Gespräche – für Kranke wie ein Ventil
Seelsorger im Klinikum Kempten ersetzen die Besucher, die nicht kommen dürfen
- Sie sind da, wenn sie gewünscht werden. Denn sie wollen – auch durch das Gebet – Zuversicht geben: die Klinikseelsorgerinnen und -seelsorger. In jedem der Häuser des Klinikverbunds Allgäu stehen sie als Ansprechpartner zur Verfügung. Oft sind sie derzeit bei Kranken die einzigen Besucher. Und oft stehen sie an der Seite von Hinterbliebenen, die einen Verstorbenen betrauern. Doch Klinikseelsorge während Corona – das bedeutet auch für die evangelische Pfarrerin Heike Steiger und den katholischen Palliativseelsorger Christof Vey am Klinikum Kempten Einschränkungen:
Die sanfte Berührung statt einem Wort des Trostes ist nicht möglich, der Mund- und Nasenschutz erschwert den Blick ins Gesicht. Das Gespräch sei derzeit wie ein Ventil für Kranke, um Druck abzulassen.
Dass Besuche im Klinikverbund die ganze Zeit über von außen möglich waren (jetzt auf einen Angehörigen pro Tag beschränkt) – dafür sind die Seelsorger dankbar. Wie wichtig seelsorgerische Begleitung ist, verdeutlicht für Vey eine Abschiedssituation in der Notaufnahme: Eine Frau mit ihrer Mutter wollte ihren 49-jährigen Mann, der an Corona verstorben war, noch einmal sehen. Gerade weil der Tod sehr schnell eingetreten war, ist nach Ansicht Veys bewusstes Abschiednehmen umso wichtiger. Das sei auch möglich gewesen, weil es nun die nötige Schutzkleidung in ausreichendem Maß gebe, „sodass wir zu dritt beim Verstorbenen sein konnten und ein eingeschränktes Abschiedsritual möglich war“. Für den Seelsorger ist es kaum vorstellbar, wenn diese Möglichkeit nicht bestanden hätte – nur weil Schutzkleidung fehle.
Genau das hätten Angehörige im Frühjahr traumatisch erlebt – „wenn auch nicht so sehr im Klinikum Kempten, da es hier anfangs sehr wenige Coronafälle gab“. Hier stünden Pflegekräfte aber auch vor Herausforderungen. Das Personal setze alles daran, in dieser Situation die „Grundformen der Menschlichkeit, so weit es irgendwie geht zu ermöglichen“, sagt Vey.
Die Pflegekräfte, sagt die evangelische Pfarrerin Steiger, hätten bereits während der ersten Pandemie-Welle viel Verständnis für den Informationsbedarf ihrer Patienten gezeigt und Telefonate mit Angehörigen ermöglicht. „Für uns Seelsorger hieß das, dass wir Patienten häufiger besuchten, da sie wenig Gelegenheit hatten, das, was am Tag geschah, mit jemandem zu besprechen.“Steiger ist berührt davon, welchen Trost es Menschen geben kann, „wenn wir gemeinsam beten“– auch wenn sie vorsichtig damit sei, ein Gebet anzubieten.
Momentan sei die Situation im Klinikum anstrengender als im Frühjahr: Die Zahl der Covid-19-Patienten sei gestiegen, auf derzeit (Stand: 7. Januar) 25 auf der Covidstation – die Intensivpatienten und jene, die mit Verdacht auf das Testergebnis warten, nicht mitgezählt. Die Patienten seien zwischen 75 und 85 Jahre alt, einige leiden an mehreren Krankheiten und sind sehr pflegebedürftig. Die Pfarrerin weiß, dass sich die Pflegekräfte jedem Einzelnen gern mehr zuwenden würden. Die Patienten selbst würden sehr darunter leiden, ihre Angehörigen nicht auch mal zu mehreren zu sehen. Andere fühlten sich zu erschöpft. Manche bräuchten Ruhe, könnten sich kaum auf ein Gespräch konzentrieren. Andere seien froh um Abwechslung. Sei das Ende bei einem Kranken absehbar, dürften Angehörige auch auf die Covidstation. Es sei natürlich schwer auszuhalten, sagt Steiger, dass das erst dann möglich werde, wenn es auf den Abschied zugeht.
Könne ein Patient telefonieren, seien diese Gespräche oft ein „unglaublicher Hoffnungsschimmer“. Einsame Menschen, hat Seelsorger Vey beobachtet, fühlen sich jetzt noch einsamer – das gelte vor allem auf der Isolierstation. Doch „Einsamkeit und Isolation machen krank, nicht gesund,“sagen die Seelsorger und versuchen, jedem Gesprächswunsch nachzukommen.