die komplette Zeit. „Linus hat sich prächtig entwickelt. Es war die richtige Entscheidung von ihm, nach Friedrichshafen zu kommen“, sagt sein Trainer Michael Warm.
„Die Verantwortung freut mich natürlich und ich wachse mit der Aufgabe“, sagt Weber, „aber es ist schon sehr anstrengend – es ist eine intensive Zeit.“Weil Lukas Maase als zweiter Diagonalspieler bis Mitte Januar ausfällt, bekommt Weber keine Pause. Hinzu kommt der eng getaktete Spielplan – neun Partien bestreiten die Häfler in den vier Dezemberwochen bis Weihnachten. „Momentan hätte ich schon gerne Lukas an meiner Seite“, gesteht Linus Weber, „vor allem, wenn ich jetzt doch noch körperlich abbauen sollte.“
Trotz oder gerade weil Linus Weber und Lukas Maase die gleiche Position spielen, verstehen sich die beiden Talente außerordentlich gut. Sie teilen sich eine Wohnung in Friedrichshafen, „und wir können uns gut pushen und helfen einander“. Besonders im Training fehle ihm gerade sein Teamkollege, sagt Weber – ohne einen passenden Gegenpart sei das Trainingsniveau einfach geringer.
Weber kam also ohne Praxis an den Bodensee, er spielt und trainiert ohne Ersatzmann. Wie schafft es der Nationalspieler dennoch so früh in der Saison, konstante Leistung zu bringen? Der 21-Jährige erklärt das mit den äußeren Umständen beim VfB. Die seien anders als in Mailand – eine Eingewöhnungsphase habe er nicht gebraucht. „Die Trainer, Spieler und die Geschäftsstelle haben mir sofort ein gutes Gefühl gegeben.“
Überhaupt sei der Zusammenhalt im Team super, sagt Linus Weber. Rund um das Training und die Spiele hätten die Athleten eine gute Zeit miteinander, von der Pandemie bekämen sie gar nicht so viel mit. „Wir leben schon in einer Bubble, neben dem Team haben wir nur Kontakt zu unseren Familien.“Jede Woche wird die Mannschaft getestet, ansonsten gelten die gleichen Regeln wie für den Rest der Gesellschaft. Und auch den Schock über die wegen Einsturzgefahr geschlossene ZF-Arena habe der Verein den Umständen entsprechend überwunden, berichtet Weber. „Ich habe das Gefühl, wir sind daraus sogar gestärkt hervorgegangen – das hat uns als Team irgendwie näher zusammengebracht.“
Sein Ziel für diese Saison ist daher klar: Linus Weber will mit dem VfB Friedrichshafen um die Meisterschaft
spielen. Bei den Fans kommt er gut an. Die wählen ihn regelmäßig zum Spieler des Tages. Er habe eine außergewöhnliche Spielweise, erklärt der Zwei-Meter-Mann sein Ansehen bei den Fans. Eine Spielweise, die nach einem Jahr Bankdrückerei endlich zur Entfaltung kommt.
Weber ist schon am Mittwoch wieder in Aktion zu sehen. Der Diagonalspieler trifft mit dem VfB Friedrichshafen auf die Bisons Bühl. Spielbeginn in der Zeppelin Cat Halle A1 ist um 17.30 Uhr, die Partie wird live auf sporttotal.tv übertragen. „Das ist ein gefährlicher Gegner“, sagt VfB-Trainer Michael Warm. Ziel seien aber auf jeden Fall die drei Punkte, um die am Montag eroberte BundesligaTabellenführung zu festigen.