Curevac verbündet sich mit Bayer
Tübinger Biotech-Unternehmen kooperiert bei der Entwicklung eines Corona-Vakzins mit dem Aspirin-Konzern
- Das Tübinger Biotech-Unternehmen Curevac sucht die Unterstützung des Bayer-Konzerns bei der Entwicklung, Zulassung, Herstellung und Vermarktung seines Covid-Impfstoffs. „Mit der Expertise und Infrastruktur kann uns Bayer helfen, unseren Impfstoffkandidaten noch schneller verfügbar zu machen“, teilte Curevac-Chef Franz-Werner Haas am Mittwoch mit. Bayer sei „ein starker Partner“. Das Großunternehmen könne den Impfstoff außerhalb Europas vermarkten, während Curevac die Lizenzen für die EU behält. Als gemeinsames Ziel wollen die Unternehmen mehrere Hundert Millionen Impfdosen zur Verfügung stellen.
Die Europäische Union hat bei Curevac 225 Millionen Impfdosen bestellt, von denen Deutschland 40 Millionen zustehen. Mit dem Beginn der Auslieferung ist allerdings trotz des Bayer-Vertrags vermutlich erst um die Jahresmitte zu rechnen. Curevac folgt mit der Partnerschaft dem Beispiel seines Rivalen Biontech, der schon im März vergangenen Jahres ähnliche Verträge mit den Konzernen Pfizer aus den USA und Fosun aus China abgeschlossen hat. Das Tübinger Unternehmen liegt in der Entwicklung allerdings mehrere Monate hinter dem Mainzer Konkurrenten zurück. Sein Impfstoff befindet sich noch in Phase drei der Erprobung, während Biontech bereits alle Tests abgeschlossen und weltweit Zulassungen erhalten hat. Zugleich wächst der gesellschaftliche und politische Druck, Impfstoffe möglichst früh auf den Markt zu bringen.
Biontech hatte im vergangenen Jahr bei den Gesprächen mit Pfizer einen Vorteil: Es gab bereits seit 2018 eine laufende Zusammenarbeit mit dem US-Unternehmen. Biontech und Pfizer haben beispielsweise bei einer Grippeimpfung kooperiert. Die Vertragspartner kannten sich also bereits, und es gab Blaupausen für die Rechtevergabe. Dennoch ist die Zusammenarbeit mit einem Pharmariesen für einen Mittelständler stets heikel. Die Größenunterschiede sind beträchtlich:
Pfizer hat 90 000 Mitarbeiter, Biontech hatte zu Beginn des Projekts 1300 Mitarbeiter. Für Pfizer arbeiten mehr Juristen als Biontech überhaupt Mitarbeiter hat. Während Biontech noch kein einziges Produkt auf dem Markt hatte, blickt Pfizer auf 170 Jahre Geschichte und Tausende von erfolgreichen Markteinführungen von Medikamenten zurück.
Ähnlich – und noch etwas ungleicher – sehen die Verhältnisse zwischen Curevac und Bayer aus. Das Leverkusener Großunternehmen beschäftigt 100 000 Mitarbeiter, Curevac nur 500. Bayer macht vier Milliarden Euro Gewinn im Jahr, der kleine Partner aus Tübingen kennt bisher nur Verluste. Auf der einen Seite macht der Mangel an Erfahrung den großen Partner so wichtig und wertvoll. Auf der anderen Seite müssen die kleineren Unternehmen aufpassen, sich nicht übervorteilen zu lassen. Die Großunternehmen wollen sich in der Regel besonders weitreichende Rechte an dem geistigen Eigentum des kleineren Spielers sichern.
Während Bayer als deutscher Konzern den Tübingern kulturell näherstehen mag, hat es im Vergleich zu Pfizer jedoch einen Nachteil: Das deutsche Unternehmen bietet schon lange keine Vakzine mehr an. Im Jahr 2000 hat Bayer seine Sparte für Tiefimpfstoffe abgestoßen. Pfizer ist dagegen nicht nur eine Impfstoff-Großmacht, sondern hat auch eigene Kompetenzen im Umgang mit Boten-Ribonukleinsäure (mRNA) mitgebracht, die die Basis für den Biontech-Wirkstoff ist. Das US-Unternehmen
konnte daher zügig eine Produktion nach dem Biontech-Verfahren für den nordamerikanischen Markt aufbauen.
Bayer kann zwar grundsätzlich mit seinen gewaltigen Ressourcen helfen – doch das Spezialwissen kommt weiterhin allein von Curevac. Das dürfte dazu beigetragen haben, dass es recht lange gedauert hat, bis Bayer sich zu einem Impfstoff-Engagement aufgerafft hat. „Ich kann mir vorstellen, dass wir, wenn nötig, den Herstellern von Corona-Impfstoffen Produktionskapazitäten zur Verfügung stellen“, sagte der Chef der Pharmasparte bei Bayer, Stefan Oelrich, im November der „Wirtschaftswoche“. Schon im Frühjahr 2020 hatte Bayer eine Kooperation in Erwägung gezogen. Curevac wiederum stand die ganze Zeit ohne großen Partner da.
Für Biontech war Pfizer eine wichtige Stütze, um die Praxistests voranzubringen. Biontech selbst hat zwar bereits zahlreiche klinische Studien für experimentelle Medikamente durchgeführt – aber immer nur an wenigen Hundert Patienten und in einem eher gemächlichen Rhythmus. Pfizer hatte das Geld, die Erfahrung und die Kontakte, um den Biontech-Forschern schnell Zugang zu einem groß angelegten Feldversuch in den USA zu verschaffen.
Das deutsch-deutsche Team Curevac-Bayer ist im Impfstoffrennen nun hochwillkommen, doch auch die Beteiligung des größeren Pharmaherstellers wird den Zeitplan hierzulande nicht erdbebenartig verschieben. Biontech, der US-Hersteller Moderna und der britisch-schwedische Anbieter Astra-Zeneca werden voraussichtlich bis zur Jahresmitte genug Präparate für alle impfwilligen Deutschen liefern. „Wir hoffen, dass unser Impfstoff Mitte des laufenden Jahres oder im dritten Quartal zugelassen wird und eingesetzt werden kann“, sagte der Curevac-Sprecher Thorsten Schüller am Freitag der „Augsburger Allgemeinen“.
Die Curevac-Studie zur Wirksamkeit des Impfstoffs laufen bereits seit Dezember unter dem Namen „Herald“. Als Abschlussdatum für die Vergabe der Spritzen ist in den offiziellen Antragsdokumenten der 30. Juni genannt, doch eine Beschleunigung auf März gilt als machbar. Vorgesehen sind zunächst Tests an 2520 Personen, die in der Mainzer UniKlinik arbeiten. Später sollen 35 000 Menschen in Europa und Südamerika die Spritze erhalten werden. Danach beginnt das eigentliche Zulassungsverfahren, das seinerseits noch einige Wochen dauert.