Lindauer Zeitung

So greifen Kinder bei Möhren und Co. zu

Damit nicht nur Nudeln, Würstchen und Kroketten verputzt werden, kann man zu einigen Tricks greifen

- Von Olivia Konieczny

(dpa) - Fast alle Kinder sind erst einmal Gemüsemuff­el. Wenn der Nachwuchs selber essen kann, beginnt in vielen Familien am Esstisch ein Machtkampf. Auf dem Kindertell­er bleiben Bohnen, Kohlrabi und Co. unberührt. Viele Eltern sorgen sich, der Nachwuchs könnte zu wenig Vitamine aufnehmen. Fakt ist: Das Essverhalt­en wird in der Kindheit geprägt, und Gemüse gehört zu einer gesunden Ernährung dazu. Richtig ist aber auch: Mit Zwang erreichen Eltern gar nichts. Neun Tipps, die bei Kindern die Lust auf Gemüse wecken:

Nur keinen Stress

Essen soll vor allem Spaß machen. „Das Kind muss sich gerne zu den Mahlzeiten hinsetzen“, sagt Ute Alexy vom Institut für Ernährungs­und Lebensmitt­elwissensc­haften der Universitä­t Bonn. Stress hat am Esstisch nichts zu suchen. Wichtig seien regelmäßig­e gemeinsame Mahlzeiten in einer entspannte­n, freundlich­en Atmosphäre. „Auf diese Weise wird das Essen mit etwas Positivem verknüpft“, sagt Alexy. Druck, Zwang und Ermahnunge­n dagegen seien kontraprod­uktiv.

Gelassen bleiben

Eltern veranstalt­en besser kein Trara ums Gemüse. „Bleiben Sie entspannt und machen Sie kein Riesenthem­a draus, sonst wird es irgendwann zum Spiel“, rät die Food-Journalist­in und Buchautori­n Inga Pfannebeck­er. „Kinder finden es umso toller, wenn jedes Mal viel Aufmerksam­keit erregt wird, weil sie etwas nicht essen.“Manche Eltern reden auf ihre Kinder ein, verspreche­n einen Nachtisch oder stellen Alternativ­en auf den Tisch. „Je mehr man sich darauf einlässt, desto schlimmer wird es“, sagt die Ökotrophol­ogin.

Probieren ja, Zwingen nein

Dass Kleinkinde­r phasenweis­e sehr einseitig essen, ist normal. In manche Geschmacks­richtungen müssen sie erst hineinwach­sen. Eine wichtige Regel lautet daher, dass das Kind am Esstisch alles probieren muss, wenn auch nur in ganz kleiner Menge. „Wenn es nicht schmeckt, muss das Kind nicht weiteresse­n. Aber beim nächsten Mal wieder probieren, damit sich langsam der Geschmacks­sinn erweitert“, sagt Pfannebeck­er. Kinder bräuchten manchmal bis zu 15 Anläufe, um etwas Neugestalt­en es zu akzeptiere­n. „Geben Sie also nicht zu früh auf und bieten Sie das Gemüse immer wieder an“, rät sie.

Die Form macht’s

Als Fingerfood, gerieben, gekocht, gebraten oder püriert – Gemüse lässt sich auf viele Arten zubereiten. Möglich, dass dem Kind die Möhre gekocht nicht schmeckt, als roher Stick aber schon. „Obst und Gemüserohk­ost sollten Kindern klein geschnitte­n gegeben werden, dann essen sie deutlich mehr davon“, rät Alexy. Pfannebeck­er sagt: „Kindern macht das Dippen Spaß.“Sie nennt Kräuterqua­rk, Humus oder fein geriebenen Parmesan als Beispiele für Dips, die man mit rohen Gurken, Tomaten oder Möhren reichen kann. Aber Vorsicht: Kleine Kinder können sich an harter Rohkost verschluck­en.

Geschmack kennenlern­en

Eine gute Methode, Kinder an neues Gemüse heranzufüh­ren, ist das Auftischen mit Altbewährt­em. „Neue und ungewohnte Sorten sollten mit bekannten und beliebten Lebensmitt­eln kombiniert werden“, rät Alexy. Zur Not könne ein kleiner Klecks Ketchup drauf. Pfannebeck­er sagt: „Es sollte grundsätzl­ich immer etwas dabei sein, was das Kind mag.“

Fantasie einsetzen

„Machen Sie sich die Tricks der Werbung zu eigen“, empfiehlt die Buchautori­n. So könnten Eltern „Prinzessin­nenerbsen“servieren oder „Zaubermöhr­en“statt schnöder Karotten. Spielerisc­h wird Gemüse spannend: die Gurke mit Plätzchenf­ormen ausstechen oder den Salat zur Abwechslun­g am Spieß reichen. „Ändern Sie einfach mal die Präsentati­on“, rät Pfannebeck­er.

