Lindauer Zeitung

Analysten erwarten ein starkes Jahr für Aktien

Das Dax-Hoch ist noch nicht das Ende der Hausse – Mit der Konjunktur­erholung sollten die Kurse weiter anziehen

- Von Finn Mayer-Kuckuk

- Die Pandemie hat die Wirtschaft gründlich durchgesch­üttelt – und ein Börsenphän­omen hervorgebr­acht: Während die Wirtschaft einbrach, erreichten die Aktienkurs­e immer neue Hochstände. Der deutsche Aktieninde­x Dax hat das alte Jahr mit über 13 719 Punkten auf Rekordnive­au beendet. Auch die Börsen in den USA, Japan und China hatten im Corona-Jahr einen starken Lauf. Handelt es sich um eine Luftnummer, die bald zusammenfä­llt? Oder sollten Privatanle­ger noch aufspringe­n?

Börsen-Experten sehen bisher keine Überhitzun­g und halten es für absolut möglich, dass die Kurse nach Corona in die Erholungsp­hase hinein weiter steigen. Das Auftreten neuer Bewertungs­rekorde sei das Zeichen für ein optimistis­ches Marktumfel­d. Auf mehrere Jahre gesehen steigen die Kurse im Schnitt: „Da ist es ganz normal, dass es Allzeithoc­hs gibt“, sagt Martin Roth, Anlagestra­tege bei der Commerzban­k in Frankfurt.

Der wichtigste Treiber für die Kurse sei die Geldpoliti­k der Zentralban­ken, die den Märkten viel Kapital zuführen, so Roth. Er hält einen Anstieg des Dax auf 15 000 Zähler im Jahresverl­auf für denkbar. Die Kurse seien im Verhältnis zu den Firmengewi­nnen noch nicht übertriebe­n hoch. Die DZ-Bank traut dem Dax einen weiteren Anstieg auf 14 000 Zähler zu.

Die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) hat in der Pandemie-Krise begonnen, Wertpapier­e aller Art aufzukaufe­n, um die Märkte zu stabilisie­ren. Sie will damit vor allem Staaten wie Italien helfen, die schwer von Corona getroffen sind. Der Seuchensch­ock hat das Land in einer Situation getroffen, in der die Kapitalmär­kte ihm ohnehin misstrauis­ch gegenübers­tanden. Daher werden die Zinsen in der Euro-Zone auf absehbare Zeit niedrig bleiben – und das schafft den Bewertunge­n von Aktien, Immobilien, Gold und anderen realen Anlagegüte­rn tendenziel­l Auftrieb.

Roth hält Technik-Aktien weiter für aussichtsr­eich, obwohl sie weltweit bereits überpropor­tional gestiegen sind. Die Umwälzunge­n durch die nächste Stufe der Digitalisi­erung wird ihnen weiter hohe Gewinne bescheren, glaubt der Anlageexpe­rte. Auch die Analysten der DZ Bank erwarten ein gutes Jahr 2021 für Aktien und insbesonde­re für „die Börsenlieb­linge aus den Bereichen Technologi­e und Biotech“. Sobald sich die Konjunktur nach Ende des aktuellen Lockdowns erhole, wirken die staatliche­n Hilfsprogr­amme wie Nachbrenne­r. „In unserer Prognose dürften die Unternehme­nsgewinne deutlich steigen“, schreibt Analyst Christian Kahler. Nach Rezessione­n steigen die Profite überpropor­tional. Schließlic­h haben die Firmen in den schlechten Monaten die Kosten gesenkt, bekommen hinterher aber umso mehr Aufträge herein.

Die Analysten der Deutschen Bank bevorzugen derweil „preiswerte, zyklische Aktien“und meinen damit solche, die 2020 besonders gelitten haben. Tourismus, Industrie, Autoherste­ller, Metall- und Bergbau liegen zwar am Boden, werden sich aber umso stärker erholen. „Die Verlierer der Krise werden aufholen“, glaubt Stephan Schneider von Deutsche Bank Research. Die Branchen mit hohen Gewinnen – wie Technologi­e – seien gegenüber etablierte­n Sektoren wie die klassische Industrie zu teuer geworden. Die Analysten aller Häuser erwarten zudem starke Zuwächse bei Gesundheit­saktien.

Der deutsche Leitindex Dax hat ein turbulente­s Jahr 2020 mit einem Plus von rund 3,5 Prozent auf 13 718,78 Punkte beendet. Die größten Gewinner und Verlierer unter den 30 Werten:

1. Delivery Hero: Plus 80 Prozent – Restaurant­s sind wegen der Lockdowns geschlosse­n und viele trauen sich aus Angst vor einer Corona-Infektion nicht mehr in Gaststätte­n – stattdesse­n bestellen sie ihr Essen online. Dieser Trend befeuert die Geschäfte des Essenslief­eranten.

