Corona bringt Jobcenter deutlich mehr Arbeit
Pandemiebedingt vor allem Selbstständige und Kleindienstleister in Nöten – „Neue Perspektiven schaffen“
- Als er sich vor einem Jahr über den Tiefststand von nur noch 1167 Kunden freut, ahnt der Geschäftsführer des Lindauer Jobcenters noch nichts von der drohenden Gefahr. Denn die Corona-Pandemie wird Michael Preisendanz’ Ziele für das Jahr 2020 über den Haufen werfen: Im Jahresverlauf sind teilweise bis zu einem Viertel mehr Menschen auf Geld des Jobcenters angewiesen. Es sind nach Preisendanz’ Worten vor allem Selbstständige,
Künstler und Kleindienstleister, die durch Corona in Existenznöte geraten. Doch der Jobcenter-Chef zeigt sich in seiner Jahresbilanz verhalten optimistisch: Mit dem Ende des Lockdowns werde sich der Arbeitsmarkt erholen.
„Einigermaßen nüchtern betrachtet“, müsse man die Situation nicht „so dramatisch“sehen, wie es beim ersten Blick auf die Zahlen erscheine, sagt Preisendanz im Gespräch mit der LZ. In seiner Jahresbilanz ist abzulesen, dass in den ersten vier Monaten die Kundenzahl zunächst noch weiter gesunken ist. „Wir hatten beispielsweise Aufstocker, die statt einem 450-Euro-Minijob dann einen Teilzeitvertrag erhalten haben und sich damit aus dem Bezug bei uns verabschieden konnten“, freut sich der Jobcenter-Chef.
Doch seine Annahme, ab Ostern oder spätestens ab Mai werde die Frühjahrsbelebung für einen weiteren Rückgang der Arbeitslosigkeit sorgen, erweist sich als trügerisch: Mit dem ersten Lockdown im April schnellt die Zahl der Grundsicherungsempfänger aus dem Kreis Lindau auf 1428. „Dabei muss man allerdings beachten, dass ein erleichterter Zugang zu den Leistungen des Jobcenters geschaffen wurde“, gibt Preisendanz zu bedenken. So verweist er darauf, dass die Vermögensgrenzen für Antragsteller und die Mitglieder ihrer Bedarfsgemeinschaft angehoben wurden: „Schon deshalb haben wir mehr Anträge erhalten.“Zu den Erleichterungen zählt Preisendanz aber auch, dass nach dem Ausbruch der Pandemie das Jobcenter die Mieten in tatsächlicher Höhe anerkannt habe. Das soll noch für Anträge bis Ende März gelten.
Wichtig ist für den Geschäftsführer des Lindauer Jobcenters und sein 35-köpfiges Team, durch die CoronaPandemie ausgelöste Existenznot zu lindern. Dazu gehöre auch, das Einkommen dort aufzustocken, wo Kurzarbeitergeld bestimmte Grenzen unterschreitet. Dass dafür zahlreiche Angaben in den Anträgen erforderlich sind, „das haben wir uns nicht ausgedacht“. Das Team des Jobcenters bemühe sich, alle Anträge so schnell wie möglich abzuarbeiten. Bei Nachfragen könne es aber länger dauern, „da bitte ich um Verständnis“.
Nach der finanziellen Existenzsicherung stünden dann Gespräche
Jobcenter-Geschäftsführer Michael Preisendanz zur beruflichen Zukunft an. „Wir klären ab, wie es nach Corona beruflich weitergehen kann, ob Menschen ihre bisherige Berufstätigkeit fortsetzen können, oder welche Alternativen der Arbeitsmarkt bietet“, schildert Preisendanz. Er berichtet, dass mit Beginn der Lockerungen im vergangenen Sommer sich insbesondere Selbstständige vom Jobcenter abgemeldet hätten, um ihre Geschäfte wieder zu öffnen. Insgesamt weist die Jahresbilanz 436 Abgänge auf. So viele Landkreisbewohner haben sich im vergangenen Jahr auf Dauer vom Jobcenter verabschiedet. „Das ist die höchste Zahl in der gesamten Region“, fügt Preisendanz an.
Mit anderen Kunden habe man deren aktuelle Geschäftstätigkeit unter die Lupe genommen, eine Marktanalyse durchgeführt, nach neuen Möglichkeiten gesucht. „Orientiert an der individuellen Situation arbeiten“, dieses Angebot will das Lindauer Jobcenter insbesondere bei Kleinund Soloselbstständigen fortsetzen.
Der Geschäftsführer erinnert dabei an den Höchststand von gut 1460 Jobcenter-Kunden im Frühjahr 2017 – damals hatten viele Migranten nach ihrer Anerkennung als Asylbewerber Anspruch auf Grundsicherung. „Viele von ihnen konnten wir gut ins Berufsleben integrieren“, berichtet er und ist überzeugt, dass dies auch jetzt möglich sei.
Dabei gibt sich Preisendanz optimistisch: „Wenn die Corona-Beschränkungen fallen, wird der Arbeitsmarkt im zweiten Quartal wieder anziehen.“Er sieht Wachstumspotenziale, also bessere Vermittlungschancen, wenn in Lindau und Umgebung die Gastronomie wieder öffne, das Handwerk verstärkt Mitarbeiter brauche und auch Zeitarbeitsfirmen wieder Beschäftigungsmöglichkeiten
„Man muss beachten, dass ein erleichterter Zugang zu den Leistungen des Jobcenters geschaffen wurde.“
bieten. Sogar die Gartenschau zieht Preisendanz in seine Überlegungen ein: „Auch dort wird Personal benötigt.“
Noch befinden sich aber Deutschland und damit auch der Kreis Lindau im harten Lockdown. Natürlich sei derzeit nicht absehbar, wie lange die Corona-Pandemie noch das Geschehen
bestimmen wird, gibt der Geschäftsführer des Lindauer Jobcenters zu: „Die Arbeitschancen stehen und fallen mit der Dauer der Beschränkungen.“Doch Michael Preisendanz will ganz bewusst Optimismus ausstrahlen: „Weil es hier im Kreis Lindau eben Chancen gibt, beruflich wieder Fuß zu fassen.“