Lindauer Zeitung

Söder verordnet FFP2-Masken für alle

In Nahverkehr und Einzelhand­el reicht ein Mund-Nase-Schutz ab Montag nicht mehr aus

- Von Ralf Müller

- Ab kommenden Montag sind im öffentlich­en Personenve­rkehr und im Einzelhand­el in Bayern medizinisc­he FFP2-Masken vorgeschri­eben. Das hat der bayerische Ministerra­t auf seiner Sitzung am Dienstag in München beschlosse­n. Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) begründete die Maßnahme unter anderem mit der Gefahr des Vordringen­s einer mutierten und leichter übertragba­ren Virusvaria­nte. In diesem Fall könnten die geltenden AHA-Regeln (Abstand, Hygiene, Alltagsmas­ke) „deutlich zu wenig“sein, sagte Söder. Seine Überlegung­en zu einer Impfpflich­t für das Pflegepers­onal in Alten- und Pflegeheim­en relativier­te der Ministerpr­äsident: „Ob es kommt, muss der Bund entscheide­n.“

An der Verfügbark­eit werde die FFP2-Maskenpfli­cht für diese wichtigen Lebensbere­iche nicht scheitern, sagte der neue bayerische Gesundheit­sminister Klaus Holetschek (CSU). Im Handel gebe es genügend FFP2-Masken, sagte auch Söder. Während der bisher vorgeschri­ebene Mund-Nase-Schutz den Träger kaum vor Ansteckung schützt, sondern nur andere, gelten die FFP2Masken als weitaus sicherer. Das vor allem in Großbritan­nien und Irland grassieren­de mutierte Virus gilt als weitaus ansteckend­er als die bisherige Variante. Es sei höchste Zeit gewesen, sich von den „Gesichtsla­ppen“zu verabschie­den, sagte die gesundheit­spolitisch­e Sprecherin der SPD im bayerische­n Landtag Ruth Waldmann. Gleichwohl werde die Bevölkerun­g ins kalte Wasser geschmisse­n. „Was macht denn die alleinsteh­ende Großmutter mit einer kleinen Rente? Anstatt die Masken billiger im Internet zu bestellen, rennt sie zur nächsten Apotheke und bezahlt viel Geld. Wenn sie überhaupt welche bekommt.“Der bayerische Apothekerv­erband weist jedoch darauf hin, dass die künftig in Einzelhand­el und Nahverkehr vorgeschri­ebenen Masken nicht apothekenp­flichtig sind.

Söders bayerische­r Koalitions­partner, die Freien Wähler, stellte sich hinter die FFP2-Maskenpfli­cht. „Das Tragen von FFP2-Masken reduziert die Ansteckung­sgefahr auf ein Minimum. Niemand käme beispielsw­eise auf die Idee, einen Corona-Rachenabst­rich mit einer einfachen Mund-Nasen-Bedeckung vorzunehme­n“, erklärte Wirtschaft­sminister und Vizeminist­erpräsiden­t Hubert Aiwanger. Perspektiv­isch sei dies also auch eine Chance für die Wiederöffn­ung des Einzelhand­els nach dem Lockdown. Er hoffe, dass „die Bundespoli­tik

diesen heutigen Beschluss zu FFP2-Masken aus Bayern zur Kenntnis nimmt.“

Für heftige Diskussion­en hatten schon vor der Kabinettss­itzung Äußerungen Söders gesorgt, wonach man wegen der geringen Impfbereit­schaft des Pflegepers­onals in Altenund Pflegeheim­en über eine Impfpflich­t für dieses Personal nachdenken sollte. Grundsätzl­ich sollte es keine Impfpflich­t geben, sagte Söder am Dienstag. Wenn man jedoch Corona bekämpfen wolle, müsse man eine Pflicht für diese besonderen Berufsgrup­pen erwägen. „Entweder wollen wir Corona besiegen oder nicht“, so Söder.

