„Keine Kriegs- und Katastrophen-Medizin“
Klinikverbund Allgäu: Lage der Covid-19-Patienten ist angespannt, aber beherrschbar
- Manche Politiker greifen zu drastischen Worten, wenn sie die Situation an deutschen Krankenhäusern schildern. Dort herrschten wegen der vielen Covid-19-Patienten Zustände wie in Kriegszeiten. Das gilt jedoch nicht für die fünf Häuser des Klinikverbundes Allgäu: „Wir machen trotz der zusätzlichen Belastung keine Kriegs- und Katastrophen-Medizin“, sagt Dr. Martin Fiedermutz, Ärztlicher Direktor innerhalb des Verbundes für die Krankenhäuser in Oberstdorf, Sonthofen und Immenstadt. Wer krank ist, werde auch behandelt.
Das ist der Stand jetzt. Aber was passiert, falls weitere schwere Corona-Fälle hinzukommen? „Wir haben natürlich einen Pandemie-Plan“, versichert Fiedermutz. Am Wochenende ist in Immenstadt einer der Aufwachräume in eine Überwachungsstation umfunktioniert worden mit zunächst vier und bei Bedarf dann acht weiteren Intensiv-Betten. Insgesamt hatte das Krankenhaus zuvor 16 Betten auf der Intensiv-Station. Neun davon sind mit Covid-Patienten belegt, von denen wiederum fünf beatmet werden und einer sogar an der künstlichen Lunge hängt.
„Dass Menschen beatmet werden und manche sterben, haben wir sonst auch“, sagt Fiedermutz. Das Besondere an der jetzigen Situation ist, dass es einfach viel mehr solcher Patienten gibt als vor der Pandemie. Das fordert natürlich das Pflegepersonal enorm. Um Entlastung zu schaffen, hat das Krankenhaus Immenstadt seit dem Frühjahr im Intensiv-Bereich zehn weitere Pflegekräfte bekommen. Dort arbeiten jetzt in drei Schichten rund um die Uhr 52 examinierte Pflegerinnen und Pfleger, 39 davon in Vollzeit. Auch wurden Kapazitäten geschaffen, indem die fünf OP-Säle auf zwei reduziert wurden. „Aber es werden keine wichtigen Operationen verschoben“, sagt Fiedermutz. Um die Ansteckungsgefahr mit dem neuartigen Virus zu vermeiden, ist auf der Intensivstation der Bereich der Covid-Patienten isoliert worden. Damit müssen in dieser „Kohorte“genannten Zone die Pfleger nicht ständig zwischen den Covid-Patienten und den anderen intensiv zu betreuenden Menschen
Martin Fiedermutz
wechseln.
Überhaupt ist Fiedermutz, der auch Chefarzt für die Anästhesie und Intensiv-Medizin ist, davon überzeugt, „dass man sich auf einer privaten Feier eher ansteckt als auf der Intensivstation“.
Die Verweildauer von Covid-Patienten im Krankenhaus schwankt je nach Schwere des Verlaufs zwischen einem Tag und zehn Wochen. Und es trifft eben nicht nur die alten Menschen mit Vorerkrankungen. Vor wenigen Tagen wurde in Kempten eine 33-jährige Mutter von drei Kindern mit schweren Covid-Symptomen in die Klinik gebracht. „Viele Menschen verharmlosen das Virus“, sagt Florian Leier, Referent der Pflegedirektion, „weil sie es nicht sehen, und weil sie auch nicht mitbekommen, was auf der Intensivstation los ist“. Die wenigen Besucher, die noch rein dürfen auf die Intensivstation, seien hinterher oft erschüttert.
Bis der neue Impfstoff Wirkung zeigt, wird es nach Ansicht von Fiedermutz und Leier noch Monate dauern. Deshalb sei nach wie vor die Vermeidung von Kontakten der beste Schutz. Darum ihr Appell: „Bleiben Sie zu Hause.“Die Häuser des Klinikverbunds seien noch weit weg von der Triage – also der Situation, dass Ärzte entscheiden müssen, wer beatmet wird und wer nicht. Aber das habe am Ende die Bevölkerung durch ihr Verhalten selbst in der Hand, so Leier.
„Dass Menschen beatmet werden und manche sterben, haben wir sonst auch.“