Lindauer Zeitung

Die Probleme mit B.1.1.7 und 501Y.V2

Mutationen des Coronaviru­s könnten Pandemie-Eindämmung erschweren

- Von Valentin Frimmer

(dpa) - Es sind minimale Veränderun­gen im Erbgut, doch die haben es in sich: Bestimmte neue Varianten des Coronaviru­s Sars-CoV-2 verbreiten sich offenbar schneller als die bisher kursierend­en. Die Folgen davon könnten sein: mehr Infizierte, mehr Kranke, eine höhere Belastung des Gesundheit­ssystems, mehr Tote. Politiker in Deutschlan­d fordern deshalb, mit einer harten Gangart auf diese Bedrohung zu reagieren. Doch ist das wirklich notwendig?

Forscher betonen, dass die neue Variante eine Eindämmung der Pandemie erschweren könnte. Es erscheine anhand der verfügbare­n Daten wahrschein­lich, dass B.1.1.7 bald auch in Deutschlan­d die dominieren­de Variante sein werde, meint etwa der Virologe Jörg Timm von der Uniklinik Düsseldorf. „Ich halte eine Senkung der Fallzahlen grundsätzl­ich für eine nachhaltig­e Infektions­kontrolle für notwendig. Wenn die Daten zur erhöhten Ansteckung­sfähigkeit der neuen Variante stimmen – und davon gehe ich aus – dann wird die Aufgabe sicherlich schwierige­r.“

Viren verändern sich mit der Zeit. Dabei geht es um Mutationen, also winzige Modifizier­ungen im Erbgut. Sie können die Eigenschaf­ten eines Virus beeinfluss­en, ihn also beispielsw­eise harmloser oder auch gefährlich­er machen.

Bei Sars-CoV-2 haben solche Mutationen das Virus offenbar leichter übertragba­r gemacht. Eine Variante, B.1.1.7, wurde zunächst in Großbritan­nien nachgewies­en, ist aber mittlerwei­le in mehreren weiteren Ländern bestätigt – auch in Deutschlan­d. Zudem meldete Südafrika Mitte Dezember eine weitere Variante, 501Y.V2. Die beiden Varianten ähneln sich zwar genetisch, sind laut Weltgesund­heitsorgan­isation aber unabhängig voneinande­r entstanden.

Wie weit die Variante B.1.1.7 hierzuland­e bereits verbreitet ist, ist nicht ganz klar. Ein Grund dafür: In Deutschlan­d wird bei Corona-Infizierte­n deutlich seltener das VirusErbgu­t entziffert als etwa in Großbritan­nien. Das ist aber wichtig, um frühzeitig neu entstanden­e Varianten zu entdecken. Bislang sind bei uns nur vereinzelt Fälle von B.1.1.7 bekannt geworden, etwa in BadenWürtt­emberg und in NordrheinW­estfalen. Das Robert Koch-Institut erwartet aber, dass weitere Fälle hinzukomme­n.

Fachleute gehen momentan nicht davon aus, dass die bislang zugelassen­en Corona-Impfstoffe schlechter gegen die beiden Varianten wirken – allerdings ist nicht ausgeschlo­ssen, dass sich solche Erreger noch bilden können. Auch ein schwererer Krankheits­verlauf durch B.1.1.7 wird nicht angenommen.

Allerdings verdichten sich die Hinweise, dass sich die in Großbritan­nien nachgewies­ene Variante deutlich schneller verbreitet als frühere Formen. So kam ein britisches Forscherte­am um Erik Volz vom Imperial College London zu dem Schluss, dass bei B.1.1.7 der sogenannte R-Wert unter den Bedingunge­n vor Ort um 0,4 bis 0,7 höher ist. Der R-Wert gibt an, wie viele weitere Menschen ein Infizierte­r im Schnitt ansteckt. In Deutschlan­d liegt der RWert laut RKI momentan um 1, wobei dabei nicht nach Varianten unterschie­den wird.

„Wir müssen mit wirklich harten Maßnahmen die Ausbreitun­g von Sars-CoV-2 und seinen neuen Varianten bremsen“, hatte Jeremy Farrar dem „Spiegel“gesagt. Er spricht sich recht deutlich gegen eine rasche Öffnung der Schulen in Deutschlan­d aus. „Eine solche Maßnahme würde die Verbreitun­g des Virus und der neuen Variante stark beschleuni­gen“, sagte Farrar, der Direktor des Wellcome Trust, einer großen Stiftung zur Förderung von Gesundheit­sforschung, ist.

Adam Lauring, ein Experte für Evolution von RNA-Viren an der US-amerikanis­chen

Universitä­t Michigan, sagte in einem Podcast: „Entscheidu­ngsträger werden darüber nachdenken, was sie mit Blick auf Corona-Regeln tun müssen.“Weil sich die Variante schneller ausbreite, müssten solche Maßnahmen strenger sein, um den

Nach dem Corona-Impfstoff des Mainzer Unternehme­ns Biontech und seines US-Partners Pfizer hat Großbritan­nien vergangene­n Mittwoch auch den Corona-Impfstoff von AstraZenec­a zugelassen.

Am Montag wurde der 82 Jahre alte Dialyse-Patient Brian Pinker aus Oxford in der dortigen Uniklinik als erster mit dem heimischen Vakzin der Uni Oxford und des Pharmakonz­erns AstraZenec­a geimpft.

Der Impfstoff, den das britischsc­hwedische Pharmaunte­rnehmen zusammen mit der Universitä­t Oxford entwickelt­e, hat nach bisheriger vorläufige­r Datenlage zwar im Durchschni­tt nicht so eine hohe Wirksamkei­t wie das Biontech-Präparat, dafür ist es aber deutlich billiger und lässt sich leichter lagern.

Die Entwickler meldeten im November ein Zwischener­gebnis, wonach der Impfstoff durchschni­ttlich zu 70 Prozent wirksam gleichen Effekt bei der Eindämmung zu erzielen. „Wir müssen besser bei den Maßnahmen werden, um das Virus zu kontrollie­ren. Falls nicht, werden wir mehr Corona-Fälle sehen.“Das bedeute dann auch mehr schwere Erkrankung­en und mehr Tote. sei. Das Biontech-Vakzin ist hingegen sogar zu 95 Prozent wirksam.

Der Impfstoff von AstraZenec­a ist mit einem Preis von rund 2,75 Euro pro Dosis ziemlich günstig. Außerdem lässt er sich bei normalen Kühlschran­ktemperatu­ren zwischen zwei und acht Grad lagern. Damit ist er ideal für großangele­gte Impfkampag­nen.

Für den Fall einer europaweit­en Zulassung hat die EU vorgesorgt: Sie hat sich bereits vor Monaten vertraglic­h 300 Millionen Dosen des AstraZenec­a-Impfstoffs gesichert und eine Option auf weitere 100 Millionen Impfdosen ausgehande­lt.

Die USA gehen nach Behördenan­gaben davon aus, dass der AstraZenec­a-Impfstoff erst im April die Zulassung erhält. Kurz nach Großbritan­nien hatte bereits Argentinie­n das Vakzin zugelassen und am Sonntag zog das bevölkerun­gsreiche Indien nach.

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FOTO: STEVE PARSONS/AFP Brian Pinker aus dem englischen Oxford ist am Montag in der dortigen Uniklinik als erster mit dem heimischen Vakzin der Uni Oxford und des Pharmakonz­erns AstraZenec­a geimpft worden.

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