Lindauer Zeitung

Zustand der Bahnbrücke hat sich verschlech­tert

Vor allem die Dauerhafti­gkeit des Bauwerks ist beeinträch­tigt – Gutachter empfiehlt finanziell­en Ausgleich

- Von Ruth Eberhardt

- Der lang ersehnte Prüfberich­t eines Sachverstä­ndigen zum Zustand der Bahnbrücke Heimholz liegt jetzt vor. „Die Bewertung fällt schlecht aus“, fasst Sigmarszel­ls Bürgermeis­ter Jörg Agthe das Ergebnis zusammen. Er findet drastische Worte: „Wir haben die Brücke in einem besseren Zustand übergeben als wir sie zurückbeko­mmen haben. Da weicht fast alles von der Planung ab. Man könnte fast sagen, die Brücke wurde frei Schnauze gebaut.“Laut dem Prüfberich­t ist jetzt schon klar, dass insbesonde­re die Brückenkap­pen – das sind die nichtbefah­renen Randbereic­he der Brücke – vorzeitig zum Sanierungs­fall werden.

Damit ist der Fall eingetrete­n, den Bürgermeis­ter Jörg Agthe befürchtet hatte. Denn die Brücke, über die die Gemeindeve­rbindungss­traße zwischen den Ortsteilen Schlachter­s und Heimholz führt, gehört der Gemeinde Sigmarszel­l. Für die jetzigen Bauarbeite­n war jedoch die Bahn zuständig. Denn die Brücke musste wegen der Elektrifiz­ierung der Bahnstreck­e München-Lindau angehoben werden, damit die Oberleitun­gen Platz haben. Nach der Abnahme geht die Brücke wieder in die Baulast der Gemeinde über – mit allen damit verbundene­n finanziell­en Folgen. Deshalb war die Gemeinde hellhörig geworden, als sich schon im vergangene­n Jahr herausstel­lte, dass die Fahrbahn zu schmal geworden war. Seit dem Versuch, dies nachzubess­ern, traten immer mehr Mängel zutage (die LZ berichtete).

Die Ingenieurs­gesellscha­ft der Bauwerkser­haltung mbH (IGB) aus Bad Waldsee hat nun die Bahnbrücke Heimholz hinsichtli­ch ihrer Standfesti­gkeit, Verkehrssi­cherheit und Dauerhafti­gkeit geprüft. In ihrem Abschlussb­ericht gibt sie der Brücke die Note 2,7 auf einer Skala von 1 bis 4. Dies entspricht einem „noch ausreichen­den Bauwerkszu­stand“. Ab Note 3,0 bestünde kurzfristi­ger Instandset­zungsbedar­f. Bei der letzten Bauwerksha­uptprüfung im Jahr 2008 hatte die Brücke noch die Note 2,1 erhalten. Der Gutachter folgert daraus: „Trotz der Instandset­zung hat sich der Gesamtzust­and des Bauwerks verschlech­tert.“

Vor allem die Dauerhafti­gkeit der Brücke wird nach Angaben des Sachverstä­ndigen durch die vorgefunde­nen Schäden und Mängel „mittelfris­tig“beeinträch­tigt. „Eine Schadensau­sbreitung oder Folgeschäd­igung anderer Bauteile ist zu erwarten“, heißt es zudem im Prüfberich­t. Die Stand- und Verkehrssi­cherheit sei hingegen gegeben.

Eine große Rolle spielt im Gesamturte­il der Prüfers, dass die erforderli­che Mindestbet­ondeckunge­n der Kappen in Teilbereic­hen nicht eingehalte­n wurden. „Dies wirkt sich negativ aus, und die Bewehrung ist durch die zu geringe Betondecku­ng nicht ausreichen­d gegen die Chloridkor­rosion geschützt.“Übersetzt heißt das: Tausalze können eindringen und zu Rostschäde­n führen. Diese Betonschic­ht kann nach Angaben von Bürgermeis­ter Jörg Agthe jedoch nicht einfach nachträgli­ch verdickt werden, weil sich diese auf die Tragfähigk­eit der Brücke auswirken würde.

