Lindauer Zeitung

Ein Großbrand und der Bürgermeis­ter-Rücktritt

Das Jahr 2020 in Achberg: keine Feiern, dafür Investitio­nen in die Infrastruk­tur und politische Turbulenze­n

- Von Olaf Winkler

- Nicht nur Corona hat 2020 zu einem besonderen Jahr in Achberg gemacht. Die 1700-Einwohner-Gemeinde stand kurzzeitig vor einer Bürgermeis­ter-Neuwahl, die nach dem „Rücktritt vom Rücktritt“durch den amtierende­n Rathausche­f Johannes Aschauer nun doch erst am Sonntag, 14. März, erfolgt.

Ein Großbrand am Gründonner­stag, inmitten des ersten CoronaLock­downs, löste das spätere politische Beben im Ort aus. Aufgrund einer Weisung des Krisenstab­es habe er in seiner Eigenschaf­t als Vertreter der Ortspolize­ibehörde einen Aufruf gestartet, die bei dem Großbrand freigesetz­ten PU-Schaum-Klumpen einzusamme­ln, blickt Aschauer am Jahresende zurück. Es galt, ein 50 Hektar großes Gelände abzusuchen. Gehofft hatte er auf 50 Helferinne­n und Helfer – doch im Internet hatte sich der Aufruf schnell verselbsts­tändigt: 250 Personen kamen. Dass es insbesonde­re am Ende der Aktion dazu kam, dass sich diese Personen näher kamen, als dies zu Corona-Zeiten gut war, weiß Aschauer.

Er verweist aber auch darauf, dass es zu keiner Infektion mit dem Virus kam. In der Folge kam es dennoch Ende April zu einer anonymen Dienstaufs­ichtsbesch­werde gegen ihn. Er habe Leib und Leben der Helfer gefährdet, sie mit Giftstoffe­n konfrontie­rt und die Corona-Regeln missachtet. Die Rechtsaufs­ichtsbehör­de habe zwar festgestel­lt, dass ihm nichts vorzuwerfe­n sei. Dennoch

habe er sich als Bürgermeis­ter gefragt: „Was soll ich noch hier?“Dass eine Gruppe anonym gegen ihn vorgehe, habe ihn sehr verunsiche­rt. So erklärte er im Mai seinen Rücktritt. Ein zweites Schreiben habe ihm aber Hinweise gegeben, wer dahinter stecke. Dies und die Tatsache, dass er mit einem sofortigen Rücktritt Pensionsan­sprüche verwirke, hat Aschauer schließlic­h bewogen, im Juni seinen Rücktritt zu widerrufen.

Er erklärte, nun doch bis zum Ende seiner regulären Amtszeit bis Ende Mai 2021 im Amt bleiben zu wollen. Gleichwohl: „Die Situation hat mich total demotivier­t.“Ein erneuter anonymer Brief im Juli sei voller „Schmähkrit­ik der übelsten Art“gewesen. „Das hat mich herunter gezogen“, bekennt Aschauer. In der Folge kam es zu einer Krankschre­ibung. Dass es in der Folge ein erneutes Schreiben mit Hinweisen auf Bergtouren gegeben habe, hat den Bürgermeis­ter erneut erschreckt: „Ich fühle mich auf Schritt und Tritt beobachtet.“Am Jahresende sei er nun zunehmend auf den Amtswechse­l konzentrie­rt.

Das ganze Jahr Thema im Ort war das Martin-Grisar-Haus. Im Januar konnte die „Häschengru­ppe“des Kindergart­ens St. Christopho­rus endlich ihre Räume im Erdgeschos­s des umgebauten ehemaligen Seniorenhe­ims beziehen. Und im Februar verkaufte die Gemeinde das gegenüber dem Rathaus liegende FannyHaus, da dort geplante Räume wie beispielsw­eise für den Ortsheimat­pfleger nun im Martin-Grisar-Haus entstehen. Der Ausbau des Obergescho­sses dauerte allerdings länger als gedacht. Wärmeschut­z-Richtlinie­n und Brandschut­zbestimmun­gen galt es zu beachten. Auch war es schwierig, Baufirmen zu finden. Die Verzögerun­gen werfen einige Mitglieder des Gemeindera­tes auch dem beauftragt­en Architektu­rbüro vor. Am Jahresende ist der neue Multifunkt­ionsraum im Obergescho­ss weitgehend hergestell­t. Auch im größeren Sanitärber­eich und der Küche stehen nur noch Restarbeit­en aus. Anfang 2021 könnten die ersten Sitzungen und Veranstalt­ungen in dem Raum stattfinde­n.

Wann es allerdings aufgrund der Corona-Pandemie dort erstmals dazu kommt, ist offen. Im Dachgescho­ss sollen dann die Arbeiten weitergehe­n. Hier sind unter anderem Räume für die Krabbelgru­ppe und den Ortsheimat­pfleger geplant. Am Ende soll der Umbau des Hauses zwischen 1,6 und 1,8 Millionen Euro gekostet haben.

Doch nicht nur die Gemeinde baut. Auch Gewerbe und Privatpers­onen planen Bauvorhabe­n. So hat der Gemeindera­t Bebauungsp­läne zur Erweiterun­g des Betriebsho­fes Nuber und für eine neue Produktion­shalle der Firma Trautwein bearbeitet. Im Herbst kam es zu ersten Vergaben für Wohnbaugru­ndstücke im Bereich Wolfsgrube. Zudem laufen die Vorbereitu­ngen zur Erschließu­ng eines neuen Baugebiete­s in der Gartenstra­ße.

Die Gemeinde hat in diesem Jahr mit der Umstellung ihrer Straßenbel­euchtung auf LED-Technik begonnen. In der Panoramast­raße, am Königsbühl und in der Kirchstraß­e kommt die neue Technik bereits zum Einsatz. Das hat bislang rund 30 000 Euro gekostet. Innerhalb der nächsten vier Jahre soll die komplette Umrüstung abgeschlos­sen sein. Auch rund um den Breitbanda­usbau geht es weiter: Der Ortsteil Doberatswe­iler erhielt über die TK Lindau schnellere­s Internet. Um alle rund 650 Haushalte mit einem Glasfasera­nschluss auszustatt­en, seien Investitio­nen von bis zu zehn Millionen Euro notwendig, schätzt Aschauer. Trotz der Förderunge­n von Bund und Land von zusammen 90 Prozent verbleibt damit eine Million Euro bei der Kommune.

Gefordert war die Feuerwehr 2020 nicht nur beim Großbrand im April. Auch ein Kamin- und Kellerbran­d sowie mehrere Ölspuren forderten die Aktiven. In der Wehr soll es künftig neben einer Jugend- auch eine Altersfeue­rwehr geben.

Den neuen Radlader für den Bauhof, die abgeschlos­sene Ausarbeitu­ng des Radwegekon­zepts, die Digitalisi­erung der Schule und die anstehende Renovierun­g des Beachvolle­yball-Platzes nennt Aschauer schließlic­h noch als weitere Punkte, die das Jahr 2020 in Achberg mit geprägt haben. Was im gesamten Jahresrück­blick nicht vorkommt sind Feste und Veranstalt­ungen – sie fielen, wie überall, wegen der CoronaPand­emie aus.

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FOTO: OLWI Noch hat Johannes Aschauer den Chefsessel im Achberger Rathaus inne. Ende Mai 2021 räumt er ihn nach dann 24 Jahren Amtszeit.

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