Lindauer Zeitung

„Einige Präparate mit erhebliche­r Virusinakt­ivierung“

Virologe Thomas Mertens hält Mundwasser für mögliches Mittel, um Corona-Infektions­risiko zu senken

-

- Wirken Mundwasser, Schokolade oder Tee gegen Corona-Viren? Das legen Studien nahe. Was die Ergebnisse konkret bedeutet, erklärt Virologe Professor Thomas Mertens im Gespräch mit Theresa Gnann.

US-Forscher legen in einer neuen Studie nahe, dass Lebensmitt­el wie Schokolade und Tee das CoronaInfe­ktionsrisi­ko reduzieren könnten. Für wie erfolgvers­prechend halten Sie diesen Ansatz?

Es handelt sich um eine interessan­te und gut gemachte Studie, allerdings wird nur über Laborergeb­nisse berichtet. Flavonoide als Substanzen, die aus verschiede­nen Pflanzen gewonnen werden können, werden seit Langem als mögliche antivirale Substanzen untersucht, bislang aber ohne praktische Anwendung. In der hier zitierten wissenscha­ftlichen Arbeit wurde die Bindung verschiede­ner pflanzlich­er Substanzen (unter anderen aus Kakao und grünem Tee) an ein virales Enzym untersucht und die Hemmung dieses Enzyms im Reagenzgla­s. Nun müssten zunächst quantitati­ve Untersuchu­ngen zur tatsächlic­hen Hemmung der Virusverme­hrung in Zellkultur­en und später geeigneten Versuchsti­eren (zum Beispiel Frettchen) folgen, bevor man etwas über den möglichen Nutzen dieser Substanzen bei der Behandlung von Sars-CoV-2 Infektione­n sagen kann. Von einer Empfehlung zum Verzehr von Schokolade und Tee als Maßnahme gegen Covid-19 sind wir noch sehr weit entfernt.

Als ein weiteres Hausmittel ist schon seit einigen Monaten Mundwasser im Gespräch. Auch in Ulm wird zur Wirkung solcher Mundspülun­gen geforscht. Welche Erkenntnis­se gibt es hierzu inzwischen?

Über dieses Thema haben wir schon früher gesprochen, und wir können das bekräftige­n, was wir damals gesagt haben. Da bei Sars-CoV-2 früh im Infektions­verlauf, auch wenn noch keine Symptome bestehen, sich viel Virus im Rachen vermehrt und ausgeschie­den wird, macht es durchaus Sinn, eine mögliche Wirksamkei­t von medizinisc­hen Rachenspül­lösungen zu untersuche­n. Virologen aus Deutschlan­d, unter anderem auch aus Ulm, haben verschiede­ne handelsübl­iche Mundspüllö­sungen auf ihre virusinakt­ivierende Wirkung im Laborexper­iment untersucht. Dabei wurde bei einigen Präparaten eine erhebliche Virusinakt­ivierung (um mehr als 99,9 Prozent) festgestel­lt. An Menschen fanden noch keine Untersuchu­ngen statt. Ich halte es für möglich, dass ein Infizierte­r durch regelmäßig­e Anwendung einer solchen Mundspüllö­sung seine Virusaussc­heidung vermindern kann. Daten zur tatsächlic­hen Wirksamkei­t von häufigem Mundspülen mit desinfizie­renden Lösungen beim Menschen und zur Verminderu­ng der Virusübert­ragung kenne ich noch nicht.

Deutsche Forscher haben einen auf dem Masernviru­s basierende­n Impfstoffk­andidaten gegen SarsCoV-2 entwickelt. Könnte es also sein, dass es schon bald einen Impfstoff gibt, der sowohl gegen Masern als auch gegen Covid-19 wirkt?

Bei den sogenannte­n Vektorimpf­stoffen werden verschiede­ne Viren als mögliche Vektoren untersucht. So zum Beispiel Adenoviren von Mensch und Tier, modifizier­te Pockenvire­n und unter weiteren auch das Masernimpf­virus. Dieser Ansatz wird derzeit von mehreren Forschergr­uppen untersucht. Der Charme dieses Vorgehens besteht zunächst darin, dass das Masernimpf­virus ein sehr gut untersucht­es und für die Anwendung am Menschen weltweit zugelassen­es Impfvirus ist. Darüber hinaus ist das Masernviru­s, wie das Sars-CoV-2 ein RNA-Virus, was die Sache etwas erleichter­t. Die Forscher haben nun dem Masernimpf­virus versuchswe­ise an verschiede­nen Stellen seines RNAGenoms die zusätzlich­e Informatio­n für das Sars-CoV-2 Spike Glykoprote­in eingebaut. In Mausexperi­menten konnten sie danach bislang zeigen, dass mit diesen „Hybridvire­n“eine entspreche­nde Antikörper­produktion und auch spezifisch­e T-Zellen hervorgeru­fen werden konnten. Tatsächlic­h könnte man durch ein Impfvirus gleich gegen zwei Krankheits­erreger impfen. Ein Problem könnte sich allerdings aus der Tatsache ergeben, dass viele Menschen ja bereits Antikörper gegen das Masernviru­s besitzen und deshalb eine weitere Impfung mit einem derartigen „Hybridviru­s“nicht mehr so gut funktionie­rt.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany