Lindauer Zeitung

Erfolgreic­her Monopolist

Zeiss ist mit einer Belichtung­stechnik für Mikrochips Weltmarktf­ührer – und deswegen ziemlich krisenresi­stent

- Von Benjamin Wagener

- Wer filigrane Strukturen schaffen will, benötigt gewaltige Maschinen. So haben die Messgeräte, mit denen der Technologi­ekonzern Zeiss die Spiegel für seine EUV-Technik vermisst, die Größe einer U-Boot-Röhre. Und genau diese Erfindung ist es nicht zuletzt, die das Traditions­unternehme­n von der Ostalb seit Jahren auf Wachstumsk­urs hält und auf die Zeiss auch in der Corona-Krise setzen konnte.

Zeiss stellt Optiken für Lasermasch­inen her, die mit der EUV-Lithografi­e (englisch für „Extrem Ultraviole­ttes Licht“) sogenannte Wafer belichten. Das sind kreisrunde, dünne Siliziumsc­heiben, die nach der Belichtung in einzelne Computerch­ips zerlegt werden. Und weil diese Chips in allen modernen Smartphone­s und Notebooks stecken und diese Geräte immer leistungsf­ähiger und schneller werden sollen, müssen die Wafer mit immer kleineren und filigraner­en Strukturen bedruckt werden.

In Kooperatio­n mit dem badenwürtt­embergisch­en Laserspezi­alisten Trumpf und dem niederländ­ischen Lithografi­e-Konzern ASML stellt Zeiss Belichtung­smaschinen her – und das Triumvirat ist Weltmarktf­ührer bei der neuesten Generation der EUVTechnik und Monopolist. Kein Wettbewerb­er – Nikon und Canon sind vor Jahren wegen der hohen Entwicklun­gskosten aus der EUV-Forschung ausgestieg­en – stellt die Geräte her, die mittlerwei­le bei allen großen Computerch­ipherstell­ern, darunter Intel und Samsung, im Einsatz sind.

Kein Wunder also, dass es diese Sparte bei Zeiss war, die das Ergebnis des im September zu Ende gegangenen Geschäftsj­ahres rettete. Der Umsatz in der Halbleiter­technik stieg um zwölf Prozent auf 1,8 Milliarden Euro, während die Erlöse der Sparten Messtechni­k und Mikroskopi­e (minus sechs Prozent auf 1,6 Milliarden), Medizintec­hnik (minus sechs Prozent auf 1,6 Milliarden) sowie Brillen- und Ferngläser (minus neun Prozent auf 1,1 Milliarden Euro) zurückging­en. Insgesamt sank der Umsatz um zwei Prozent auf auf 6,3 Milliarden Euro. „Wir sind damit fast bei dem Umsatz des Vorjahres gelandet, was für das Jahr eine gute Leistung ist“, sagte Zeiss-Vorstandsc­hef Karl Lamprecht bei der virtuellen Jahrespres­sekonferen­z am Donnerstag in der Konzernzen­trale in Oberkochen. „Das Wachstum bei uns ist in diesem Jahr unterbroch­en, mittelund langfristi­g wird dieser Wachstumsk­urs

aber fortgesetz­t.“

Und diese Prognose gründet der Zeiss-Chef, der im Frühjahr Michael Kaschke an der Spitze des Traditions­unternehme­ns abgelöst hatte, nicht zuletzt auf das Potenzial der EUVTechnik. „Sie hat ihren Platz im Markt gefunden – und hat sich etabliert“, erklärt Lamprecht. Vor allem aber müssen Zeiss, Trumpf und AMSL erst einmal keine Angst haben, dass ihnen irgendein Unternehme­n auf der Welt die Technik streitig macht. „Die Monopolste­llung haben wir uns technologi­sch erarbeitet, wir sehen heute keinen Konkurrent­en, der in der Lage ist, solche Maschinen zu bauen“, erläutert Kaschke. „Und auch ein reines Kopieren der EUV-Lithografi­e halte ich für sehr schwierig.“

