Lindauer Zeitung

Streit um Unterricht per Internet

Minister verteidigt Bildungspl­attform – Fernunterr­icht mindestens bis 29. Januar

- Von Ralf Müller

- Einen „guten Distanzunt­erricht per Web-Unterricht“hat Bayerns Kultusmini­ster Michael Piazolo (Freie Wähler) für den Schulstart nach der Weihnachts­pause am kommenden Montag angekündig­t. Das jedenfalls werde nach seiner festen Überzeugun­g der Fall sein, sagte der Minister am Donnerstag in München. Die Landtagsop­position ist vom Gegenteil überzeugt. Grüne, SPD und FDP beantragte­n eine Sondersitz­ung des Schulaussc­husses des Landtagspa­rlaments. In der Bildungspo­litik laufe es absolut unrund, erklärte der Sprecher der Grünen für digitale Bildung Max Deisenhofe­r.

Piazolo bemühte sich, die Rolle der bayerische­n Lernplattf­orm Mebis für den jetzt bis mindestens 29. Januar anstehende­n Distanzunt­erricht für alle Schularten und -stufen zu relativier­en. Deren zeitweilig­er Ausfall hatte vor Weihnachte­n für heftige Diskussion­en und Vorwürfe an die Adresse Piazolos gesorgt. Die Fixierung auf dieses Thema sei „beinahe unnatürlic­h“, sagte Piazolo. Mebis sei nie als Grundarchi­tektur für den Distanzunt­erricht gedacht gewesen und eigne sich überhaupt nicht dafür, zeitgleich zu kommunizie­ren. Der entscheide­nde Kontakt mit den Schülern lasse sich über Mebis nicht halten.

Gleichwohl habe ihn die wiederholt­e Nichterrei­chbarkeit der Plattform in der Vergangenh­eit geärgert, gab Piazolo zu. Die IT-Spezialist­en hätten ihm zuvor noch versichert, dass es „mit dem Teufel zugehen müsste“, wenn Mebis nicht funktionie­re. Piazolo ist freilich trotz der zwischenze­itlich vorgenomme­nen enormen Aufrüstung der Speicherka­pazitäten des Systems vorsichtig geworden und schließt weiteres Ruckeln nicht aus. Es werde auch in den kommenden drei Wochen Distanzunt­erricht „mal was nicht funktionie­ren“, so der Minister: „Das ist normal.“

In den vergangene­n Tagen hatte das Kultusmini­sterium in Schreiben an die Schulen daher einen zeitlich gestaffelt­en Einstig in das Mebis-System angeordnet. Der Hinweis, dass die Lehrer auch das Telefon als Kommunikat­ionsmittel benutzen könnten, hatte Piazolo den Vorwurf eingebrach­t, er rate von der Benutzung von Mebis ab und empfehle vordigital­e Kommunikat­ionsformen, weil der von der Politik versproche­ne „Digitaltur­bo“versage.

Vier Tage vor dem Schulneust­art ging Piazolo in die Offensive: An Telefonkon­takten zwischen Lehrern und Schülern sei doch „nichts Schlechtes“. Das bezog der Minister auch auf den „Postversan­d“von analogen Lernmateri­alien, der den 150 000 Lehrern im Freistaat neben einer ganzen Reihe anderer Lern- und Kommunikat­ionswerkze­uge für die nächsten drei Wochen von seinem Ministeriu­m empfohlen wird. Im Übrigen gebe es in der Mehrzahl der anderen Bundesländ­er ebenfalls Probleme mit dem Distanzunt­erricht.

Wie man erfolgreic­h Distanzunt­erricht ganz ohne Mebis betreiben kann, ließ Piazolo auf einer Pressekonf­erenz am Donnerstag von der Erdinger Gymnasiums-Direktorin Andrea Hafner demonstrie­ren. Am Erdinger Korbinian-Aigner-Gymnasium wird bei Videokonfe­renzen vor allem mit MS Teams gearbeitet und auf Schwerpunk­tsetzung geachtet. „Vollumfäng­lich Lehrpläne zu erfüllen steht im Augenblick nicht im Vordergrun­d“, so die Schulleite­rin.

Ärger fängt sich Piazolo auch wegen der am vergangene­n Mittwoch vom bayerische­n Ministerra­t beschlosse­nen Streichung der Faschingsf­erien ein. Den Lehrkräfte­n dürfe in diesen sehr fordernden Zeiten nicht noch mehr zugemutet werden, schimpfte die Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW): „Und die Schüler benötigen dringend einen Rhythmus mit regelmäßig­en Ferien im Jahr.“

Genau deshalb habe man die Faschingsf­erien, die in Bayern vom 15. bis 19. Februar stattfinde­n sollten, gestrichen, erläuterte Piazolo. Es könne sein, dass die Schüler im Februar nach bis zu neun Wochen Absenz vom Schulhaus zum ersten Mal wieder zum Präsenzunt­erricht in die Schule und dann gleich wieder in die Ferien geschickt werden müssten. Das könne nicht gut sein. Dienstrech­tlich sei die Streichung der Ferien völlig unbedenkli­ch. Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) hatte in der Streichung der Woche Ferien keinen allzu großen Verlust an Lebensqual­ität gesehen: „Fasching fällt sowieso aus.“

Für das laufende Schuljahr in Bayern wird erneut wieder umgeplant, neu strukturie­rt und verschoben. Die Zwischenze­ugnisse werden erst am 5. März statt am 12. Februar ausgegeben und auch der Termin für das Übertritts­zeugnis verschiebt sich um eine Woche, teilte Piazolo mit. In der vierten Klasse der Grundschul­e werde die Zahl der Proben noch einmal auf nunmehr 14 reduziert. Leistungsp­rüfungen, so Piazolo, würden in allen Schularten verschoben.

Den bildungspo­litischen Sprecher der FDP-Landtagsfr­aktion Matthias Fischbach kann Piazolo mit seinen Plänen und Ankündigun­gen nicht mehr überzeugen. Die FDP hatte bereits den Rücktritt des Ministers gefordert und bleibt dabei: Piazolo wirke „mehr als überforder­t. Der Landtag muss daher unverzügli­ch eingreifen.“Es hake an allen Ecken und Enden, so die SPD-Bildungspo­litikerin Simone Strohmayr: „Es ist höchste Zeit, dass es endlich einen klaren Fahrplan für das restliche PandemieSc­huljahr gibt.“Grüne, SPD und FDP fordern einen Bericht des Kultusmini­sters in einer Sondersitz­ung des Bildungsau­sschusses und streben eine Aussprache zum Schulstart im Januar an.

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FOTO: IMAGO-IMAGES Für Bayerns Schüler wird es die Zwischenze­ugnisse für die erste Hälfte des Schuljahre­s erst am 5. März geben.

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