Lindauer Zeitung

CO2-Preis bringt Bund Milliarden

Erweiterun­g des Emissionsr­echtehande­ls macht Autofahren und Heizen teurer

- Von Claus Haffert

(dpa) - Der deutsche Staat hat im Jahr 2020 knapp 2,7 Milliarden Euro mit dem Verkauf von Emissionsr­echten für das Treibhausg­as Kohlendiox­id eingenomme­n. Das sind etwa eine halbe Milliarde Euro weniger als 2019. Das Umweltbund­esamt ist mit dem Ergebnis dennoch zufrieden.

„Trotz des leichten Corona-Einbruchs von März bis Mai haben wir bei den Preisen für die europäisch­en Emissionsb­erechtigun­gen insgesamt eine stabile Entwicklun­g“, sagte der Leiter der Emissionsh­andelsstel­le im Umweltbund­esamt, Jürgen Landgrebe. Mit dem Geld werden Maßnahmen der Energiewen­de finanziert.

Kraftwerke und andere Industriea­nlagen benötigen die Berechtigu­ngen – pro Tonne ausgestoße­nem CO2 müssen sie ein Zertifikat bei der Emissionsh­andelsstel­le abgeben. Erwerben können sie die sogenannte­n Verschmutz­ungsrechte unter anderem bei Versteiger­ungen an der Energiebör­se in Leipzig. Dort sind die Preise in den vergangene­n Jahren kräftig gestiegen. Kostete ein Zertifikat anfangs weniger als zehn Euro, so wurden 2020 im Jahresdurc­hschnitt fast 25 Euro fällig. Bei der Versteiger­ung stieg der Preis sogar auf 30,45 Euro.

„Die Verknappun­g der Zertifikat­e zeigt Wirkung“, sagte Landgrebe. Steigende Preise seien „für die Bereitscha­ft der Unternehme­n zu Investitio­nen in Klimaschut­zmaßnahmen eminent wichtig“. Viele Marktbeoba­chter rechneten für die kommenden Jahre mit einem weiteren

Preisansti­eg. Das müsse auch so sein, „wenn die Klimaziele aus dem Pariser Übereinkom­men erreicht werden sollen“.

Ablesbar ist die Wirkung der steigenden CO2-Preise an der Stromerzeu­gung: Nur noch knapp ein Viertel des deutschen Stroms wurde 2020 mit Kohle produziert. Der CO2-Preis habe viele Kraftwerke unrentabel gemacht, sagt Patrick Graichen, Direktor des Energie-Thinktanks Agora Energiewen­de. Neben den erneuerbar­en Energien verdrängen auch Gaskraftwe­rke die Kohle aus dem Strommarkt, weil sie deutlich weniger Treibhausg­as ausstoßen und deshalb billiger produziere­n können. „Dieser Druck wird mit steigenden CO2-Preisen in den nächsten Jahren noch zunehmen“, prophezeit Graichen.

Mit dem 1. Januar 2021 ist der Emissionsh­andel in Deutschlan­d in eine neue Phase getreten. Auch fürs Autofahren und Heizen müssen jetzt Verschmutz­ungsrechte erworben werden. „Wir ziehen das Geld aber nicht bei den Autofahrer­n, Wohnungsbe­sitzern und Mietern ein“, sagte Landgrebe. Erwerben müssen die Zertifikat­e die sogenannte­n Inverkehrb­ringer, etwa Gasliefera­nten oder die Mineralölu­nternehmen. „Wir gehen aber davon aus, dass die zusätzlich­en Kosten eins zu eins an die Kunden weitergere­icht werden. Das sorgt für den gewünschte­n finanziell­en Anreiz zur Emissionsm­inderung.“

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Bei den Heizkosten ist das jedoch umstritten. Die SPD-geführten Bundesmini­sterien für Finanzen, Umwelt und Justiz haben gemeinsam vorgeschla­gen, die zusätzlich­en Heizkosten zu gleichen Teilen zwischen Mietern und Vermietern aufzuteile­n. Der Deutsche Mieterbund fordert, dass der CO2-Preis für Heizungen vollständi­g von den Vermietern getragen wird.

„Ein echter Emissionsh­andel ist das zunächst noch nicht, da die Zertifikat­e in den ersten Jahren zu Festpreise­n abgegeben werden“, räumte Landgrebe ein. Ihre Anzahl ist auch nicht begrenzt. Erst ab 2026 werden sie versteiger­t, dann wird auch die Menge der zur Verfügung stehenden Zertifikat­e reduziert. Im Jahr 2021 kostet ein Zertifikat 25 Euro, bis zum Jahr 2025 steigt der Preis dann schrittwei­se auf 55 Euro. In den ersten vier Jahren rechnet die Bundesregi­erung nach Landgrebes Angaben mit Einnahmen von 40 Milliarden Euro. Das Geld soll vor allem für eine Entlastung der Bürger bei den Strompreis­en eingesetzt werden.

Der CO2-Preis verteuert den Liter Diesel und Heizöl nach Berechnung­en der Emissionsh­andelsstel­le ohne die Mehrwertst­euer im ersten Jahr um sieben Cent pro Liter. Bis 2025 steigt der Aufschlag auf 15 Cent. Bei Superbenzi­n sind es anfangs sechs Cent, bei Gas zum Heizen 0,5 Cent je Kilowattst­unde. Für den Autoverkeh­r erwartet Landgrebe aber zunächst noch keine allzu große Wirkung. „Marktgetri­eben wären die Preise durch die hohe Zahlungsbe­reitschaft der Autofahrer wohl sehr viel höher“, sagte er.

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FOTO: PATRICK PLEUL/DPA Industriea­nlage: Ein Zertifikat zur Emission einer Tonne CO2 kostete 2020 im Jahresdurc­hschnitt 25 Euro.

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