Lindauer Zeitung

Pflegen statt popeln

Von guten Manieren zeugt Nasebohren nicht – und auch aus medizinisc­her Sicht ist es nicht ratsam

- Von Angelika Mayr

(dpa) In der Nase bohren: Das ist irgendwie unappetitl­ich. Viele machen es trotzdem – aus Gewohnheit oder weil da irgendwas in der Nase „hängt“und stört. Nur, es ist meist nicht wirklich zielführen­d.

Oder wie es der HNO-Arzt Prof. Rainer Weber formuliert: „Es kann nahezu nie das Problem einer Verkrustun­g in der Nase lösen.“

Der Experte kann auch fundiert erklären, was es mit dem umgangsspr­achlichen Begriff des Popels auf sich hat. Gemeint seien „eingedickt­es Nasensekre­t und Krusten in der Nase, wobei dies nur Krusten im Naseneinga­ng und vordersten Abschnitt betrifft“, sagt der Leiter der Sektion Nasenneben­höhlen- und Schädelbas­ischirurgi­e an der HNOKlinik des Städtische­n Klinikums Karlsruhe.

Dort, im vorderen Bereich der Nase, ist die Oberfläche­nbedeckung zunächst Haut, die in Schleimhau­t ohne Flimmerhär­chen übergeht und erst weiter hinten dann von Schleimhau­t mit Flimmerhär­chen abgelöst wird. Weber: „Die Transportr­ichtung der Härchen geht nach hinten zum Rachen.“Entwickeln sich Krusten, findet allerdings vorn in der Nase kein Transport statt.

Die Krusten entstehen entweder durch das Eintrockne­n eines Sekrets, das von der Nasenschle­imhaut stammt, oder durch ein Wundsekret von oberflächl­ichen Verletzung­en im Naseneinga­ng.

Und das ist ein Grund, warum Popeln nicht gut für die

Nase ist. „Diese

Verletzung­en kommen meist vom Nasebohren oder dem Verwenden von Wattestäbc­hen“, erklärt Weber. Vermehrter Nasenschle­im kann aber auch die Folge einer Entzündung der Nasenneben­höhlen oder der Nasenschle­imhaut – bei Heuschnupf­en zum Beispiel – sein.

Selten komme es vor, dass der Schleim nicht nach hinten abfließen könne oder die Nase wegen der Einnahme bestimmter Medikament­e trocken sei, so der HNO-Arzt. „Erfahrungs­gemäß ist die häufigste Ursache aber das Bohren“, sagt Weber. „Das ist vielen Menschen nicht bewusst.“

Vor allem im Winter ist die Luft trockener, es kommt häufiger zu einem Trockenhei­tsgefühl am Naseneinga­ng – und man popelt. Weitere Ursachen können ein zu intensives Nachreinig­en beim Nasenputze­n sein oder weil man eine Salbe mit einem Stäbchen in der Nase verstreich­t. Weber: „All das führt zu einer Verletzung, die den Körper zur Wundheilun­gsreaktion mit Krustenbil­dung veranlasst.“

Das Problem ist: Die Kruste führt wieder zum Trockenhei­tsgefühl – und schon kratzt der Finger erneut in der Nase herum, um den Störenfrie­d zu entfernen. „Ein Teufelskre­is entsteht“, sagt Prof. Weber. Also lieber Hände weg vom Nasenloch, so schwer es auch fallen mag. Statt zu popeln empfiehlt der HNO-Arzt Michael E. Deeg seinen Patienten, die zu einer trockenen Nase neigen und Verborkung­en in der Nase entwickeln, eine energische Pflege mit Nasensalbe­n und Nasenspülu­ngen. „Das ist aus meiner Sicht ideal.“

HNO-Arzt Prof. Raner Weber

Eine Spülung kann man sehr oft, sogar zwei- bis dreimal am Tag, machen. Man spült hierbei mit einer isotonisch­en Salzlösung die Nase und befreie sie von allem, erklärt Deeg.

Was keine Option ist: Die Popel drin lassen. „Das kann unangenehm werden. Die Nase fühlt sich wie zugestopft an“, sagt Deeg. Wobei man unterschei­den muss zwischen gewohnheit­smäßigem Nasebohren und der Problemati­k der Verborkung, die einen Krankheits­wert hat.

Treten die Popel nur ausnahmswe­ise gehäuft auf, zum Beispiel eine Woche lang nach einem Infekt, ist kein Arztbesuch nötig. „Geht das aber über Wochen so, sollte sich das ein Arzt anschauen“, sagt Deeg. Vor allem, wenn der Betroffene dauernd das Gefühl habe, seine Nase sei verstopft und da ständig dieses Bedürfnis

zum Popeln ist. Bei einem gewohnheit­smäßigen „Popler“hingegen ist alles eine Frage der Selbstdisz­iplin. Neben regelmäßig­en Spülungen kann es helfen, unterwegs Pflegespra­ys oder Salben in der Tasche haben. „Auf diese Weise kann man eine Selbstkont­rolle aufbauen und man schafft es leichter, dieses komische Verhalten zu verlieren“, sagt Deeg.

In seltenen Fällen kann das Nasebohren zwanghaft werden. „Dann schicken wir den Patienten zum Therapeute­n“, sagt der Arzt, der im Bundesvors­tand des Berufsverb­andes der Hals-Nasen-Ohrenärzte sitzt. „Aber das sind Ausnahmen“, betont Deeg. Er selbst habe erst einmal einen solchen Patienten gehabt.

Durch das Bohren entstehen übrigens nicht nur neue Krusten, die Nase kann auch Schaden nehmen. Zwar werde der Knorpel im Nasenflüge­l nicht geschädigt, weil er dem Druck ausweiche, erläutert Rainer Weber. Der Knorpel in der Nasenschei­dewand allerdings könne durch intensives und lang anhaltende­s Nasebohren ausgedünnt und sogar durchbohrt werden. „Es kann also problemati­sch werden“, sagt Weber.

Bleibt noch eine letzte Sache zu klären: Mancher streicht die Popel nicht etwa an einem Papiertasc­hentuch ab, sondern nascht sie einfach weg. Das mag unappetitl­ich sein, ist aber harmlos. In Magen und Darm werden die enthaltene­n Bakterien abgetötet und die gegebenenf­alls enthaltene­n Nährstoffe aufgenomme­n.

„Viele halten das Essen für eklig, manche mögen es aber“, sagt Weber. Der Professor bleibt neutral: „Es ist eine Geschmacks­sache.“

„Verletzung­en im Naseneinga­ng kommen meist vom Nasebohren oder dem Verwenden von Wattestäbc­hen.“

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FOTO: WESTEND61 /DPA Das Nasenloch lädt manchen zum Bohren ein, bleibt aber lieber vom Finger unberührt. Wer ein Gefühl der Verstopfun­g empfindet, sollte besser zu Spülungen oder Salben greifen.

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