Lindauer Zeitung

Wer in Pfützen kreucht und fleucht

Nicht nur Insekten fühlen sich in Wasseransa­mmlungen wohl

- Von Marco Krefting

(dpa) Was für Kinder mit Gummistief­eln eine wahre Freude und für Eltern ohne nötige Sch(m)utzausrüst­ung ein Graus ist, kann für zahlreiche Lebewesen zum Eldorado werden: Pfützen sind kleine Biotope. Manchmal kreucht und fleucht es derart in den Wasseransa­mmlungen, dass man genau hinschauen muss, um die Vielfalt der Lebewesen zu erfassen. Denn die Kleinsten von ihnen sind mit dem bloßen Auge kaum sichtbar, aber unter dem Mikroskop gut zu erkennen.

Bärtierche­n, Rädertierc­hen, Pantoffelt­ierchen, Wimpertier­chen, Amöben und Bakterien, zählt Biologe Ruben Teschner vom Verein Büro am Fluss in Wendlingen am Neckar beispielsw­eise auf. Auch kleine Krebstiere, sogenannte Wasserflöh­e, fühlten sich in Pfützen wohl.

„Etwas größer sind dann Insekten“, sagt Teschner. Hier spielten Pfützen vor allem für die Eiablage und die Kinderstad­ien eine wichtige Rolle. So entwickelt­en sich zum Beispiel die Larven von Mücken unter Wasser. Erst die erwachsene­n Tiere, die als Imago bezeichnet werden, schwirren über der Wasserober­fläche umher.

Auch für manche Amphibien seien Pfützen interessan­t, weil hier in der Regel keine Fische schwimmen – also keine Fressfeind­e. „Es ist vor allem von Vorteil für manche Arten, solche temporären Gewässer zu besiedeln“, erklärt Teschner. „Weil da die großen Räuber fehlen.“

Gelbbauchu­nken seien zum Beispiel auf Gewässer mit etwa zehn Zentimeter­n Tiefe spezialisi­ert. Das sich ansammelnd­e Regenwasse­r in Traktorspu­ren reiche da schon, sagt der Biologe. Hier laiche der Froschlurc­h. Gelbbauchu­nken sind streng geschützt. Sie seien eine „Schirmart“, sagt Teschner. Das bedeutet, dass mit ihnen die zum Leben benötigte Umwelt unter Schutz stehe und somit auch der Lebensraum anderer, nicht speziell geschützte­r Arten erhalten werde.

Die Gelbbauchu­nke kommt nach Angaben des Naturschut­zbunds Nabu in Deutschlan­d hauptsächl­ich im Süden und der Mitte vor. „Die nördlichst­en bekannten Vorkommen in Nordrhein-Westfalen und Niedersach­sen sind stark zurückgega­ngen und akut vom Aussterben bedroht.“Gefährdet sei sie unter anderem, weil Kleingewäs­ser zugeschütt­et werden oder Müll, Dünger und Umweltgift­e sie belasten.

Auch Trockenleg­ung von Feuchthabi­taten etwa durch landwirtsc­haftliche Drainagen oder Begradigun­g von Gewässern im Zuge des Hochwasser­schutzes sorgten dafür, dass Wasser versickert statt Pfützen zu bilden, sagt

Teschner. Dabei seien gerade die Wasseransa­mmlungen auf dem Land wichtig, weil hier die Tiere leben. „In Straßenpfü­tzen sind die seltenen Pfützenbew­ohner kaum zu erwarten. Das ist eher was für Wald und Flur“, so Teschner.

Wie bunt das Treiben in ihnen manchmal sein kann, macht eine Studie vom afrikanisc­hen Kontinent deutlich: Ein Forscherte­am unter anderem von der Senckenber­g Gesellscha­ft

für Naturforsc­hung hat die Fußspuren von Elefanten unter die Lupe genommen, in denen sich Wasser sammelte. Bis zu 61 verschiede­ne Tierarten haben sie darin entdeckt. Schon binnen weniger Tage hätten mehr als 400 Organismen die rund 30 Zentimeter tiefen und breiten Löcher besiedelt, darunter Wasserund Schwimmkäf­erarten und Exemplare aus der Gruppe der Stechmücke­n.

Die Tiere gelangen dabei auf unterschie­dliche Weise in die Pfützen. Bei Unken und Mücken etwa suchen die erwachsene­n Tiere die Gewässer gezielt zur Eiablage auf. Um das Risiko des Verlustes etwa durch Austrockne­n zu minimieren, verteilen sie ihre Eier auf mehrere Wasserstel­len, wie Teschner erklärt.

Biologe Ruben Teschner vom Verein Büro am Fluss Bei manchen Arten schlüpfe auch nicht der ganze Nachwuchs auf einmal, falls sich etwa durch neuen Regen die Überlebens­chancen in den kommenden Tagen verbessern.

Wimpertier­chen wiederum bildeten sogenannte Trockensta­dien aus und buddelten sich ein, bis neues Wasser vom Himmel fällt. Manche Bakterien entwickelt­en Sporen. „Sobald Wasser kommt, kann dann wieder durchgesta­rtet werden“, sagt Teschner. Solche Sporen würden aber auch zur Verbreitun­g genutzt: Gerade wenn eine Wasserlach­e ausgetrock­net ist, könne der Wind sie sehr leicht weitertrag­en.

Passive Verbreitun­g gebe es etwa auch durch Vögel, so Teschner. Sie badeten in einer Wasserstel­le, Lebewesen sammelten sich im Gefieder – und kämen so zur nächsten. „Das kann auch passieren, wenn ein Kind mit Gummistief­eln von Pfütze zu Pfütze hüpft“, sagt Teschner. „Dann werden blinde Passagiere in den Rillen des Profils mitgenomme­n.“

„In Straßenpfü­tzen sind die seltenen Pfützenbew­ohner kaum zu erwarten.“

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FOTO: MARCO KREFTING Wenn sich in den Furchen von Traktorräd­ern Wasser sammelt, können auch solche Pfützen zum Lebensraum für zahlreiche Tiere werden.
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FOTO: PETER STEFFEN/DPA Gelbbauchu­nken sind auf Gewässer mit etwa zehn Zentimeter­n Tiefe spezialisi­ert.

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