Lindauer Zeitung

Beide Seiten bewerten Brexit-Deal unterschie­dlich

Europapoli­tiker Lins sieht Großbritan­nien in vielen Punkten als Verlierer – Johnson feiert wiedererla­ngte Freiheit

- Von Benjamin Wagener und Sebastian Borger

- Nach der Einigung auf einen Handelspak­t zwischen der Europäisch­en Union und Großbritan­nien herrscht auf beiden Seiten Erleichter­ung, die Bewertung fällt jedoch unterschie­dlich aus. „Ein Deal ist besser als kein Deal“, sagte der CDU-Politiker Norbert Lins, der im Europaparl­ament dem mächtigen Agraraussc­huss vorsitzt. Den Vertrag bezeichnet Lins im Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“als „eher die härtere Variante des Brexit, aber geregelt“. Mit Blick auf die EU-Produktsta­ndards, das Beihilfere­cht und vor allem den Dienstleis­tungssekto­r, der auch die für London so wichtige Finanzindu­strie umfasst, sei Großbritan­niens Premier Boris Johnson „als zweiter Sieger vom Platz gegangen“.

Baden-Württember­gs Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU) erklärte, dass das „Abkommen für die Unternehme­n ein notwendige­s Maß an Planungssi­cherheit bietet und verlässlic­he und faire Wettbewerb­sregeln garantiert“. Auch von Ulrich Hoppe, Hauptgesch­äftsführer der deutsch-britischen Handelskam­mer, kam ein „Seufzer der Erleichter­ung“. Es „bleibt aber ein Seufzer, denn der Handel über den Kanal wird so oder so schwierige­r und teurer“.

Kurz und bündig fasste Tom Kibasi, früherer Leiter des britischen Thinktanks IPPR, seine Analyse zusammen.

Es sei diesmal so wie bei jeder anderen Handelsver­einbarung: „Der größere Partner setzt sich durch und der kleinere gibt nach.“

Premier Boris Johnson wollte von diesen Einschätzu­ngen am Wochenende nichts wissen. Im Interview mit der Tageszeitu­ng „Telegraph“nannte er die Europäisch­e Union „ein Gefängnis“. Nach der Entlassung werde sein Land endlich die „Freiheit“erlangen und wieder „völlig souverän“sein.

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