Söder verordnet FFP2-Masken für alle
In Nahverkehr und Einzelhandel reicht ein Mund-Nase-Schutz ab Montag nicht mehr aus
- Ab kommenden Montag sind im öffentlichen Personenverkehr und im Einzelhandel in Bayern medizinische FFP2-Masken vorgeschrieben. Das hat der bayerische Ministerrat auf seiner Sitzung am Dienstag in München beschlossen. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) begründete die Maßnahme unter anderem mit der Gefahr des Vordringens einer mutierten und leichter übertragbaren Virusvariante. In diesem Fall könnten die geltenden AHA-Regeln (Abstand, Hygiene, Alltagsmaske) „deutlich zu wenig“sein, sagte Söder. Seine Überlegungen zu einer Impfpflicht für das Pflegepersonal in Alten- und Pflegeheimen relativierte der Ministerpräsident: „Ob es kommt, muss der Bund entscheiden.“
An der Verfügbarkeit werde die FFP2-Maskenpflicht für diese wichtigen Lebensbereiche nicht scheitern, sagte der neue bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). Im Handel gebe es genügend FFP2-Masken, sagte auch Söder. Während der bisher vorgeschriebene Mund-Nase-Schutz den Träger kaum vor Ansteckung schützt, sondern nur andere, gelten die FFP2Masken als weitaus sicherer. Das vor allem in Großbritannien und Irland grassierende mutierte Virus gilt als weitaus ansteckender als die bisherige Variante. Es sei höchste Zeit gewesen, sich von den „Gesichtslappen“zu verabschieden, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD im bayerischen Landtag Ruth Waldmann. Gleichwohl werde die Bevölkerung ins kalte Wasser geschmissen. „Was macht denn die alleinstehende Großmutter mit einer kleinen Rente? Anstatt die Masken billiger im Internet zu bestellen, rennt sie zur nächsten Apotheke und bezahlt viel Geld. Wenn sie überhaupt welche bekommt.“Der bayerische Apothekerverband weist jedoch darauf hin, dass die künftig in Einzelhandel und Nahverkehr vorgeschriebenen Masken nicht apothekenpflichtig sind.
Söders bayerischer Koalitionspartner, die Freien Wähler, stellte sich hinter die FFP2-Maskenpflicht. „Das Tragen von FFP2-Masken reduziert die Ansteckungsgefahr auf ein Minimum. Niemand käme beispielsweise auf die Idee, einen Corona-Rachenabstrich mit einer einfachen Mund-Nasen-Bedeckung vorzunehmen“, erklärte Wirtschaftsminister und Vizeministerpräsident Hubert Aiwanger. Perspektivisch sei dies also auch eine Chance für die Wiederöffnung des Einzelhandels nach dem Lockdown. Er hoffe, dass „die Bundespolitik
diesen heutigen Beschluss zu FFP2-Masken aus Bayern zur Kenntnis nimmt.“
Für heftige Diskussionen hatten schon vor der Kabinettssitzung Äußerungen Söders gesorgt, wonach man wegen der geringen Impfbereitschaft des Pflegepersonals in Altenund Pflegeheimen über eine Impfpflicht für dieses Personal nachdenken sollte. Grundsätzlich sollte es keine Impfpflicht geben, sagte Söder am Dienstag. Wenn man jedoch Corona bekämpfen wolle, müsse man eine Pflicht für diese besonderen Berufsgruppen erwägen. „Entweder wollen wir Corona besiegen oder nicht“, so Söder.
Söder verteidigte auch die umstrittene Regelung, wonach sich Bürger aus Corona-Hotspots nur 15 Kilometer von ihrem Heimatort entfernen dürfen und betroffene Kreise und kreisfreie Städte Freizeitausflüge in ihr Gebiet untersagen können. Im Freistaat gab es am Dienstag 21
Städte und Landkreise mit einer Inzidenz (Infektionsfälle pro 100 000 Einwohner und Woche) von mehr als 200 und weitere fünf von mehr als 300. Bayern setze damit Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz um. Die Sperrung ihrer Kreise für Ausflügler sei auf dringenden Wunsch der betroffenen Landräte zusätzlich in die neue bayerische Verordnung aufgenommen worden.
Mit „großer Sorge“betrachte der bayerische Regierungschef die Ausbreitung von Virus-Mutationen. Dies verschärfe den „Wettlauf mit der Zeit“. Söder erwartet, dass sich die aggressivere Variante des Virus auf Dauer durchsetzen könnte, wenn man mit Impfungen nicht entgegenwirke. Das bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) werde künftig Sequenzierungen zur Erkennung der Mutation vornehmen können. Gesundheitsminister Holetschek räumte ein, dass fehlender Impfstoff derzeit noch einen „Flaschenhals“bei den Bemühungen um Durchimpfung der Bevölkerung bilde. Seit dem Impfstart am 27. Dezember sind in Bayern nach Holetscheks Anhaben 140 000 Menschen geimpft worden. Eine Beschleunigung erhofft sich der Minister durch die Zulassung weiterer Impfstoffe.
Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) hat die Bewährungsprobe, die vielerorts mit dem Start des Distanzunterrichts am vergangenen Montag verbunden wurde, nach Ansicht Söders öffensichtlich bestanden. Den Start nach der verlängerten Weihnachtspause mit Distanzunterricht an allen Schulen bewertete Söder mit „geht schon“. Die Schulverwaltung hatte die Kapazitäten der digitalen Lernplattform Mebis, die im vergangenen Jahr durch wiederholte Pannen von sich reden machte, vervielfacht und außerdem den Zugriff auf das System zeitlich gestaffelt. Daher war Mebis am ersten Schultag trotz 660 000 Einwahlen bis auf 20 Minuten stabil geblieben.
Darüber hinaus ist an den 6200 bayerischen Schulen eine Notbetreuung eingerichtet, die sich in erster Linie an die Schüler der Klassen eins bis sechs richtet. Eltern können ihre Kinder dorthin schicken, ohne dass sie – wie im Frühjahr – nachweisen müssen, dass sie einer systemrelevanten Tätigkeit nachgehen. Bei den Grundschulen seien am Montag etwa neun Prozent der Schüler zur Notbetreuung erschienen, bei den Förderschulen 14 Prozent. Das sei etwas mehr als bei der Schulschließung im vergangenen Frühjahr, so Piazolo.
Unzufrieden zeigte sich Söder mit dem Maß an Homeoffice in der Wirtschaft. Er habe den Eindruck, dass es in dieser Hinsicht einen Rückschritt gegenüber dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 gebe. Am Mittwoch will Söder in einer Konferenz mit Arbeitgebern und Gewerkschaften erörtern, wie die häusliche Arbeit ausgeweitet werden kann. Dabei könne er sich vorstellen, statt mit Zwang mit „Begünstigungen“zu arbeiten.
Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) hatte Forderungen der Grünen, mehr Homeoffice durch Vorschriften zu erzwingen, zurückgewiesen. In manchen Bereichen sei Homeoffice umgesetzt, in anderen wiederum gar nicht möglich, erklärte vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Die Vorstellung, die Arbeitswelt spiele sich noch in eng besetzten Großraumbüros ab, entspreche spätestens seit letztem März nicht mehr der Realität, so Brossardt.