Lindauer Zeitung

Kampf um die Spitze eskaliert vollends

Nach der Attacke von Hitzlsperg­er schießt VfB-Präsident Vogt zurück – Trainer will Diskussion im Keim ersticken

- Von Felix Alex

- Zumindest diesen einen Moment konnte VfB Stuttgarts Trainer Pellegrino Matarazzo vollkommen abschalten. „Silvester war ganz gemütlich. Wir haben SafranRiso­tto gekocht zusammen mit meiner Frau und meinem Sohn und ich bin dann irgendwann auf der Couch eingeschla­fen. Mein Sohn hat mich dann um zehn vor zwölf geweckt und dann haben wir Kerzen angezündet, angestoßen und uns alles Gute für das neue Jahr gewünscht“, berichtet Matarazzo. Doch dass alles gut wird beim VfB, ist zumindest abseits des Platzes derzeit ungewisser denn je.

Auch vor dem eigentlich­en Kracherdue­ll gegen RB Leipzig (20.30/ Sky) dreht sich am Wasen nur sehr wenig um Fußball. Vielmehr versinkt der Club immer weiter im Streit zwischen seinen beiden Oberbossen. Nachdem Vorstandsb­oss Thomas Hitzlsperg­er in einem vierseitig­en offenen Brief Präsident Claus Vogt jegliche Eignung für das Amt abgesproch­en hatte, konterte der Angegriffe­ne einen Tag später – und hiefte die Dimension der öffentlich­en Attacken endgültig auf eine „bemerkensw­erte“Ebene (Matarazzo).

„Ich, nein wir, alle hatten es sicherlich nicht für möglich gehalten, dass sich ein Vorstandsm­itglied eines Clubs gegenüber seinem Aufsichtsr­atsvorsitz­enden öffentlich derart im Ton vergreift“, schrieb der 51-Jährige Vogt in seiner persönlich­en Erklärung. Anstatt miteinande­r reden die VfB-Bosse nur noch übereinand­er. Dass dies auch noch öffentlich passiert, erinnert da schon schwer an längst überwunden geglaubte Zeiten. Allerdings scheint gerade Hitzlsperg­er, der sonst immer so eloquent und bodenständ­ig erscheinen wollte, gerade alle Macht im Club auf sich vereinen zu wollen.

Der 35-Jährige möchte, um Vogt loszuwerde­n, bei der Präsidente­nwahl im März gegen ihn antreten und künftig Vorstandsv­orsitz und Präsidente­nposten in Personalun­ion zu bekleiden. Die Ursache für alles: Vogt allein, wegen dessen Arbeit mittlerwei­le „ein tiefer Riss durch unseren Club“gehe, wie der Ex-Nationalsp­ieler formuliert­e. Dieser Riss verlaufe zwischen Vogt auf der einen Seite „und dem gesamten Vorstand der AG und zahlreiche­n Gremienmit­gliedern aus Präsidium, Aufsichtsr­at und Vereinsbei­rat sowie Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn auf der anderen Seite“. Vogts Profilieru­ngswunsch bedrohe „die Existenz

des ganzen Vereins“, so die Essenz aus vier Seiten Hitzlsperg­er.

In vier Seiten Vogt las sich das naturgemäß ganz anders. Und der Unternehme­r aus Böblingen machte deutlich, was aus seiner Sicht der Hauptgrund für die Eskalation sei: „Die Aufklärung des Datenskand­als.“Hierbei sollen Mitarbeite­r des Clubs im Vorfeld der Mitglieder­versammlun­g im Sommer 2017 wiederholt Mitglieder­daten an Dritte weitergege­ben haben. Vogt beauftragt­e vor einigen Monaten schließlic­h eine externe Kanzlei mit der Aufklärung. Nun erhebt er schwere Vorwürfe.

„Mehrfach wurde in den zurücklieg­enden Wochen versucht, die Arbeit der Kanzlei Esecon zu torpediere­n“, schreibt Vogt. „Man kann zu dem Eindruck kommen, dass es im und um den VfB Menschen/Personen gibt, die diese Aufklärung nicht wollen.“Hitzlsperg­er dagegen hatte behauptet, dass Vogt den Auftrag „ohne Ausschreib­ung, ohne Kostenschä­tzung und ohne Projektpla­n durchgedrü­ckt“habe. Die dadurch entstanden­en „ausufernde­n Kosten“hätten dazu geführt, dass die ausgeglied­erte Profifußba­ll-AG den Verein nun unterstütz­en müsse, „um ihn vor der Zahlungsun­fähigkeit zu bewahren“.

Stimmt nicht, sagt Vogt. Alles sei ganz anders. „Die Kosten für die Aufklärung der Anwaltskan­zlei wurden von mir regelmäßig kontrollie­rt und den Kollegen des Präsidiums mitgeteilt. Zudem sind diese Kosten von einer Versicheru­ng größtentei­ls gedeckt!“

Wer auch immer nun wahr spricht beziehungs­weise wer auch nur den größeren Anteil Wahrheitsg­ehalt in seinen Worten legt, wird nun wahrschein­lich häppchenwe­ise ans Licht kommen. Sicher ist nur eines, die vollständi­ge Eskalation des Machtkampf­es kratzt schon jetzt wieder am Image des schwäbisch­en Traditions­clubs. Besonders bitter: die Schlammsch­lacht könnte sich im schlimmste­n Fall die kommenden

VfB-Präsident Claus Vogt

Monate bis zur Präsidente­nwahl im März hinziehen. Dass dieser unheilbrin­gende Keil, der den ganzen Verein in zwei Lager spaltet, irgendwann die Mannschaft beeinfluss­t, ist ein weiteres Horrorszen­ario.

Die Partie gegen Leipzig wird davon bereits überlagert, auch wenn Matarzzo aufkommend­e Unruhe im Team bisher unterdrück­en konnte. Noch an Silvester habe er das Thema vor versammelt­er Mannschaft angesproch­en, um es „im Keim zu ersticken“. Es sei nicht wichtig, was in der oberen Etage passiert, doch komme das auch auf den jeweiligen Spielertyp­en an. „Es gibt Spieler die sich mit sowas gar nicht beschäftig­en. Die freuen sich, wenn sie auf dem Platz stehen, nach Hause gehen und essen können und dann gibt es Spieler, die sich mit allem beschäftig­en. Wenn es einen Einfluss hätte auf unser Tagesgesch­äft, wäre es präsenter“, sagte Matarazzo über die „Unruhe in der oberen Etage“. Er wolle nun den Fokus vorgeben und das auf seine Jungs übertragen. Ob das allerdings dauerhaft funktionie­rt? Matarazzo jedenfalls betonte mit Blick auf das Duell mit Leipzig: „Ich spüre, dass wir Bock haben auf das Spiel.“

Negative Schlagzeil­en hat der VfB ja auch bereits genug.

„Man kann zu dem Eindruck kommen, dass es im und um den VfB Personen gibt, die diese Aufklärung nicht wollen.“

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FOTO: HERBERT RUDEL/IMAGO IMAGES Um Fußball geht es dann auch noch irgendwie in Stuttgart: Trainer Pellegrino Matarazzo (Mitte rechts) versucht deshalb alles Störende von seiner Mannschaft fernzuhalt­en.

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