In den Sternen steckt die christliche Botschaft
Lichtblicke in der Dunkelheit und Zeichen der Sehnsucht
Sterne faszinieren. Obwohl unvorstellbar weit weg, sind sie in klaren Nächten doch deutlich zu sehen. Manche Beobachter verbinden mit ihnen Wünsche, besonders wenn sie als Sternschnuppen durch den Nachthimmel flitzen. In diesen Tagen holen sich die Menschen die glitzernden Himmelskörper in ihre Straßen, Wohnungen und Fenster. Sterne als Lichtblicke in der Dunkelheit und als Zeichen der Sehnsucht sind vom Himmel herab in greifbare Nähe gerückt. Darin steckt die christliche Weihnachtsbotschaft.
Der Blick in den Sternenhimmel machte die Menschen aller Zeiten demütig. Verehrten andere Völker im 6. Jahrhundert vor Christus die Gestirne selbst häufig als Gottheiten, heißt es im ersten Kapitel der Bibel, das in dieser Zeit entstand, Gott habe Sonne, Mond und Sterne geschaffen. Wie unendlich groß muss dieser Gott sein, wenn sogar die Gestirne aus seiner Hand kommen? Sie werden nicht vergöttert, sondern sollen ganz praktisch als Lichtquelle und Orientierung dienen.
Wenige Kapitel später im Buch Genesis bekommen Sterne symbolische Bedeutung. Abraham, der verbindende Stammvater von Juden, Christen und Muslimen, zweifelte an seiner ihm von Gott zugedachten
Rolle. Er hatte dafür seine Heimat verlassen und allerhand mitgemacht. Nun war er uralt und immer noch kinderlos. Gott lenkte seinen Blick zum Himmel. So zahlreich wie die Sterne sollen seine Nachkommen sein. Trotz der Vorbehalte bekräftigte Gott sein Versprechen, Abrahams Sehnsucht zu erfüllen.
Und Abraham wurde Stammvater.
Dass Gott seine Zusagen einlöst, das zeigte er bei vielen weiteren biblischen Gestalten. Wie und wann er das macht, stand aber meist in den Sternen und entsprach nicht immer den Erwartungen und Wünschen derer, die die Verheißung erhielten. Die Erfüllung verschob sich aber nie rein auf den Sankt-Nimmerleinstag oder besser gesagt auf die Vollendung der Welt am Ende, sondern ließ sich bereits zu Lebzeiten der Personen zumindest erahnen.
Eine Sternstunde der besonderen Art in ihrem Leben hatten Magier aus dem Osten. Da mit diesem Begriff heute eher Zauberer oder gar Scharlatane bezeichnet werden, verwendet die Einheitsübersetzung beispielsweise „Sterndeuter“. Sie sehen laut der Weihnachtsgeschichte im Matthäusevangelium einen Stern aufgehen und suchen daraufhin den neugeborenen König. Ob sich dabei ein Bezug zum „Stern aus Jakob“herstellen lässt, wie eine alte Vision den Befreier Israels ankündigt, darin sind sich die Bibelausleger nicht einig.
Hinter dieser Erzählung stehen noch weitere Fragezeichen, die die christliche Tradition im Laufe der Jahrhunderte zu beantworten versuchte. Kann man von der Anzahl der Gaben darauf schließen, dass drei Personen unterwegs waren? Musste es sich in Verbindung mit Psalm 72 um Könige handeln, die, wie es dort heißt, vor dem gerechten und weltweit herrschenden Friedenskönig niederfallen und ihre Geschenke bringen? Vertreten sie mit ihrer Hautfarbe die damals bekannten Erdteile und hören auf die Namen Caspar, Melchior und Balthasar? Von all dem steht bei Matthäus nichts.
Auch die Frage, ob sich astronomisch eine Sternenkonstellation rekonstruieren lässt, die die Magier damals zum Aufbruch veranlasste, ist für Christen zweitrangig. Entscheidend bleibt, dass der Stern zu Christus führte. Das geschah nicht direkt. Die Magier landeten auf der Suche nach dem Königssohn zuerst beim Naheliegenden, dem weltlichen König, und wurden enttäuscht. Doch der Stern führte sie weiter in ein unscheinbares Haus. Dort fanden sie den Gesuchten. Sie blieben aber nicht dort, sondern kehrten verändert in ihr Land, in ihr altes Leben zurück.
Auch in diesem Corona-Jahr leuchten an Weihnachten Sterne in den Straßen, Wohnungen und Fenstern. Ein Zeichen, dass Gottes Himmel in Jesus in greifbare Nähe kommt. Ein Zeichen für die menschliche Hoffnung, die Sehnsucht nach Leben und wie bei Abraham für die Zusage Gottes, dass diese sich erfüllt – möglicherweise aber anders und später, als die Menschen es sich vorstellen.
Die Sterne sind ein Zeichen dafür, dass jede und jeder unabhängig von der Herkunft wie die Magier den eigenen Weg zum Christkind finden können, auch wenn das Naheliegende noch nicht zum Ziel führt. Denn bereits in seiner Version der Weihnachtsgeschichte deutet Matthäus auf das Finale seines Evangeliums, in dem sich Jesus an die ganze Menschheit richtet: „Ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“Das gilt nicht nur an den Feiertagen, sondern auch im derzeitigen Alltag mit all seinen Einschränkungen.
Markus Waggershauser ist katholischer Theologe und Journalist und in der Regionalredaktion der Diözese RottenburgStuttgart in Weingarten tätig. Zuvor arbeitete der gebürtige Ravensburger als Pastoralreferent.