Flucht und Todesangst
Zehntausende äthiopische Flüchtlinge harren im Sudan aus
(dpa) - Im Flüchtlingslager Um Rakuba sind die Bilder wieder da. Bilder, die die Welt längst vergessen glaubte: Verhärmte Gesichter weinender äthiopischer Mütter und ihrer ausgemergelt wirkenden Kleinkinder, wie sie einst Bob Geldof und andere Musiker zu Benefizkonzerten animierten. An der Grenze zwischen dem Sudan und Äthiopiens Tigray-Region hoffen Zehntausende Flüchtlinge auf Unterstützung – Helfer schätzen ihre Zahl auf knapp 50 000 Menschen. Viele davon berichten von Hunger und Entbehrung, von Angst und Verzweiflung. Die meisten flohen nur mit den Kleidern am Leib.
In Äthiopien herrscht ein blutiger Konflikt. Die Zentralregierung hatte vor fast einem Monat eine Offensive gegen die Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) gestartet und sie inzwischen für beendet erklärt. Hintergrund des Konflikts sind Spannungen zwischen der Region und der Zentralregierung. Die TPLF dominierte Äthiopien mehr als 25 Jahre lang, wurde aber seit 2018 von Ministerpräsident Abiy Ahmed zunehmend rausgedrängt. Viele Menschen in Tigray fühlen sich von der Zentralregierung nicht vertreten und fordern mehr Autonomie.
Auch nach den offiziell für beendet erklärten Kämpfen in Tigray kamen vereinzelt noch Flüchtlinge im Nachbarland Sudan an. Hamdayit, aber auch Hashaba oder Al-Lukdi heißen die Grenzübergänge, über die sich Flüchtlinge in Sicherheit brachten. Auf sudanesischem Gebiet wurden sie zunächst von der dortigen Bevölkerung, später dann von Hilfsorganisationen in Erstaufnahmelagern in Empfang genommen und mit dem Nötigsten versorgt, bevor es weiterging ins Flüchtlingslager Um Rakuba. Aus dem Nichts entstand dort nach sudanesischen Angaben ein Lager für rund 12 000 Flüchtlinge. „Die humanitäre Situation in den Lagern ist aktuell sehr prekär, denn trotz erhöhter Aufnahmekapazitäten sind sie durch den großen Zustrom von Menschen stark überfüllt“, teilte das Deutsche Rote Kreuz mit.
Trotz der Zusicherung der äthiopischen Regierung, dass die Kämpfe vorüber seien, denkt kaum jemand in den Flüchtlingslagern vorerst an eine Rückkehr. Viele der Flüchtlinge äußern sich verbittert über die Regierung in Addis Abeba. Hilfsorganisationen hörten nicht auf, vor einer sich anbahnenden humanitären Katastrophe zu warnen. Die äthiopische Regierung lenkte schließlich ein und vereinbarte mit den Vereinten Nationen, dass wichtige Hilfe für Millionen Menschen in Tigray geliefert werden kann – einschließlich der Flüchtlinge, hatte der Leiter des Norwegischen Roten Kreuzes (NRC), Jan Egeland, erklärt. Die Menschen hätten nun mehr als einen Monat lang ohne jegliche Hilfe ausgeharrt.