Erfolgreicher Monopolist
Zeiss ist mit einer Belichtungstechnik für Mikrochips Weltmarktführer – und deswegen ziemlich krisenresistent
- Wer filigrane Strukturen schaffen will, benötigt gewaltige Maschinen. So haben die Messgeräte, mit denen der Technologiekonzern Zeiss die Spiegel für seine EUV-Technik vermisst, die Größe einer U-Boot-Röhre. Und genau diese Erfindung ist es nicht zuletzt, die das Traditionsunternehmen von der Ostalb seit Jahren auf Wachstumskurs hält und auf die Zeiss auch in der Corona-Krise setzen konnte.
Zeiss stellt Optiken für Lasermaschinen her, die mit der EUV-Lithografie (englisch für „Extrem Ultraviolettes Licht“) sogenannte Wafer belichten. Das sind kreisrunde, dünne Siliziumscheiben, die nach der Belichtung in einzelne Computerchips zerlegt werden. Und weil diese Chips in allen modernen Smartphones und Notebooks stecken und diese Geräte immer leistungsfähiger und schneller werden sollen, müssen die Wafer mit immer kleineren und filigraneren Strukturen bedruckt werden.
In Kooperation mit dem badenwürttembergischen Laserspezialisten Trumpf und dem niederländischen Lithografie-Konzern ASML stellt Zeiss Belichtungsmaschinen her – und das Triumvirat ist Weltmarktführer bei der neuesten Generation der EUVTechnik und Monopolist. Kein Wettbewerber – Nikon und Canon sind vor Jahren wegen der hohen Entwicklungskosten aus der EUV-Forschung ausgestiegen – stellt die Geräte her, die mittlerweile bei allen großen Computerchipherstellern, darunter Intel und Samsung, im Einsatz sind.
Kein Wunder also, dass es diese Sparte bei Zeiss war, die das Ergebnis des im September zu Ende gegangenen Geschäftsjahres rettete. Der Umsatz in der Halbleitertechnik stieg um zwölf Prozent auf 1,8 Milliarden Euro, während die Erlöse der Sparten Messtechnik und Mikroskopie (minus sechs Prozent auf 1,6 Milliarden), Medizintechnik (minus sechs Prozent auf 1,6 Milliarden) sowie Brillen- und Ferngläser (minus neun Prozent auf 1,1 Milliarden Euro) zurückgingen. Insgesamt sank der Umsatz um zwei Prozent auf auf 6,3 Milliarden Euro. „Wir sind damit fast bei dem Umsatz des Vorjahres gelandet, was für das Jahr eine gute Leistung ist“, sagte Zeiss-Vorstandschef Karl Lamprecht bei der virtuellen Jahrespressekonferenz am Donnerstag in der Konzernzentrale in Oberkochen. „Das Wachstum bei uns ist in diesem Jahr unterbrochen, mittelund langfristig wird dieser Wachstumskurs
aber fortgesetzt.“
Und diese Prognose gründet der Zeiss-Chef, der im Frühjahr Michael Kaschke an der Spitze des Traditionsunternehmens abgelöst hatte, nicht zuletzt auf das Potenzial der EUVTechnik. „Sie hat ihren Platz im Markt gefunden – und hat sich etabliert“, erklärt Lamprecht. Vor allem aber müssen Zeiss, Trumpf und AMSL erst einmal keine Angst haben, dass ihnen irgendein Unternehmen auf der Welt die Technik streitig macht. „Die Monopolstellung haben wir uns technologisch erarbeitet, wir sehen heute keinen Konkurrenten, der in der Lage ist, solche Maschinen zu bauen“, erläutert Kaschke. „Und auch ein reines Kopieren der EUV-Lithografie halte ich für sehr schwierig.“
Diesen Erfolg hat sich Zeiss hart erarbeitet, mehr als 25 Jahre hat die Entwicklung gedauert, sie war mit Rückschlägen, hohen Kosten verbunden und mehrmals musste Zeiss die Markteinführung nach hinten verschieben. Dass Smartphones heute die millionenfache Rechenleistung haben wie der Computer, der 1969 die erste Mondlandung ermöglichte, liegt an den immer filigraner werdenden Strukturen auf den Mikrochips, auf denen sich mittlerweile mehr als zehn Milliarden Transistoren befinden. Mit der von Zeiss entwickelten Technik können diese Verästelungen weiter verfeinert werden, sie schafft die Basis für künftige Anwendungen beim autonomen Fahren genauso wie bei der Künstlichen Intelligenz. „Mit der Technik werden die Chips leistungsfähiger, kostengünstiger und benötigen weniger Strom“, sagt Lamprecht. Das überzeugte im November auch die Jury des Deutschen Zukunftspreises, die dem EUV-Team von Zeiss, Trumpf und dem Fraunhofer-Institut die renommierte Auszeichnung zuerkannte.
Und am Stammsitz von Zeiss in Oberkochen forschen Entwickler bereits an der nächsten Generation der Technik. „Die Arbeiten laufen, die Gebäude stehen“, erklärt Lamprecht. „Wann wir die neue Technik einführen, lässt sich noch nicht absehen, aber wir werden es schaffen.“Schließlich habe Zeiss bereits Milliarden in die nächste EUV-Generation investiert.
Während die Corona-Pandemie in der Halbleiter-Sparte kaum zu spüren war, setzte sie den übrigen Geschäftsbereichen zu. Das Geschäft mit industrieller Messtechnik, das stark an der Auto- und Luftfahrtindustrie hängt, litt im vergangenen Geschäftsjahr genauso wie das Mikroskopie-geschäft. Die Sparte Medizintechnik habe die Umsatzrückgänge durch eine insgesamt stabile Entwicklung bei Verbrauchsmaterialen und Implantaten begrenzt. Wegen des weltweiten Lockdowns sei der Absatz von Brillengläsern und Fernrohren am meisten zurückgegangen, weil die Menschen mehrere Monaten keine Optikerläden besuchen konnten. All das führte dazu, dass nicht nur der Umsatz, sondern auch der operative Gewinn von Zeiss zurückging. Er sank nach Angaben von Zeiss-Finanzchef Christian Müller um rund 13 Prozent auf 922 Millionen
Euro. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung hielt Zeiss dennoch hoch, sie stiegen im Vergleich zum Vorjahr um 15 Prozent auf 812 Millionen Euro. „Das sind 13 Prozent unseres Umsatzes, eine bemerkenswerte Größenordnung, die nur von wenigen Unternehmen übertroffen wird“, sagt Müller. „So wollen wir unsere Stellung als Innovationsführer in den entsprechenden Märkten weiter stärken.“Und natürlich weiter wachsen, wie Lamprecht ergänzt. „Wir gehen für das kommenden Jahr von leicht steigenden Umsätzen aus“, erläutert der Zeiss-Chef. „Ob Zeiss wächst ist keine Frage, der genaue Verlauf hängt allerdings von der Pandemie ab.“
Dass die Zahl der Mitarbeiter – sie stieg im vergangenen Geschäftsjahr weltweit um 2,8 Prozent auf 32201 – schon in Kürze weiter wachsen wird, ist allerdings jetzt schon sicher. Denn Zeiss sucht am Stammsitz in Oberkochen neue Fachkräfte – und zwar für den Aufbau filigraner Strukturen mit großen Maschinen: Zeiss stellt in der Halbleitersparte 600 Mitarbeiter ein.