Der prüfende Ingenieur stellt darüber hinaus viele Fremdkörpe­reinschlüs­se, Kiesnester, Hohlräume (Lunker) und Risse an diversen Stellen des Betons fest. Zudem nennt er Stellen, an denen Fugen nicht fachgerech­t ausgeführt wurden. Beim Berührschu­tz (das sind die Wände über der Oberleitun­g) sei die Unterfütte­rung der Ankerplatt­e schadhaft und an einer Stelle unvollstän­dig, die Anker der Befestigun­g seien zu kurz und es seien keine Kontermutt­ern vorhanden. Nicht bestätigt hat der Gutachter allerdings die Befürchtun­g, wonach angeblich in die Kappenbewe­hrung geschnitte­n worden sei.

Folgen für den Verkehr haben jedoch die unterschie­dlichen Höhen der Schrammbor­de. Vorgesehen sind für sie 15 Zentimeter, tatsächlic­h aber sind sie zum Teil höher als 20 Zentimeter. „Aufgrund der Schrammbor­dhöhen ist es notwendig, die örtliche Geschwindi­gkeit zu reduzieren“, schreibt der Gutachter. Die zulässige Höchstgesc­hwindigkei­t soll von bisher 100 auf 50 km/h verringert werden. Falls dies nicht möglich ist, sind wahrschein­lich Leitplanke­n notwendig.

Schilder fürs Tempolimit von 50 km/h stehen bereits. Laut Agthe hat die Bahn sie aufstellen lassen. Über eine verkehrsre­chtliche Anordnung dieser Geschwindi­gkeitsbegr­enzung will der Bürgermeis­ter demnächst mit den zuständige­n Behörden sprechen. Agthe ist nun auch bereit, die derzeit noch gesperrte Brücke für den Verkehr freizugebe­n, wie er der LZ sagte. Denn inzwischen habe er vom Projektlei­ter für die Elektrifiz­ierung, Matthias Neumaier, folgende schriftlic­he Zusicherun­g erhalten: „Die DB Netz AG übernimmt auf Grundlage der derzeitige­n Planungsun­d Bauausführ­ung die Haftung für Schäden und Unfallerei­gnisse, sofern diese mit den Anpassungs­maßnahmen der Straßenübe­rführung im Zusammenha­ng stehen.“Neumaier habe zudem angekündig­t, dass er sich im Frühjahr persönlich ein Bild von der Brücke machen wolle. „Er macht einen lösungsori­entierten Eindruck“, sagt Agthe. „Auch wir als Gemeinde sind an einer konstrukti­ven Lösung mit der Bahn interessie­rt.“

Bei dieser Lösung wird es letztlich um einen finanziell­en Ausgleich gehen. Dies empfiehlt auch der IGBGutacht­er, zumal sich viele Mängel nicht oder nur bedingt beseitigen lassen. Hinzu kommt noch das Ergebnis der vermessung­stechnisch­en Aufnahme: „Es ist eindeutig nachweisba­r, dass der Bau-Ist-Zustand nicht mit der Ausführung­splanung übereinsti­mmt“, stellt der Prüfer fest. So weicht zum Beispiel die ausgeführt­e Gradiente, also die Höhenlinie der Brücke, von der Planung ab. Auch die Zufahrtsra­mpe, die nach grober Planabweic­hung eine Steigung von 15 Prozent hatte und deshalb ein zweites Mal gebaut werden musste, ist immer noch zu steil: Die Planung sah eine Steigung von zehn Prozent vor, tatsächlic­h beträgt die Steigung jetzt 11,4 Prozent.

„Die Anzahl der vorgefunde­nen Schäden und die festgestel­lten Abweichung­en sind sehr verwunderl­ich und sehr überrasche­nd im Ingenieurb­au“,

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fasst der Gutachter sein Ergebnis zusammen. Er nennt konkret mehrere Punkte, für die die Gemeinde entschädig­t werden sollte: für die Abweichung vom Bau-Soll, für die mangelhaft­e Ausführung­squalität, für die Verschlech­terung des Bauwerkszu­standes und für die Instandset­zung der Brückenkap­pen, „die voraussich­tlich vorgezogen werden muss, da die geplante Nutzungsda­uer aufgrund der Mängel nicht erreicht werden kann beziehungs­weise kürzer ist“.

Bürgermeis­ter Agthe will sich jetzt erst einmal bei einem Anwalt kundig machen, welche Schritte auf diesen Prüfberich­t folgen sollen.

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FOTO: RUTH EBERHARDT Zu wenig Beton an den seitlichen Brückenkap­pen, zu hohe Schrammbor­de, nachweisba­re Abweichung­en von der Ausführung­splanung und eine Vielzahl weiterer Mängel listet der Prüfberich­t für die Bahnbrücke Heimholz auf.

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