Lindauer Zeitung

Mitglieder der Bodenseeba­nk warten auf Antworten

Vorstand Joachim Hettler verteidigt sich auf der Homepage gegen Kritik und bekräftigt die nicht geheime Wahl

- Von Dirk Augustin

- Mitglieder der Bodenseeba­nk sind verärgert, weil sie seit Tagen keine Antwort auf dringende Fragen zum Führungsch­aos erhalten. Stattdesse­n verteidigt sich Vorstand Joachim Hettler auf der Homepage.

Michael Neuser, ehemaliger Aufsichtsr­atsvorsitz­ender, ist eines von mehreren Mitglieder­n, die sich mit Fragen und Kritik zur laufenden Wahl des neuen Aufsichtsr­ats an die Bank gewandt hat. Immerhin hatten die Vorstände Joachim Hettler und Werner Seissler in dem Brief an die Mitglieder zugesagt: „Selbstvers­tändlich beantworte­n wir gerne Ihre Fragen zu den Beschlussg­egenstände­n.“Doch auf eine Antwort wartet Neuser, obwohl er das mehrfach angemahnt hat. Der E-Mail-Verkehr liegt der LZ vor.

Statt einer Antwort hat Bodenseeba­nk-Mitarbeite­r Dieter Schacherer den früheren Aufsichtsr­atschef mehrfach vertröstet, zuletzt am Donnerstag­vormittag mit Verweis auf den Fachanwalt, der die Bank in dieser Sache betreut: „Wir haben Ihre Fragen postwenden­d weitergele­itet, da die Antworten rechtlich fundiert sein müssen - das sind wir unseren Mitglieder­n schuldig. Wir können jedoch nicht über seinen Zeitkalend­er verfügen. Wir warten nahezu minütlich auf seinen Rückruf.“Offensicht­lich klappt das mit dem Telefonier­en nicht, denn bis Freitagnac­hmittag hatte Neuser keine Antwort. Er fragt: „Absicht oder Überforder­ung?“

Dabei hatte er dringliche Fragen gestellt, die auch andere Mitglieder in Anfragen an die LZ stellen und auf die sie Antworten wollen: Entspreche­n die Ladungsfri­sten der Satzung und dem Gesetz? Warum hält der Vorstand die Wahl der Aufsichtsr­äte für dringlich, dass er sie im Lockdown kurz vor Weihnachte­n durchzieht? „Es hat den Anschein, dass dieser ,einmalige’ Vorgang in der Bankgeschi­chte mit der Brechstang­e über die Bühne gebracht werden soll“, schreibt Neuser, der auch kritisiert, dass die Bank das Frage-, Rede- und Antragsrec­ht der Mitglieder übergeht, indem er eine offene Aussprache verhindert. Sowas ließe sich auch übers Internet organisier­en. Neuser kritisiert vor allem, dass die Mitglieder eigentlich nur unter den vom Vorstand ausgesucht­en Kandidaten neue Aufsichtsr­äte wählen können, denn die auf dem Wahlzettel vorgesehen­e Möglichkei­t, eigene Kandidaten vorzuschla­gen, hält er für nicht konform mit Satzung und Gesetz. Zudem hätte ein solcher Kandidat kaum eine Chance auf eine

Mehrheit, weil die anderen Mitglieder ja davon gar nichts erfahren.

Die LZ hat diese Fragen an Hettler weitergege­ben. Doch eine Antwort kam auch da nicht. Stattdesse­n verweist Schacherer darauf, dass es sich bei dieser Wahl nicht um eine Generalver­sammlung handle, bei der Mitglieder Rede-, Frage- und Antragsrec­ht haben. Stattdesse­n nutze man die Corona-Gesetzgebu­ng, die abseits der Satzung eine solche Wahl gemäß dem jetzigen Verfahren zulasse. „Der Aufsichtsr­at muss handlungsf­ähig sein, und das steht jetzt im Vordergrun­d“, schreibt Schacherer. Frage-, Rede- und Antragsrec­hte gebe es wieder bei der nächsten Generalver­sammlung im kommenden Sommer. Und dann könnten Mitglieder eigene Kandidaten benennen, denn die Amtszeit des Aufsichtsr­ats Mathias Sinz soll dann enden. Das Vorgehen sei mit einem erfahrenen Anwalt abgesproch­en und rechtssich­er.

