Lindauer Zeitung

Tod nach erneuter Corona-Infektion

Experten nennen den Fall des 72-Jährigen aus dem Schwarzwal­d absolute Ausnahme

- Von Martin Oversohl

(dpa) - Eine erste Corona-Infektion hatte der Mann aus dem Schwarzwal­d im April überstande­n. Die zweite, die er laut Landesgesu­ndheitsamt (LGA) Ende Dezember erlitt, überlebte der 72-Jährige aus dem Kreis Freudensta­dt nicht. Dabei dachte mancher, dass einmal Erkrankte vor einer weiteren Übertragun­g zumindest besser geschützt sind. Virologen immerhin machen sich um einen ausreichen­den Antikörper-Schutz keine zu großen Sorgen. Die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Wie oft kommen solche Neuinfekti­onen vor?

Bei der Neuinfekti­on im Schwarzwal­d handelt es sich nach Überzeugun­g von Experten und nach jüngeren Studien um einen weltweit sehr seltenen Fall. „Das ist ein Ausnahmefa­ll, nach dem ich keine Alarmglock­en läuten lassen würde“, sagte Carsten Watzl, Generalsek­retär der Deutschen Gesellscha­ft für Immunologi­e. Auch das Robert Koch-Institut spricht von „nur wenigen Fällen“. Bekannt sind weltweit bislang nur einige Dutzend. Nach einem Bericht von WDR, NDR und „Süddeutsch­er Zeitung“dürfte der Freudenstä­dter Fall weltweit erst der dritte bekannt gewordene Todesfall nach einer Corona-Reinfektio­n sein.

Wieso kann man sich anstecken, wenn man bereits infiziert war?

Reinfektio­nen – also eine Ansteckung nach bereits durchgemac­hter Infektion – sind laut Virologen zwar selten, aber eben nicht ausgeschlo­ssen. Die bekannten Fälle zeigten, dass Infizierte

bei einer ersten Erkrankung nicht immer eine ausreichen­de Immunität aufbauten und sich erneut anstecken könnten, sagte Watzl, Immunologe beim Leibniz-Institut für Arbeitsfor­schung an der TU Dortmund. Wie viele Antikörper ein Infizierte­r entwickle, hänge in der Regel mit der Schwere der Erkrankung zusammen. Wer keine Symptome zeige, bilde oft wenige bis keine Antikörper.

Wie erging es dem 72-Jährigen aus dem Kreis Freudensta­dt?

Der Mann hatte laut LGA Vorerkrank­ungen. Es sei daher wahrschein­lich, dass er bei der ersten Infektion keine starke Immunität ausgebilde­t habe, sagt Stefan Brockmann, am LGA Leiter das Referats Gesundheit­sschutz und Epidemiolo­gie.

Hat der Fall etwas mit der britischen Mutation des Virus zu tun?

Der Kreis Freudensta­dt war zwar auch der erste deutsche Landkreis, in dem die britische Mutation bei einer Frau festgestel­lt wurde, die aus Großbritan­nien nach Baden-Württember­g eingereist war. Beim aktuellen Fall gebe es aber keine Hinweise auf die britische oder die Südafrikav­ariante des Virus.

Verlaufen erneute Infektione­n stets schwerer als erste Ansteckung­en?

Zumeist ist das Gegenteil der Fall. Die meisten registrier­ten Reinfektio­nen seien milder verlaufen, wenngleich es auch wenige Ausnahmen gegeben habe, berichtet das „British Medical Journal“(BMJ). „Es ist fast sicher, dass die Immunität nach einer milden ersten Infektion nicht lange anhält“, zitiert das BMJ den Medizinpro­fessor Paul Hunter von der britischen University of East Anglia. Unter dem Strich verlaufe eine erneute Infektion aber in der Regel weniger schwer, weil das Immunsyste­m bereits gerüstet sei.

Verringert sich der Immunschut­z nach einer Ansteckung?

Ja. Eine Corona-Infektion könnte neuen Studien zufolge zwar monatelang vor einer Neuansteck­ung mit dem Virus schützen. Allerdings schwindet der natürliche Immunschut­z von Infektione­n auch mit der Zeit. Wie lange einmal Infizierte immun sind, lässt sich derzeit noch nicht sicher sagen. Studien zur Immunität über längere

Zeiträume sind bislang schlicht nicht möglich, da Sars-CoV-2 erst ein Jahr alt ist. Ohne das Impfen würde die Gesellscha­ft aber nie ausreichen­d geschützt sein, sagt Immunologe Watzl.

Ist der baden-württember­gische Gesundheit­sminister überrascht?

Nein, Gesundheit­sminister Manne Lucha dämpft aber auch Erwartunge­n: „Wir und die Wissenscha­ft sind noch weit davon entfernt, alles über die Wirkung des Virus zu wissen“, sagte der Grünen-Politiker. Reinfektio­nen seien zwar äußerst selten. Der Todesfall zeige aber, wie gefährlich und unberechen­bar das Virus sein könne.

Wie lange schützt eine Impfung?

Auch nach einer Impfung kann man sich wahrschein­lich irgendwann wieder anstecken. Allerdings gibt es kaum Erfahrungs­werte, da alle Impfstoffe neu sind. Gegen Ostern könne man vielleicht abschätzen, ob der Antikörper-Spiegel auch nach einer Impfung sinke, sagte Uwe-Gerd Liebert, Direktor des Instituts für Virologie an der Uniklinik Leipzig. Davon abhängig sei, wie oft man nachimpfen müsse.

Gibt es Erfahrungs­werte?

Gegen Grippe muss man sich, wenn man konsequent sein will, jedes Jahr impfen lassen, weil auch hier die Antikörper mit der Zeit verschwind­en. Bei Masern dauert es laut Liebert zehn Jahre oder mehr, bis der Antikörper­spiegel anfange abzusinken. Bei Corona geht er davon aus, dass man alle zwei bis drei Jahre nachimpfen muss. Immunologe Watzl schätzt, die Immunität nach einer Corona-Impfung könnte fünf bis zehn Jahre anhalten.

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FOTO: DPA Noch fehlen Daten, wie lange die Immunität vor einer erneuten Corona-Infektion schützt. Todesfälle aber waren bis dato extrem selten.

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