Nur einer braucht noch mehr Bayern-Gen
Die Geschichte des Münchner 2:1 bei Bayer schreiben Lewandowski und der traurige Sané
LEVERKUSEN - Pflichtspiel Nummer 48, das letzte des FC Bayern in diesem Kalenderjahr, hätte aus Sicht der Alles-Abräumer nicht symbolhafter für 2020 sein können. Ein 2:1 (1:1) bei Bayer Leverkusen, zu dem Weltfußballer Robert Lewandowski beide Treffer beisteuert. Das Siegtor zur Wiedereroberung der Tabellenführung samt Weihnachtsmeisterschaft (den einzigen Erfolg, für den es ausnahmsweise mal keine Trophäe gab) fiel in der letzten Minute der Nachspielzeit. Bayern ist eben Bayern, „Vizekusen“Leverkusen wird seinem Ruf gerecht und geht nach toller Hinrunde als Zweiter in die kurze Weihnachtspause. RB Leipzig verspielt beim 0:0 gegen Köln Punkte, Borussia Dortmund verliert mit 1:2 bei Union Berlin. Ein bayerisches Festtagswochenende kurz vor dem Fest. Die Münchner signalisieren an der Tabellenspitze: Bitte Abstand halten!
„Das ist der Abschluss, den wir uns alle gewünscht haben. Ein fantastisches Jahr“, sagte Triple-Trainer Hansi Flick glücklich. „Wir haben ein Wahnsinnsjahr gespielt“, lobte Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge und fand: „Der Samstag war für mich der Beweis, dass der Wille und der
Charakter dieser Mannschaft außergewöhnlich sind.“Wie auch die Zahlen: Indem der FC Bayern mit zwei enormen Kraftakten in vier Tagen sowohl Wolfsburg (2:1) als auch Leverkusen die erste Bundesliga-Niederlage der Saison beigebracht hat, konnte man Sieg Nummer 42 im Kalenderjahr verzeichnen – und das im 48. Pflichtspiel. Lediglich fünf Remis und eine einzige Niederlage, das 1:4 Ende September bei der TSG Hoffenheim, stehen nun in den Geschichtsbüchern. Ausgerechnet Uli Hoeneß’ Neffe Sebastian, der TSG-Coach, darf sich Quintuplesieger-Besieger 2020 nennen.
Dennoch bleiben aus Leverkusen zwei Bilder hängen: Leroy Sané (24) auf der Tribüne, in Badeschlappen und mit übereinandergeschlagenen Beinen. Sowie Sané nach Abpfiff auf dem Rasen, mit hängenden Schultern und einer, an der er sich anlehnen konnte, die von Vizekapitän Thomas Müller, der den traurigen 50-Millionen-Euro-Neuzugang des Sommers von Manchester City tröstete. Wegen eines Tiefschlags: In der 32. Minute wurde der Flügelstürmer für den am Oberschenkel verletzten Kingsley Coman (Diagnose: nur eine Zerrung) eingewechselt und nach nur 68 Minuten wieder ausgewechselt. Im Fußballerjargon
die Höchststrafe. Wegen zu vieler Ballverluste, Fehlpässen und schlechten Zweikampfwerten zog Flick die Notbremse. Und erklärte es folgendermaßen: „Ich wollte Musiala bringen. Dann gibt es nur wenige Spieler, die ich auswechseln kann: Müller, Gnabry und Sané. Thomas ist für uns unverzichtbar, Serge hat sich in der zweiten Halbzeit enorm gesteigert. Von daher gab es nur die Option Leroy.“Denn, so Flick knallhart: „Es geht darum, dass die Mannschaft Erfolg hat. Da muss der Einzelne zurückstecken. Er wird es verkraften.“Trostspender Müller erklärte: „Es ist natürlich eine harte Nummer. Ich habe ihm gesagt, dass er daraus nicht Frustration mitnehmen soll, sondern Motivation.“
In bisher 805 Minuten Spielzeit im Bayern-Trikot (also nur rund 50 pro Partie) kommt Sané auf fünf Treffer und drei Torvorlagen, stand lediglich achtmal in der Startelf. Als Joker funktioniert er besser, machte dabei vier seiner fünf Tore. Im Ranking der Flügelstürmer liegt er hinter Coman und Gnabry. Vor allem mit Sanés Arbeit gegen den Ball und der Laufintensität ist Flick nicht zufrieden. Des Müllers Hoffnung: „Leroy arbeitet hart daran, dass der Knoten platzt. Es wird nicht sehr lange dauern, bis wir wieder ganz andere Sachen über Leroy hören.“
Vorerst kommen harsche Töne, die wie eine (letzte?) Warnung klingen. „Wir sind bereit, Leroy zu helfen, aber er muss auch sich selbst fordern, dahin zu kommen, wo er hinkommen will. Seine Fähigkeiten sind unbestritten“, betonte Vorstandsboss KarlHeinz Rummenigge am Sonntag bei „Sport1“und erklärte, was Sané künftig alles muss: „Wir haben alles in die Waagschale gelegt, dass er zum FC Bayern kommt, und das muss er jetzt rechtfertigen. Er muss jetzt den nächsten Schritt machen. Er muss seinen Charakter an den FC Bayern anpassen, das wird er lernen müssen.“Und: „Der liebe Gott hat ihm unglaubliche Talente mitgegeben. Er ist noch nicht so richtig mit dem Bayern-Gen infiziert“, erklärte Rummenigge und verwies auf den Mister FC Bayern, auf Müller, „der vom Talent her nicht so gesegnet ist, aber marschiert ist“.
Der Weg von Leroy Sané (zurück) in die Erfolgsspur: Es wird ein langer Marsch. Womöglich mit leichten Gesäßschmerzen. „Ich bin nach wie vor überzeugt, dass Sané eine erfolgreiche Zeit beim FC Bayern hinlegen kann“, sagte Rummenigge, „notfalls werden wir ihm auch in den Hintern treten.“