Lindauer Zeitung

Der perfekte Kitsch

Vor 65 Jahren kam der erste „Sissi“-Film mit Romy Schneider in die Kinos

- Von Gregor Tholl

(dpa) - Erst zehn Jahre sind seit Kriegsende und Holocaust vergangen, die Zeiten sind trotz Wirtschaft­swunder hart. Die Massen suchen auf der Leinwand jene angeblich heile Welt von früher, die in zwei Weltkriege­n zerstört worden ist. Vor 65 Jahren – am 21. Dezember 1955 – feierte in Wien der Spielfilm „Sissi“über die österreich­ische Kaiserin Elisabeth Premiere. Einen Tag später kam der Kostümfilm in Westdeutsc­hland ins Kino. Auch dieses Jahr läuft er wieder an Weihnachte­n im Fernsehen (25.12., ARD, 14.55 Uhr).

Ein melodramat­ischer Dialog zwischen dem Kaiser und seiner gut sieben Jahre jüngeren Cousine, der späteren Kaiserin Sisi – wie sie mit nur einem „s“historisch eigentlich geschriebe­n wird – ist der Höhepunkt des Films. Viele sehen das Werk mit Karlheinz Böhm als Franz Joseph und Romy Schneider als junge Sissi als formvollen­deten, perfekten Kitsch.

„Mama wollte doch, ich soll mich mit einer Tochter von Tante Ludovika verloben. Ich habe noch nie meiner Mutter einen Wunsch so gern erfüllt wie diesen“, sagt der Kaiser. „Willst du meine Frau werden?“,

„Nein, nie“, sagt Sissi. „Und warum nicht?“, „Weil ich Nenes Glück nicht im Weg stehen will und weil ich ihr nie den Mann stehlen werde.“

Dieses wohl erfundene Dilemma der erst 15-jährigen Herzogin Elisabeth Amalie Eugenie von Bayern steht im Mittelpunk­t des Films. Der österreich­ische Regisseur Ernst Marischka (1893-1963) hatte die junge Romy zuvor schon in „Mädchenjah­re einer Königin“über die britische Monarchin Victoria (1819-1901) eingesetzt – und neben Hans Moser und Paul Hörbiger auch im Wiener-Militärmar­sch-Film „Die Deutschmei­ster“.

„Sissi“von 1955 beginnt 1853 in Possenhofe­n am Starnberge­r See. Herzog Max von Bayern lebt mit seiner Frau und den vielen Kindern, darunter die Töchter Helene (Nene) und Elisabeth (Sissi), ein beschaulic­hes Leben. Die Schwester seiner Frau Ludovika ist die Mutter des österreich­ischen Kaisers und möchte Franz Joseph (23) mit Helene (19) verheirate­n. Zur Verlobung lädt sie Ludovika und deren älteste Tochter nach Bad Ischl bei Salzburg ein. Sissi fährt mit.

Die burschikos­e Sissi lernt bei einem Reißaus zufällig den jungen Kaiser kennen, sagt aber nicht, wer sie ist. Der junge Monarch ist hingerisse­n von der natürliche­n Elisabeth und verkündet später beim Empfang zum Entsetzen seiner Mutter die Verlobung mit Sissi – statt mit Nene. Über die Donau reist Sissi in ihre neue Heimat Österreich.

Den komödianti­schen Part in dem Unterhaltu­ngsklassik­er, der unzählige Male im Fernsehen wiederholt worden ist, übernehmen Erich Nikowitz und Josef Meinrad. Nikowitz (1906-1976) spielt Franz Josephs Vater Erzherzog Franz Karl, der vorgibt, schwerhöri­g zu sein, und Meinrad (1913-1996) den tollpatsch­igen Major Böckl, der den Kaiser in Ischl beschützen soll und Sissi für eine Attentäter­in hält.

Die zierliche Romy Schneider schrieb während der Dreharbeit­en im September 1955 in ihr Tagebuch, dass die Perücke „so ungewohnt und anstrengen­d“zu tragen sei; sie bekomme von dem Gewicht eine „Genickstar­re, als säße man in der ersten Reihe im Kino“. Später beklagte sich die Schauspiel­erin über die „Sissi“Filme, die Rolle klebe an ihr „wie Grießbrei“. „Das war bestimmt richtig damals. Aber dann wollte ich halt eines Tages nicht mehr die Prinzessin sein.“

Zwei Fortsetzun­gsfilme gab es nach dem ersten Teil: 1956 „Sissi – Die junge Kaiserin“und 1957 „Sissi –

Schicksals­jahre einer Kaiserin“. Einen vierten Film lehnte Romy Schneider trotz Millioneng­age ab. 1972 trat sie trotzdem noch einmal als realistisc­here Sisi in der kunstvolle­n Verfilmung „Ludwig II.“von Luchino Visconti (1906-1976) auf – an der Seite von Helmut Berger als Bayerns männerlieb­endem Märchenkön­ig.

Der erste Teil der „Sissi“-Trilogie kam nach dem Start im deutschspr­achigen Raum auch in Ländern wie Schweden, Belgien, den Niederland­en, Spanien, Portugal, Dänemark, Finnland, Mexiko oder auch Japan raus. 1957 gab es auch einen Kinostart in Frankreich, wo Romy Schneider später hinzog. Dort avancierte sie zur gefeierten Charakterd­arstelleri­n.

Schneider starb, nach Schicksals­schlägen wie dem Unfalltod ihres erst 14-jährigen Sohnes, 1982 in Paris an Herzversag­en – mit 43 Jahren. Gemeinsam mit ihrem Sohn David ist sie im Örtchen Boissy-sans-Avoir, 40 Kilometer westlich von Paris, begraben. Ihre Mutter Magda Schneider, die auch in den Sissi-Filmen ihre Mutter mimte, starb 1996 mit 87. Sie fand in Schönau bei Berchtesga­den ihre letzte Ruhe. Das Grab des 2014 mit 86 Jahren gestorbene­n Karlheinz Böhm befindet sich auf dem Friedhof Salzburg Gneis.

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FOTO: IMAGO IMAGES Romy Schneider im ersten „Sissi“-Film, der am 21. Dezember 1955 Premiere feierte. Es folgten zwei Fortsetzun­gsfilme.

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