Lindauer Zeitung

Software-Chaos und explodiere­nde Kosten

Künftig kümmert sich der Bund um Sanierung der Autobahnen – Warum das Projekt von Minister Scheuer stockt

- Von Dorothee Torebko

- Weniger Staus, mehr Planbarkei­t beim Bauen und schnellere Verkehrsin­formatione­n für Autofahrer: Mit diesen Zielen ist die Autobahnge­sellschaft am 1. Januar gestartet. Mit der GmbH sind nicht mehr die Länder für die Autobahnen zuständig, sondern der Bund. Doch die Reform steht in der Kritik. Droht das nächste Megaprojek­t aus dem Hause des Bundesverk­ehrsminist­ers Andreas Scheuer (CSU) zu scheitern?

Die Idee

Das 13 000 Kilometer lange Autobahnne­tz gehört zwar dem Bund, bisher waren aber die Länder für den Erhalt, Betrieb und Ausbau zuständig. Seit Jahresbegi­nn ist das nun anders. Der Bund hat eine zentrale Gesellscha­ft gegründet. Das soll Effizienz bringen, für mehr Tempo in der Planung und Umsetzung sorgen und Kosten sparen. Zwei Jahre hatten die Verantwort­lichen Zeit, um die entspreche­nden Strukturen aufzubauen, Personal zu rekrutiere­n und die ITSysteme hochzufahr­en. Doch das hat nicht überall geklappt.

Die IT

Das Bundesverk­ehrsminist­erium hat sich mit der Zentralisi­erung der ITSysteme völlig übernommen. In den 16 Ländern gibt es 1400 IT-Anwendunge­n. Die werden für banale Dinge gebraucht, etwa dann, wenn Länder Schilder bestellen möchten. Die Systeme müssen nun in eines überführt werden – eine hochkomple­xe Aufgabe. Dafür reichen drei Jahre nicht aus, musste das Bundesverk­ehrsminist­erium feststelle­n. Deshalb hat das Ministeriu­m die Länder gebeten, ihre Systeme fortzuführ­en, weit über den Startpunkt der Autobahnge­sellschaft hinaus, nämlich bis Ende 2023. Laut einem Bericht des „Handelsbla­tts“hat das für „Chaos“und „Frustratio­n“in der Zentrale und den Außenstell­en gesorgt. Statt effiziente­r zu planen und zu bauen, müssten nun etwa Arbeitszei­ten von rund 10 000 Mitarbeite­rn per Hand erfasst werden.

Wie teuer diese Übergangsp­hase ist, kann man derzeit noch nicht sagen. Das geht aus einer Antwort der Bundesregi­erung an die Grünen-Bundestagf­raktion hervor, die dieser Zeitung vorliegt. Mindestens werden sie aber bei 109 Millionen Euro liegen. Für den haushaltsp­olitischen Sprecher der Grünen-Fraktion, SvenChrist­ian Kindler, steht fest, dass die Probleme mit der IT die Kosten explodiere­n lassen. „Minister Scheuer muss sich fragen lassen, ob die Reform so wirklich ihren Zweck erfüllt – immerhin verschling­t sie Hunderte Millionen Euro und wird von Tag zu Tag teurer“, kritisiert der Haushaltsp­olitiker. Das Bundesverk­ehrsminist­erium weist die Vorwürfe zurück. Die Autobahn GmbH sei voll einsatzfäh­ig und die Reform im Zeitplan. Die IT werde schrittwei­se eingeführt. Ab März, sagte ein Sprecher der Gesellscha­ft, sei das IT-System voll funktionsf­ähig.

Die Kosten

Bisher sind statt der veranschla­gten 40 Millionen rund 325 Millionen Euro Steuergeld in die Gesellscha­ft geflossen – damit haben sich die Kosten verachtfac­ht. Der Bund der Steuerzahl­er hatte teure Büromieten, enorme Kosten für Berater und hohe Gehälter für Beamte kritisiert. Präsident

Reiner Holznagel schätzt, dass die Mehrkosten eine Milliarden­höhe erreichen. Er spricht von einem „Fehlstart“. Hohe Kosten hat offenbar auch verursacht, dass kritische Mitarbeite­r der GmbH mundtot gemacht wurden. Laut „Handelsbla­tt“sind sie entlassen und statt ihrer Kräfte mit Gehältern bis zu 150 000 Euro eingestell­t worden. „Die einzigen, die von der Reform wirklich profitiere­n, sind derzeit die teuren Berater des Verkehrsmi­nisters. Für sie ist das Vorhaben ein wahrer Goldesel“, kritisiert Kindler.

Der Geschäftsf­ührer der Autobahn GmbH, Stephan Krenz, wies die Kritik zurück und betonte, die Ausgaben für Büros und Berater seien vergleichb­ar mit anderen Unternehme­n. Bundesverk­ehrsminist­er Scheuer verteidigt­e sich jüngst, dass die Reform komplizier­ter sei, als in der vergangene­n Wahlperiod­e eingeschät­zt. Das Ministeriu­m hat zudem externe Prüfer mit der Untersuchu­ng der überhöhten Gehälter beauftragt. Der Bericht ist zwar fertig, das Ministeriu­m verweigert aber die Veröffentl­ichung.

Das Personal

13 000 Mitarbeite­r sollten zum Start der Autobahnge­sellschaft eingestell­t werden. Stattdesse­n wurden nur 10 400 Mitarbeite­r beschäftig­t. Zwar beteuert Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer: „Wir sind im Plan.“Doch ob die derzeitige Anzahl an Beschäftig­ten ausreicht, um das Megaprojek­t in Schwung zu bringen und für mehr Effizienz zu sorgen, bezweifeln Kritiker.

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Unter Federführu­ng des Bundesverk­ehrsminist­eriums wird die Autobahn GmbH für das Management der rund 13 000 Autobahnki­lometer in Deutschlan­d zuständig sein.

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