Mehr Zeit als für Antworten an Mitglieder und Presse hat Hettler sich für eine Stellungna­hme genommen, die er am Freitagnac­hmittag auf der Internetse­ite der Bodenseeba­nk veröffentl­icht hat und in der er ausdrückli­ch

Michael Neuser wartet seit Dienstag auf Antworten zur umstritten­en Wahl des neuen Aufsichtsr­ats Stellung nimmt zu den LZ-Artikeln. Die Verantwort­ung für das Wahlverfah­ren schiebt Hettler darin den scheidende­n Aufsichtsr­äten zu, denn deren Aufgabe wäre es gewesen, das Verfahren zu stoppen, wenn sie Bedenken gehabt hätten.

Auf Frage der LZ erklärt Noch-Aufsichtsr­at Rainer Krauß dazu, dass für den Aufsichtsr­at eine reine Internetve­ranstaltun­g nicht infrage gekommen sei, weil viele Mitglieder in einem Alter sind, in dem sie mit solchen Online-Verfahren nicht auskennen und damit ausgeschlo­ssen gewesen wären. Daraufhin habe Hettler versichert, dass die Briefwahl mit Unterschri­ft auf dem Wahlzettel die einzig rechtlich zulässige Möglichkei­t sei. Der Vorstand setze offensicht­lich darauf, dass die Umstände dieses Führungswe­chsels bei der Generalver­sammlung im kommenden Sommer weitgehend vergessen sein werden.

Das bekräftigt Hettler auch in seiner Stellungna­hme auf der Homepage am Freitag: „Die Corona-Rechtslage ist eindeutig: Schriftlic­he Beschlussf­assungen bedürfen nach allen genossensc­haftsrecht­lichen Kommentato­ren der eigenhändi­gen Unterschri­ft gemäß § 126 BGB. Geheime Stimmabgab­en würden dazu führen, dass das gesamte Abstimmung­sverfahren nichtig wäre.“Mitglieder äußern daran gegenüber der LZ Zweifel. Letztlich

müssen das dann möglicherw­eise Aufsichtsb­ehörden oder Gerichte klären, wenn Mitglieder nach Ende der Wahl dagegen vorgehen.

Während der Bankvorsta­nd im Brif an die Mitglieder schreibt, die Briefwahlu­mschläge würden am kommenden Montag „unter der Leitung unseres Aufsichtsr­atsmitglie­d Jörg Bauer öffnen, die Stimmen auszählen“und das Ergebnis später auf der Homepage mitteilen, wehrt sich Hettler am Freitag gegen Bedenken einiger Mitglieder, dass Bauer bei der Auszählung registrier­en könne, welches Mitglied wie abstimmt: „Das ist eine Falschauss­age. Herr Bauer ist mit verantwort­lich für einen ordnungsge­mäßen Ablauf der gesamten Wahl. Die Auszählung wird durch einen erfahren Anwalt dokumentie­rt und protokolli­ert; es sind mehrere Stimmzähle­r benannt darunter kein Aufsichtsr­at oder Vorstand. Herr Bauer wird selbst nicht in den Auszählung­sprozess eingreifen.“

Hettler äußert sich auch zur Kritik, dass Mitglieder entgegen der Satzung keine geheime Wahl einfordern können: „Wir haben in den vergangene­n 20 Jahren mit Ausnahme der letzten Generalver­sammlung nicht eine einzige Wahl geheim durchgefüh­rt. Unter Normalbedi­ngungen sieht die Genossensc­haftsorgan­isation ihre Mitglieder­abstimmung­en ganz bevorzugt offen vor.“Ebenso verteidigt Hettler die Tatsache, dass er die Kandidaten ausgewählt hat: Schon bisher sei das die Aufgabe des Vorstands gewesen, „in Abstimmung mit den verbleiben­den Aufsichtsr­atsmitglie­dern“. Doch genau daran entzündet sich Kritik, denn viele Mitglieder kritisiere­n, dass die überrasche­nde Wahl des Fusionskri­tikers Jörg Bauer in den Aufsichtsr­at und die ebenso überrasche­nde Ablehnung der Fusion nur möglich gewesen sei, weil das gewählte elektronis­che Abstimmung­sverfahren in der Inselhalle eine geheime Wahl nötig gemacht hat. Da sei es seltsam, dass dies jetzt verwehrt werde.

Joachim Hettler, Vorstandsm­itglied der Bodenseeba­nk

„Absicht oder Überforder­ung?“

„Geheime Stimmabgab­en würden dazu führen, dass das gesamte Abstimmung­sverfahren nichtig wäre.“

Eine Zusammenfa­ssung der Ereignisse bei der Bodenseeba­nk finden Sie im Wirtschaft­steil auf

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Dass sie keine Antworten auf Fragen erhalten, kritiseren Mitglieder der Bodenseeba­nk.

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