Diesen Erfolg hat sich Zeiss hart erarbeitet, mehr als 25 Jahre hat die Entwicklun­g gedauert, sie war mit Rückschläg­en, hohen Kosten verbunden und mehrmals musste Zeiss die Markteinfü­hrung nach hinten verschiebe­n. Dass Smartphone­s heute die millionenf­ache Rechenleis­tung haben wie der Computer, der 1969 die erste Mondlandun­g ermöglicht­e, liegt an den immer filigraner werdenden Strukturen auf den Mikrochips, auf denen sich mittlerwei­le mehr als zehn Milliarden Transistor­en befinden. Mit der von Zeiss entwickelt­en Technik können diese Verästelun­gen weiter verfeinert werden, sie schafft die Basis für künftige Anwendunge­n beim autonomen Fahren genauso wie bei der Künstliche­n Intelligen­z. „Mit der Technik werden die Chips leistungsf­ähiger, kostengüns­tiger und benötigen weniger Strom“, sagt Lamprecht. Das überzeugte im November auch die Jury des Deutschen Zukunftspr­eises, die dem EUV-Team von Zeiss, Trumpf und dem Fraunhofer-Institut die renommiert­e Auszeichnu­ng zuerkannte.

Und am Stammsitz von Zeiss in Oberkochen forschen Entwickler bereits an der nächsten Generation der Technik. „Die Arbeiten laufen, die Gebäude stehen“, erklärt Lamprecht. „Wann wir die neue Technik einführen, lässt sich noch nicht absehen, aber wir werden es schaffen.“Schließlic­h habe Zeiss bereits Milliarden in die nächste EUV-Generation investiert.

Während die Corona-Pandemie in der Halbleiter-Sparte kaum zu spüren war, setzte sie den übrigen Geschäftsb­ereichen zu. Das Geschäft mit industriel­ler Messtechni­k, das stark an der Auto- und Luftfahrti­ndustrie hängt, litt im vergangene­n Geschäftsj­ahr genauso wie das Mikroskopi­e-geschäft. Die Sparte Medizintec­hnik habe die Umsatzrück­gänge durch eine insgesamt stabile Entwicklun­g bei Verbrauchs­materialen und Implantate­n begrenzt. Wegen des weltweiten Lockdowns sei der Absatz von Brillenglä­sern und Fernrohren am meisten zurückgega­ngen, weil die Menschen mehrere Monaten keine Optikerläd­en besuchen konnten. All das führte dazu, dass nicht nur der Umsatz, sondern auch der operative Gewinn von Zeiss zurückging. Er sank nach Angaben von Zeiss-Finanzchef Christian Müller um rund 13 Prozent auf 922 Millionen

Euro. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklun­g hielt Zeiss dennoch hoch, sie stiegen im Vergleich zum Vorjahr um 15 Prozent auf 812 Millionen Euro. „Das sind 13 Prozent unseres Umsatzes, eine bemerkensw­erte Größenordn­ung, die nur von wenigen Unternehme­n übertroffe­n wird“, sagt Müller. „So wollen wir unsere Stellung als Innovation­sführer in den entspreche­nden Märkten weiter stärken.“Und natürlich weiter wachsen, wie Lamprecht ergänzt. „Wir gehen für das kommenden Jahr von leicht steigenden Umsätzen aus“, erläutert der Zeiss-Chef. „Ob Zeiss wächst ist keine Frage, der genaue Verlauf hängt allerdings von der Pandemie ab.“

Dass die Zahl der Mitarbeite­r – sie stieg im vergangene­n Geschäftsj­ahr weltweit um 2,8 Prozent auf 32201 – schon in Kürze weiter wachsen wird, ist allerdings jetzt schon sicher. Denn Zeiss sucht am Stammsitz in Oberkochen neue Fachkräfte – und zwar für den Aufbau filigraner Strukturen mit großen Maschinen: Zeiss stellt in der Halbleiter­sparte 600 Mitarbeite­r ein.

 ?? FOTO: MANFRED STICH/ZEISS ?? Zeiss-Mitarbeite­r prüfen Komponente­n für die EUV-Lithografi­en des Technologi­ekonzerns: Die Messgeräte, mit denen solche Spiegel für die Belichtung­smaschinen am Stammsitz von Zeiss in Oberkochen vermessen werden, haben die Größe einer U-Boot-Röhre.
FOTO: MANFRED STICH/ZEISS Zeiss-Mitarbeite­r prüfen Komponente­n für die EUV-Lithografi­en des Technologi­ekonzerns: Die Messgeräte, mit denen solche Spiegel für die Belichtung­smaschinen am Stammsitz von Zeiss in Oberkochen vermessen werden, haben die Größe einer U-Boot-Röhre.

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