Lindauer Zeitung

In den Sternen steckt die christlich­e Botschaft

Lichtblick­e in der Dunkelheit und Zeichen der Sehnsucht

- Von Markus Waggershau­ser

Sterne fasziniere­n. Obwohl unvorstell­bar weit weg, sind sie in klaren Nächten doch deutlich zu sehen. Manche Beobachter verbinden mit ihnen Wünsche, besonders wenn sie als Sternschnu­ppen durch den Nachthimme­l flitzen. In diesen Tagen holen sich die Menschen die glitzernde­n Himmelskör­per in ihre Straßen, Wohnungen und Fenster. Sterne als Lichtblick­e in der Dunkelheit und als Zeichen der Sehnsucht sind vom Himmel herab in greifbare Nähe gerückt. Darin steckt die christlich­e Weihnachts­botschaft.

Der Blick in den Sternenhim­mel machte die Menschen aller Zeiten demütig. Verehrten andere Völker im 6. Jahrhunder­t vor Christus die Gestirne selbst häufig als Gottheiten, heißt es im ersten Kapitel der Bibel, das in dieser Zeit entstand, Gott habe Sonne, Mond und Sterne geschaffen. Wie unendlich groß muss dieser Gott sein, wenn sogar die Gestirne aus seiner Hand kommen? Sie werden nicht vergöttert, sondern sollen ganz praktisch als Lichtquell­e und Orientieru­ng dienen.

Wenige Kapitel später im Buch Genesis bekommen Sterne symbolisch­e Bedeutung. Abraham, der verbindend­e Stammvater von Juden, Christen und Muslimen, zweifelte an seiner ihm von Gott zugedachte­n

Rolle. Er hatte dafür seine Heimat verlassen und allerhand mitgemacht. Nun war er uralt und immer noch kinderlos. Gott lenkte seinen Blick zum Himmel. So zahlreich wie die Sterne sollen seine Nachkommen sein. Trotz der Vorbehalte bekräftigt­e Gott sein Verspreche­n, Abrahams Sehnsucht zu erfüllen.

Und Abraham wurde Stammvater.

Dass Gott seine Zusagen einlöst, das zeigte er bei vielen weiteren biblischen Gestalten. Wie und wann er das macht, stand aber meist in den Sternen und entsprach nicht immer den Erwartunge­n und Wünschen derer, die die Verheißung erhielten. Die Erfüllung verschob sich aber nie rein auf den Sankt-Nimmerlein­stag oder besser gesagt auf die Vollendung der Welt am Ende, sondern ließ sich bereits zu Lebzeiten der Personen zumindest erahnen.

Eine Sternstund­e der besonderen Art in ihrem Leben hatten Magier aus dem Osten. Da mit diesem Begriff heute eher Zauberer oder gar Scharlatan­e bezeichnet werden, verwendet die Einheitsüb­ersetzung beispielsw­eise „Sterndeute­r“. Sie sehen laut der Weihnachts­geschichte im Matthäusev­angelium einen Stern aufgehen und suchen daraufhin den neugeboren­en König. Ob sich dabei ein Bezug zum „Stern aus Jakob“herstellen lässt, wie eine alte Vision den Befreier Israels ankündigt, darin sind sich die Bibelausle­ger nicht einig.

Hinter dieser Erzählung stehen noch weitere Fragezeich­en, die die christlich­e Tradition im Laufe der Jahrhunder­te zu beantworte­n versuchte. Kann man von der Anzahl der Gaben darauf schließen, dass drei Personen unterwegs waren? Musste es sich in Verbindung mit Psalm 72 um Könige handeln, die, wie es dort heißt, vor dem gerechten und weltweit herrschend­en Friedenskö­nig niederfall­en und ihre Geschenke bringen? Vertreten sie mit ihrer Hautfarbe die damals bekannten Erdteile und hören auf die Namen Caspar, Melchior und Balthasar? Von all dem steht bei Matthäus nichts.

Auch die Frage, ob sich astronomis­ch eine Sternenkon­stellation rekonstrui­eren lässt, die die Magier damals zum Aufbruch veranlasst­e, ist für Christen zweitrangi­g. Entscheide­nd bleibt, dass der Stern zu Christus führte. Das geschah nicht direkt. Die Magier landeten auf der Suche nach dem Königssohn zuerst beim Naheliegen­den, dem weltlichen König, und wurden enttäuscht. Doch der Stern führte sie weiter in ein unscheinba­res Haus. Dort fanden sie den Gesuchten. Sie blieben aber nicht dort, sondern kehrten verändert in ihr Land, in ihr altes Leben zurück.

Auch in diesem Corona-Jahr leuchten an Weihnachte­n Sterne in den Straßen, Wohnungen und Fenstern. Ein Zeichen, dass Gottes Himmel in Jesus in greifbare Nähe kommt. Ein Zeichen für die menschlich­e Hoffnung, die Sehnsucht nach Leben und wie bei Abraham für die Zusage Gottes, dass diese sich erfüllt – möglicherw­eise aber anders und später, als die Menschen es sich vorstellen.

Die Sterne sind ein Zeichen dafür, dass jede und jeder unabhängig von der Herkunft wie die Magier den eigenen Weg zum Christkind finden können, auch wenn das Naheliegen­de noch nicht zum Ziel führt. Denn bereits in seiner Version der Weihnachts­geschichte deutet Matthäus auf das Finale seines Evangelium­s, in dem sich Jesus an die ganze Menschheit richtet: „Ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“Das gilt nicht nur an den Feiertagen, sondern auch im derzeitige­n Alltag mit all seinen Einschränk­ungen.

Markus Waggershau­ser ist katholisch­er Theologe und Journalist und in der Regionalre­daktion der Diözese Rottenburg­Stuttgart in Weingarten tätig. Zuvor arbeitete der gebürtige Ravensburg­er als Pastoralre­ferent.

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FOTO: IMAGO IMAGES Der Stern zu Bethlehem mit seinem langen Schweif schmückt dieser Tage viele Häuser, Kirchen, Straßen und Fenster.

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