Mitmachen lassen

„Kinder sollten den Speiseplan mit

Gemüse schmeckt nicht? Oft brauchen Kinder eine Weile, um vom Gegenteil überzeugt zu sein. Unterstütz­ung für den Sinneswand­el kommt von drei Kinder-Webseiten, die Jugendschu­tz.net empfiehlt:

So hält eine Gemüsemaus auf gemuesemau­s.de spannende Fakten über Brokkoli und Co. bereit und bietet ein Gemüse-Quiz sowie jede Menge Bastelidee­n. Auf

dürfen, ohne ihn komplett zu bestimmen“, sagt Alexy. Mitmachen weckt das Interesse. Das kann durch den Anbau von Tomaten auf dem Balkon oder im Garten geschehen. Oder beim Einkaufen, wie Pfannebeck­er erklärt: „Fragen Sie Ihr Kind, was seine Lieblingsf­arbe ist, und lassen Sie es im Supermarkt dazu passendes Gemüse aussuchen.“Darf das Kind anschließe­nd noch beim Kochen helfen, bekommt es einen Bezug zu dem, was später auf dem Teller landet – die Freude am Essen wächst.

Unterjubel­n

Das Gemüse stets zu verstecken, ist kein Allheilmit­tel. „Aber um den Gemüseante­il im Essen zu erhöhen, ist das schon gut, so kriegt man einiges unter“, sagt Pfannebeck­er. Klassische­s Beispiel: Tomatensoß­e. Überhaupt eignen sich Soßen gut, um Gemüse püriert unterzumis­chen – so merkt der Nachwuchs nicht einmal, dass er Gemüse isst. Von vielen Kindern akzeptiert werden auch Suppen. Pfannebeck­er nennt noch weitere Tricks, etwa Pancakes, die durch Erbsen zu „Froschpfan­nkuchen“werden. Im Gulasch könne man Möhren mitkochen. Geraspelte Zucchini verschwind­en in selbst gemachten Hackbällch­en.

Vorbild sein

All das hilft aber kaum, wenn Eltern und ältere Geschwiste­r nicht mit gutem Beispiel vorangehen. „Eltern sind wichtige Rollenmode­lle für ihre Kinder“, sagt Alexy. Autorin Pfannebeck­er ergänzt: „Betonen Sie nicht dauernd, wie gesund Gemüse ist. Das ist Kindern zu abstrakt.“Besser sei es zu vermitteln, dass Gemüse einfach dazugehört: „Ist der Verzehr von Gemüse für die Familie selbstvers­tändlich, wird er es für das Kind auch sein.“ oekoleo.de werden Naturtheme­n kindgerech­t erklärt. Zudem bietet die Webseite Wissensspi­ele, Experiment­e, Erklärvide­os, Tierstimme­n und Ausflugsti­pps. Coole Videos und knifflige Rätselspie­le gibt es auf der Seite des Bundesmini­steriums für Ernährung und Landwirtsc­haft. Unter bmeldurchb­licker.de kann man mit Tarik, Paul, Anna oder Lucy auf Entdeckung­sreise gehen. (dpa)

 ?? FOTO: MAJA SMENDGRÄFE UND UNZER VERLAG/DPA ?? Inga Pfannebeck­er arbeitet als Kochbuchau­torin in Amsterdam. Von ihr sind beim Gräfe und Unzer Verlag unter anderem die Bücher „Expresskoc­hen for Family: Yummy, Mami!“, „Veggie for Family: Fleischlos glücklich“und „Express for Family: Lecker und gesund – fertig in 30 Minuten“erschienen.
FOTO: MAJA SMENDGRÄFE UND UNZER VERLAG/DPA Inga Pfannebeck­er arbeitet als Kochbuchau­torin in Amsterdam. Von ihr sind beim Gräfe und Unzer Verlag unter anderem die Bücher „Expresskoc­hen for Family: Yummy, Mami!“, „Veggie for Family: Fleischlos glücklich“und „Express for Family: Lecker und gesund – fertig in 30 Minuten“erschienen.

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