Söder verteidigt­e auch die umstritten­e Regelung, wonach sich Bürger aus Corona-Hotspots nur 15 Kilometer von ihrem Heimatort entfernen dürfen und betroffene Kreise und kreisfreie Städte Freizeitau­sflüge in ihr Gebiet untersagen können. Im Freistaat gab es am Dienstag 21

Städte und Landkreise mit einer Inzidenz (Infektions­fälle pro 100 000 Einwohner und Woche) von mehr als 200 und weitere fünf von mehr als 300. Bayern setze damit Beschlüsse der Ministerpr­äsidentenk­onferenz um. Die Sperrung ihrer Kreise für Ausflügler sei auf dringenden Wunsch der betroffene­n Landräte zusätzlich in die neue bayerische Verordnung aufgenomme­n worden.

Mit „großer Sorge“betrachte der bayerische Regierungs­chef die Ausbreitun­g von Virus-Mutationen. Dies verschärfe den „Wettlauf mit der Zeit“. Söder erwartet, dass sich die aggressive­re Variante des Virus auf Dauer durchsetze­n könnte, wenn man mit Impfungen nicht entgegenwi­rke. Das bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it (LGL) werde künftig Sequenzier­ungen zur Erkennung der Mutation vornehmen können. Gesundheit­sminister Holetschek räumte ein, dass fehlender Impfstoff derzeit noch einen „Flaschenha­ls“bei den Bemühungen um Durchimpfu­ng der Bevölkerun­g bilde. Seit dem Impfstart am 27. Dezember sind in Bayern nach Holetschek­s Anhaben 140 000 Menschen geimpft worden. Eine Beschleuni­gung erhofft sich der Minister durch die Zulassung weiterer Impfstoffe.

Bayerns Kultusmini­ster Michael Piazolo (Freie Wähler) hat die Bewährungs­probe, die vielerorts mit dem Start des Distanzunt­errichts am vergangene­n Montag verbunden wurde, nach Ansicht Söders öffensicht­lich bestanden. Den Start nach der verlängert­en Weihnachts­pause mit Distanzunt­erricht an allen Schulen bewertete Söder mit „geht schon“. Die Schulverwa­ltung hatte die Kapazitäte­n der digitalen Lernplattf­orm Mebis, die im vergangene­n Jahr durch wiederholt­e Pannen von sich reden machte, vervielfac­ht und außerdem den Zugriff auf das System zeitlich gestaffelt. Daher war Mebis am ersten Schultag trotz 660 000 Einwahlen bis auf 20 Minuten stabil geblieben.

Darüber hinaus ist an den 6200 bayerische­n Schulen eine Notbetreuu­ng eingericht­et, die sich in erster Linie an die Schüler der Klassen eins bis sechs richtet. Eltern können ihre Kinder dorthin schicken, ohne dass sie – wie im Frühjahr – nachweisen müssen, dass sie einer systemrele­vanten Tätigkeit nachgehen. Bei den Grundschul­en seien am Montag etwa neun Prozent der Schüler zur Notbetreuu­ng erschienen, bei den Förderschu­len 14 Prozent. Das sei etwas mehr als bei der Schulschli­eßung im vergangene­n Frühjahr, so Piazolo.

Unzufriede­n zeigte sich Söder mit dem Maß an Homeoffice in der Wirtschaft. Er habe den Eindruck, dass es in dieser Hinsicht einen Rückschrit­t gegenüber dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 gebe. Am Mittwoch will Söder in einer Konferenz mit Arbeitgebe­rn und Gewerkscha­ften erörtern, wie die häusliche Arbeit ausgeweite­t werden kann. Dabei könne er sich vorstellen, statt mit Zwang mit „Begünstigu­ngen“zu arbeiten.

Die Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft (vbw) hatte Forderunge­n der Grünen, mehr Homeoffice durch Vorschrift­en zu erzwingen, zurückgewi­esen. In manchen Bereichen sei Homeoffice umgesetzt, in anderen wiederum gar nicht möglich, erklärte vbw-Hauptgesch­äftsführer Bertram Brossardt. Die Vorstellun­g, die Arbeitswel­t spiele sich noch in eng besetzten Großraumbü­ros ab, entspreche spätestens seit letztem März nicht mehr der Realität, so Brossardt.

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FOTO: PETER KNEFFEL/DPA In Bayern müssen ab 18. Januar FFP2-Masken im öffentlich­en Nahverkehr und im Einzelhand­el getragen werden.

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