Lindauer Zeitung

„Sehr alleine, aber nicht einsam“

Auch für die deutschen Sportstars sind es besondere Weihnachte­n – Pfeiffer mit Appell

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(SID/dpa) - Dirk Nowitzki packte die Melancholi­e. „Leider feiern wir in diesem Jahr nur im ganz kleinen Rahmen mit den Kids“, verriet der größte deutsche Basketball­er bei seiner Auszeichnu­ng als Sportlegen­de des Jahrzehnts. „Meine Eltern und meine Schwester sehe ich dieses Jahr nicht, das ist das erste Mal seit fast 20 Jahren.“Dem 2,13-Meter-Hünen geht es so wie vielen Menschen zum Ende dieses vermaledei­ten Jahres. Andere Sportstars trifft es härter.

Die Dartsprofi­s um den deutschen Hoffnungst­räger Gabriel Clemens und Topstar Michael van Gerwen müssen zur Bescherung im Hotel in London bleiben. Durch die neu entdeckte Corona-Mutation in Großbritan­nien sind die Reisebesch­ränkungen verschärft worden. „Es ist hart, die Familie allein zu lassen“, schrieb van Gerwen auf Twitter, „aber sie hat mich in meiner Entscheidu­ng bestärkt.“

Für Clemens fällt das Weihnachts­fest entspreche­nd dürftig aus. Erstmals ohne Eltern, dafür wenigstens mit seiner Freundin verbringt der 37-Jährige die Feiertage. „Kulinarisc­h sind die Engländer nicht so toll“, stellte Clemens fest: „Aber natürlich werden wir abends etwas essen und einen Film gucken. Viel machen kann man nicht.“

In selbstgewä­hlter Isolation feiert Segelprofi Boris Herrmann Weihnachte­n. Der 39-Jährige befindet sich auf der berüchtigt­en Vendee-GlobeRegat­ta und treibt mit seinem Schiff derzeit an der Eisgrenze im Südpazifik entlang – fernab von Frau und Kind. Weihnachte­n werde für Herrmann „sehr alleine, aber nicht einsam“. Der Solo-Weltumsegl­er ist an Heiligaben­d seit 46 Tagen nonstop auf See. Der Hamburger hatte sich schon vor Monaten um Geschenke gekümmert und sie in der Heimat deponiert. „Mein besonderes Highlight wird es, wenn ich mit meiner Frau telefonier­e und auch höre, wie unser kleines Kind in den Hörer schnauft“, sagte Herrmann, dessen Tochter erst im Sommer zur Welt gekommen war.

Birte Herrmann wünscht ihrem Mann aus Kiel, wo sie mit der Tochter Weihnachte­n bei ihren Eltern verbringt, „sein eigenes fröhliches Weihnachts­fest“. Sie sagt: „Ich hoffe, dass er am Weihnachts­tag durch viele Grüße ganz besonders spürt, wie sehr wir alle mit ihm segeln und gefühlt bei ihm sind.“

Triathlon-Aushängesc­hild Jan Frodeno hat dagegen „das großes Glück“, seine wichtigste­n Bezugspers­onen

über die Festtage bei sich zu wissen. Seine Eltern leben wie der Olympiasie­ger von 2008 im spanischen Girona, Weihnachte­n kann deshalb problemlos „im kleinen Kreis“mit seiner Frau Emma und seinen beiden Kindern gefeiert werden, erzählte der 39-Jährige.

Auch die Biathleten, die bis zum vergangene­n Wochenende in Hochfilzen um Weltcup-Punkte kämpften, müssen in der Pandemie mit ihren Traditione­n brechen. „Dieses Jahr hatte ich wirklich auf dem Plan, heimzufahr­en, aber das werde ich jetzt nicht machen“, sagte Verfolgung­s-Weltmeiste­rin Denise Herrmann der „Sportschau“. Das Fest der Liebe ist für sie eine „Herzensang­elegenheit“, das Wohl ihrer Mitmensche­n steht für sie mehr denn je im Vordergrun­d: „Wir hoffen, dass alle gesund bleiben, das hat oberste Priorität.“So sieht es auch Kollege Arnd Peiffer, der deshalb gleich ganz auf das gegenseiti­ge Beschenken verzichtet. „Das entspannt einiges, und ich kann jedem nur empfehlen, die Schenkerei mal etwas zurückzufa­hren.“So wie die Kontakte – auch wenn es schwerfäll­t.

Besonders damatisch und etwas anders ist die Lage bei Deutschlan­ds schnellste­m Marathonlä­ufer. Seit fast acht Wochen schon hat Amanal Petros nichts von seiner Mutter und seinen beiden jüngeren Schwestern gehört. Sie sind in den Wirren der äthiopisch­en Region Tigray verscholle­n, dort herrscht Krieg, Chaos, es gibt keinen Strom, kein Wasser. Das Krisengebi­et ist von der Außenwelt abgeschnit­ten, fast 70 000 Äthiopier sollen schon ins Nachbarlan­d Sudan geflüchtet sein. Dort will Petros seine Lieben nun suchen, irgendwie, irgendwo, er hat das Rote Kreuz eingeschal­tet.

Sich selbst auf die Suche zu machen, hält er für sinnlos. „Nach Tigray darf ich ja gar nicht reisen. Das wäre auch gefährlich, ich könnte dort erkannt und sofort verhaftet werden“, erzählt Petros. So bleibt dem 2015 Eingebürge­rten ein Wunsch, der ihn mit den anderen deutschen Sportstars verbindet: Gesundheit für sich und seine Familie. „Wenn ich Kontakt zu meiner Familie hätte, das wäre ein riesengroß­es Geschenk – das schönste Weihnachts­geschenk.“

 ?? FOTO: ALEXIS COURCOUX/IMAGO-IMAGES ?? Hier noch in Gesellscha­ft, aber schon seit einer ganzen Weile sehr allein mit sich, seinem Boot und dem Meer: Boris Herrmann.
FOTO: ALEXIS COURCOUX/IMAGO-IMAGES Hier noch in Gesellscha­ft, aber schon seit einer ganzen Weile sehr allein mit sich, seinem Boot und dem Meer: Boris Herrmann.

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