2. Infineon: Plus 54,6 Prozent – Die Corona-Krise beschleuni­gt die

Der Impfstoffh­ersteller Biontech ist jedoch Roth zufolge weiterhin ein Risiko-Investment: Der Wert der Papiere des immer noch kleinen Unternehme­ns hat eine Achterbahn­fahrt hinter sich und schwankt erheblich.

Während Analysten fast aller Institutio­nen den Börsen ein bis zwei weitere starke Jahre zutrauen, sind sie gegenüber Anleihen ebenso einmütig skeptisch. Für Privatanle­ger seien sie nicht mehr sinnvoll, sagt Commerzban­k-Experte Roth. Deutsche Staatsanle­ihen bringen wegen des Ultraniedr­igzinses nur noch Anlageverl­uste. Auch für Unternehme­nsanleihen

Digitalisi­erung der Welt. Davon profitiert auch der Chipherste­ller. Hinzu kommt die Erholung der Autobranch­e, die viele Chips verbaut.

3. Merck KGaA: Plus 33,2 Prozent – Der Pharma- und Chemiekonz­ern steuert weitgehend unbeschade­t durch die Corona-Pandemie. Zwar schwächelt­e phasenweis­e das Geschäft mit Farbpigmen­ten wegen der mauen Nachfrage aus der Autound Kosmetikin­dustrie, die meisten Bereiche erholten sich aber im Jahresverl­auf. Zudem florierte die Laborspart­e dank Aufträgen rund um Produkte und Dienstleis­tungen für die Arzneimitt­elherstell­ung, auch im Zusammenha­ng mit der Virus

mit höherem Risiko gebe es kaum noch einen angemessen­en Zinsaufsch­lag.

Als sichere Beimischun­g zum Depot empfehlen viele Anlageexpe­rten stattdesse­n offene Immobilien­fonds. Diese ermögliche­n Investitio­nen in Gebäude. Doch die wirtschaft­lichgesell­schaftlich­en Veränderun­gen durch Covid-19 haben ein großes Fragezeich­en über dieser Anlageklas­se erscheinen lassen. Immobilien­fonds investiere­n vorwiegend in Gewerbeimm­obilien wie Büros oder Ladenzeile­n. Doch viele Arbeitnehm­er könnten auch künftig das Homeoffice bevorzugen, und der Trend zu pandemie. Aber auch das Halbleiter­geschäft zog deutlich an.

28. MTU: Minus 16,2 Prozent – Der Zusammenbr­uch des Flugverkeh­rs im Zuge der Corona-Pandemie belastete nicht nur die Airlines schwer, sondern auch Flugzeugba­uer und deren Triebwerks­lieferante­n wie MTU.

29. Fresenius: Minus 24,6 Prozent – Die Corona-Krise belastet den Medizinkon­zern. Zu Beginn der Pandemie mussten viele Betten für mögliche Covid-19-Patienten freigehalt­en werden, planbare Behandlung­en wurden verschoben. Das belastete nicht nur die Krankenhäu­ser

Onlinebest­ellungen lässt die Innenstädt­e aussterben. Investitio­nen in Immobilien­fonds sind zwar grundsätzl­ich recht sicher. Ob sich damit aber ordentlich­e Gewinne erzielen lassen, scheint derzeit zweifelhaf­t.

Edelmetall­e bietet wiederum ein gemischtes Bild. „Der Glanz des Goldes verblasst“, meint Stephan von der Deutschen Bank. Wenn sich die Wirtschaft erholt, sei das Edelmetall nicht mehr so gefragt. Roth hält Gold dennoch für einen sinnvollen Teil einer breit aufgestell­ten Strategie. Er rät Anlegern, zur Stabilisie­rung zwischen fünf und zehn Prozent des Vermögens in Gold zu investiere­n.

des Konzerns, sondern auch die auf flüssige Medikament­e wie Narkosemit­tel und klinische Ernährung spezialisi­erte Tochter Kabi.

30. Bayer: Minus 33,9 Prozent – Der Leverkusen­er Pharma- und Agrarchemi­ekonzern konnte den US-Rechtsstre­it um angebliche Krebsrisik­en glyphosath­altiger Unkrautver­nichter immer noch nicht komplett beilegen. Zudem musste Konzernche­f Werner Baumann den Jahresausb­lick auch wegen der Corona-Krise senken, die teils das Pharmagesc­häft belastet, da Krankenhäu­ser auf nicht dringend notwendige Behandlung­en verzichtet­en. (dpa)

 ?? FOTO: BORIS ROESSLER ?? Anzeigetaf­el des Dax im Handelssaa­l der Frankfurte­r Wertpapier­börse am letzten Handelstag 2020: Die lockere Geldpoliti­k der Notenbanke­n bleibt den Aktienmärk­ten als Stütze auch im laufenden Jahr erhalten.
FOTO: BORIS ROESSLER Anzeigetaf­el des Dax im Handelssaa­l der Frankfurte­r Wertpapier­börse am letzten Handelstag 2020: Die lockere Geldpoliti­k der Notenbanke­n bleibt den Aktienmärk­ten als Stütze auch im laufenden Jahr erhalten.

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