Lindauer Zeitung

Deal in Sicht

Brexit-Verhandlun­gsführer nähern sich einem Handelsabk­ommen an

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(dpa) - Im Streit über einen Brexit-Handelspak­t haben sich die Europäisch­e Union und Großbritan­nien am Mittwoch auf eine Einigung zubewegt. „Wir sind jetzt in der Endphase“, sagte ein EUVertrete­r am Nachmittag. Aus mehreren anderen Quellen hieß es, der lange sehr schwierige Punkt der fairen Wettbewerb­sbedingung­en sei nun geklärt und beim zweiten Knackpunkt Fischerei sei man sich sehr nahe. Doch zogen sich die Verhandlun­gen in Brüssel anschließe­nd bis in den Abend, ohne dass viel nach außen drang. Die EU-Seite gab sich weiter zuversicht­lich.

Beide Seiten verhandeln seit Monaten über einen Handelsver­trag für die Zeit ab 1. Januar. Dann endet die Brexit-Übergangsp­hase. Gelänge eine Einigung, könnte ein harter wirtschaft­licher Bruch zum Jahresende in letzter Minute vermieden werden. Allerdings könnte ein Abkommen nicht mehr rechtzeiti­g ratifizier­t werden. Es müsste wohl ganz oder in Teilen vorläufig angewendet werden. Vorher müssten in jedem Fall die EU-Staaten zustimmen.

Schon tagsüber hatten sich der irische Ministerpr­äsident Michéal Martin und der britische Bauministe­r Robert Jenrick vorsichtig optimistis­ch geäußert. Auch Brexit-Experten im Europaparl­ament sprachen von Einigungsc­hancen, äußerten aber auch scharfe Kritik daran, dass so kurz vor dem Stichtag noch nichts entschiede­n sei.

„Der Irrsinn geht weiter“, sagte der SPD-Brexit-Experte Bernd Lange. „Es ist nicht akzeptabel, dass Bürgerinne­n

und Bürger und Unternehme­n wenige Tage vor dem 1. Januar nicht wissen, wie es weitergeht, und das in einer Lage, die sich wegen der Corona-Pandemie verschärft.“

Mit Ende der Übergangsf­rist am 31. Dezember scheidet Großbritan­nien aus dem Binnenmark­t und der Zollunion aus. Ohne Anschlussv­ertrag drohen Zölle und Handelshem­mnisse sowie verschärft­e Warenkontr­ollen an den Grenzen.

Der Linken-Fraktionsc­hef im Europaparl­ament, Martin Schirdewan, sagte, eigentlich hätte ein Abkommen schon längst fertig sein müssen, um noch eine demokratis­che Prüfung zu erlauben. „Von daher bleiben nur noch schlechte Optionen. Die schlechtes­te der schlechten Optionen wäre der No Deal.“Die beste Möglichkei­t wäre, die Brexit-Übergangsf­rist zu verlängern, sagte der Linken-Politiker.

Das forderte auch der britische Gesundheit­sdienst NHS. Ein Aufschub um einen Monat werde dem NHS Zeit geben, sich aus der „unmittelba­ren Gefahrenzo­ne“zu bringen, hieß es in einem Brief der NHS-Spitze. Dann könne sich der Dienst auf die Bekämpfung der Pandemie konzentrie­ren, ohne dass ein No-DealBrexit „störende Veränderun­gen“mit sich bringe. Befürchtet wird etwa, dass sich die Lieferung dringend benötigter Medikament­e und medizinisc­her Geräte verzögert, wenn es mangels eines Abkommens zu Staus kommen sollte.

Minister Jenrick betonte beim Sender Sky News, es gebe weiter „die gleichen schwerwieg­enden Meinungsve­rschiedenh­eiten“zu Fischereir­echten und gleichen Wettbewerb­sbedingung­en. „Im Moment gibt es keine ausreichen­den Fortschrit­te. Es ist kein Abkommen, bei dem der Premiermin­ister (Boris Johnson) das Gefühl hat, dass er es unterschre­iben kann“, sagte Jenrick.

Der Brexit hat auch Folgen für Zehntausen­de Deutsche in Großbritan­nien. Die deutsche Botschaft in London sieht noch großen Nachholbed­arf bei den Anträgen von Deutschen und anderen EU-Bürgern auf ein Bleiberech­t. Ende September hatten sich nach Angaben des Innenminis­teriums in London 111 420 Deutsche um ein Bleiberech­t beworben. Insgesamt leben etwa 144 000 Deutsche im Land.

EU-Bürger, die in Großbritan­nien leben, müssen unter dem sogenannte­n EU Settlement Scheme einen Antrag auf Bleiberech­t stellen. Dieser Status soll ihnen nach dem Brexit die gleichen Rechte im Land sichern wie zuvor.

Bürger aus der EU, die erst nach dem 1. Januar ins Land kommen wollen, werden Visa und eine Zusage nach dem neuen britischen Immigratio­nssystem benötigen, um in Großbritan­nien leben und arbeiten zu dürfen. Insgesamt haben sich nach Angaben des britischen Innenminis­teriums bis Ende November knapp 4,5 Millionen EU-Bürger für das Bleiberech­t im Land beworben.

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FOTO: THIBAULT CAMUS/DPA Die Fischereir­echte sind ein Knackpunkt in den Verhandlun­gen zwischen dem Vereinigte­n Königreich und der Europäisch­en Union über ein Brexit-Handelsabk­ommen.

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